Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

DOI Heft:
Heft 15/16
DOI Artikel:
Preetorius, Emil: Die Ausstellung chinesischer und japanischer Malerei: im Münchner Völkerkunde-Museum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0458

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zwei Büffel in Landschaft. Tusche auf Papier China, Breitrolle, 12. Jahrh.

Sammlung Eumorfopoulos, London

DIE ALISSTELLUNG CHINESISCHER UND
JAPANISCHER MALEREI

IM MÜNCHNER VÖLKERKUNDE-MUSEUM
VON EMIL PREETORIUS

Daß sie nur Malereien zeigt, und daß diese Malereien vornehmlich nach der künst-
lerischen Qualität ausgewählt sind: das gibt dieser Darbietung die auszeichnende Be-
sonderheit. Denn die ostasiatischen Ausstellungen der letzten Jahre in Paris, Amster-
dam, Köln, Berlin ließen gerade die Malerei zurücktreten liinter der Plastik und der
Gerätekunst, vor allem hinter der Keramik. Die Malerei aber ist es, die in die Mitte
einer Darbietung ostasiatscher Kunst gehört, auch wenn sie noch nicht zur großen
Mode geworden ist — die Malerei ist es, die sich mit der Schreibkunst, als deren Zweig
sie dem Ostasiaten gilt, als die größte, die schlechthin unvergleichliche künstlerische
Außerung des fernen Ostens darstellt.

Die Ausstellung, ein knapper Querschnitt durch neun Jahrhunderte, ist chronologisch
geordnet, erhebt keinen Anspruch auf (doch stets imaginäre) Vollständigkeit, wohl aber
den wichtigeren, ja, für die wahre Erkenntnis einzig in Betracht kommenden auf gutes
künstlerisches Niveau, auf Qualität. Immerhin macht die geschichtliche Abfolge deut-
lich, daß auch die Kunst Ostasiens sich wandelt im Laufe der Zeiten, daß sie kein
Kontinuum ist von völliger Konstanz, wenn freilich auch dieser Wandel nicht als »Ent-
wicklung« im europäischen Sinne zu verstehen ist. Denn der Begriff der Entwicklung
enthält etwas eindeutig Gerichtetes, weist auf ein Ziel, auf das der Formen- und Ge-
staltenwechsel wenigstens symbolisch hinstrebt. Entwicklung ist ein W e g, der von
der Vogelschau aus für die gesamte abendländische Kunst zu verfolgen ist. Entwick-
lung solcher Art aber gibt es für die Kunst Ostasiens nicht: es stehen immer wieder
völlig verschiedene Ausdrucksarten gleichzeitig nebeneinander — lineare und malerische,
farbige und farblose, thematisch reiche und arme, landschaftliche und figürliche. Nur
die Technik bleibt sich im wesentlichen gleich, jene Technik, deren unerreichte Ein-
fachheit und Spiritualität mit ihrer Schwierigkeit wetteifert: Wasserfarben undTusche
auf leise saugendem Papier- oder Seidengrund. Diese Ausdrucksweise aber macht es
notwendig, die künstlerische Vorstellung auf den ersten Zug, ohne jede Korrektur zu
verwirklichen. Und daraus wird schon ganz äußerlicli der Abstand der europäischen
Skizze vom östlichen Bildwerk deutlich, obwohl dieses dem oberflächlichen Betrachter
so oft skizzenhaft anmutet. Ist Skizze erste Vornotiz, flüchtig-ungefährer Entwurf,

426
 
Annotationen