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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 2.1927

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Lotz, Wilhelm: Handwerk, Werkbund und Kultur: das Für und Wider der Zusammenarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.13210#0356

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herausgefühlt, denn er hat in seinem Schlußwort
sich dagegen gewandt, daß man von der einen
Seite her das Handwerk kulturell und von der
anderen Seite her wirtschaftlich pflegen soll, und
daß der Werkbund die wirtschaftliclie und soziale
Seite nicht als seine, sondern als die Arbeit der
Fachorganisationen ansieht. Es handele sich doch
um dasselbe Objekt, um das Handwerk. — Es wäre
falsch, wenn man, da dieser Punkt einmal berührt
ist, über die Tatsache hinweggehen wollte, daß
es dem Werkbund immer zuerst auf das Ergeb-
nis, auf das Werk ankommen wird. Er sieht das
Wirtschaftliche und Soziale nur soweit, als es
seine Einwirkung auf das Werk hat. Der Wirt-
schaftsführer des Handwerks wird immer als Pri-
märes die wirtschaftlichen und sozialen Gesichts-
punkte sehen, er wird zwar, wenn er so weit-
sichtig ist, wie der Sprecher des Handwerks in
Mannheim, auch das geschmackliche Niveau der
Handwerksproduktion zu beben versuchen — nicht
zuletzt, weil er darin auch eine Gewähr für wei-
teres wirtschaftliches Gedeihen des Handwerks
sieht. Nehmen wir ein Beispiel: wir wissen alle,
daß es heute alte und technisch hochstehende
Handwerkszweige gibt, die durch die Entwicklung
unseres Verhältnisses zur Aufgabe und zur Ge-
stallung in unserer Zeit kaum noch Absatz oder
Beschäftigung haben. Pflicht des wirtschaftlich ge-
richteten llandwerksführers wird es sein, mit allen
ihm zu Gebole stehenden Mitlein diese Handwerks-
zweige wirtschaftlich zu heben. Er wird wohl,
wenn er vernünftig ist, vor einem unnatürlich
starken Zustrom von Lehrlingen warnen. Der
Werkbund aber wird trotz aller Sympathie für
derartige alte hochstehende Techniken, ihren Ver-
fall und Untergang leichler nehmen, weil er ein
größeres kulturelles Ziel im Auge hat. Er würde
niemals, wie das die Arbeitsgemeinschaft für
Handwerkskultur bisweilen zu tun versucht hat,
solche alle Handwerkstechniken gewaltsam wieder
aufzupäppeln versuchen, wenn gar keine wirt-
schaftliche oder kulturelle Notwendigkeit vorliegt.
Bei weiterer Zusammenarbeit müßte daher nach
unserer Meinung das Handwerk sich vollkommen
darüber klar sein, daß es dem Werkhund immer
um die Handarbeit, um das Erzeugnis des Hand-
werkers zu tun sein wird, und daß er vom Werk
aus die sozialen und wirtschaftlichen Momente be-
trachten wird. Er wird aber auch auf Grund sei-
ner ganzen Einstellung nicht fanalischer A erde-
ter von reiner handwerklicher Erzeugung sein, er
wird sich sehr leicht daran gewöhnen, in dem
Handwerkserzeugnis von heute eine Kombination
Min Maschinen- und Handarbeit zu sehen, die
gerade so ihr eigenes Gepräge haben kann wie
reine Handarbeit oder wie ein reines Industrie-
produkt. Nehmen wir ein Beispiel, das dieses Ver-
hältnis besonders klar beleuchten kann: das ge-
schlagene Silbergef'äß ist reine Handwerksarbeit,
ein elektrischer Kodier reine Industriearbeit,
dazwischen steht das Erzeugnis des Kleinbetriebs,
das auf der Bank gedrückte Metallgefäß. Dieses
kann als eine solche Kombination von Hand- und

Maschinenarbeit angesprochen werden, das seine
ganz eigne Formensprache ausprägen kann (siehe
„Serienfabrikation in Silber'', Heft 5, 2. Jahr-
gang der FOBM, Seite 138 ff.).
Bei der Zusammenarbeit zwischen Handwerk und
Werkbund wird es aber auch nötig sein, daß der
Werkbund sich ziemlich wesentlich umstellt. Eine
solche Umstellung, wenn es sich nur um ein
freundschaftliches Entgegenkommen handeln
würde, wäre nicht von langer Dauer. Dieses Ent-
gegenkommen müßte aus einer wirklich einsich-
tigen Umstellung auf neue kulturelle Momente
heraus erfolgen. Wichtige Ideenströme müßten
dahin drängen, daß der Werkbund sein Wirkungs-
feld etwas verlegt. Diese Umstellung hat Dr.
Meusch ganz klar gefordert, wenn er verlangt hat,
daß der Werkbund seine Beachtung und Förde-
rung nicht nur den Spitzenleistungen schenkt, son-
dern auch im starken Maß der breiteren Güter-
produktion und das Handwerk mit Experimenten
verschont.

Kann der Werkbund sich wirklich innerlich
darauf einstellen?

In der Haltung des Werkbundes tritt schon immer,
und mit der Zeil im verstärkten Maße, das Be-
streben hervor, dem einfacheren Gebrauchsgerät
und dem Serienstück, das ohne künstlerisches Zu-
tun rein aus der Angleichung an den Zweck und
an die Produktionsweise seine Gestalt gewonnen
hat, große Aufmerksamkeit zu schenken. Belegen
wir einmal diesen Wandel mit gegensätzlichen Bei-
spielen: das A.E.G.-Erzeugnis nach dem Entwurf
von Peter Behrens aus der Zeit der Gründung des
Werkbundes gegenüber der modernen elektrischen
Heizplatte oder dem modernen schmucklosen elek-
trischen Kocher. Der Stuhl von Riemerschmid
und Van de Velde um 1908 gegenüber dem heuti-
gen Thonet-Stühl oder dem Stuhl von Kramer, die
Möbel von Bruno Paul aus den ersten Jahren der
Deutschen Werkstätten gegenüber den Schneck-
Möbeln von 1927, der Riemerscbmidsche Ofen für
die Hombach-Hüttenwerke gegenüber dem Kra-
mer-Ofen oder dem modernen Gasherd. Das, was
Riezler als die „Entpersönlichung" des Möbels be-
zeichnet hat, trifft ganz diese Wandlung.
Heule wird oft auf die Tatsache hingewiesen, daß
in wirklich kulturell-hochstehenden Zeiten die Er-
zeugnisse verschiedener Werkstätten und Künstler
in der Form unter sich ungeheuer gleichartig ge-
wesen sind, so daß die persönliche Zutat nicht
formale Neuschöpfung, sondern nur formale oder
technische Verbesserungen darstellt. Wenn wir
wirklich zu einer einheitlichen breiten Kultur
kommen wollen, so muß sich der Künstler, der
Handwerker und der Gestalter bescheiden und
seine individuelle Zutat soviel als möglich zurück-
stellen. Auch auf diese Momente ist wiederholt
hingewiesen worden, und die ganze Entwicklung
der Gestaltung zeigt, wenn nicht alles täuscht, daß
wir heute den Weg von der individuellen Schöp-
fung zum Typ zu gehen. Auch die Normierungs-
bestrebungen fügen sich in dieses Bild ein, wenn
auch immer davor gewarnt werden muß, Normen-

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