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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Lotz, Wilhelm: Die Maschine in der Produktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0167

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Form, wenn wir auch leicht verstehen können, daß sie sehr
geeignet ist, für sie ausführendes Werkzeug zu sein.

Die Maschine ist ein Werkzeug, das sich der Mensch kon-
struiert hat, um die Naturkräfte in Dienst zu stellen und mit
wenig menschlichem Arbeitsaufwand große Mengen herzu-
stellen. Im großen ganzen hat es keinen Sinn, mit der Maschine
etwas anderes als möglichst einfache, undekorierte Formen
hervorzubringen. Außerdem ist es mit der Maschine möglich,
das was die Handarbeit immer zu erreichen trachtete, die
größte Exaktheit für alle von ihr gefertigten Erzeugnisse fest-
zulegen, denn es kann bei der Herstellung der Formen, Stanzen
und Führungen mit der Handarbeit eine ungeheure Präzision
erreicht werden, die dann am Produkt bei allen Erzeugnissen
gleichmäßig auftritt. Die Präzision der Ausarbeitung der
Stanze kann ja mit viel Zeit- und Arbeitsaufwand bewerk-
stelligt werden, sie überträgt sich auf die vielen Objekte, die
die reproduzierende Maschine liefert, sie „macht sich bezahlt".
Die Exaktheit der Maschinenarbeit gegenüber der Handarbeit
wird natürlich auch erreicht — nehmen wir als Beispiel eine
Schleifmaschine — durch die geregelte gleichmäßige Arbeit
der Maschine, gleichmäßige Kraftzufuhr und gleichmäßige
mechanische Uebersetzungen der Arbeitsbewegungen.

Die Maschine stellt in der Produktion zwei Leistungs-
prinzipien dar, Reproduktion als Vervielfältigung und gleich-
mäßig geordnete Arbeitsleistung.

Der Guß oder die Modellvervielfältigung sind einfache
Formen des ersten, das Mühlrad eine niedere Form des anderen
Prinzips.

Betrachten wir nun die Fabrikationsstätte, die Fabrik, aber
nicht als wirtschaftliche, sondern als Arbeits-, besser Produk-
tionsform. Jeder kennt das laufende Band als Kennzeichen der
modernen Fabrik. Eigentlich ist die schon erwähnte große
Zeitungsrotationspresse nichts anderes. Der Arbeitsprozeß wird
in einzelne Arbeitsgänge hintereinander aufgelöst, die je
gleiche Zeit am selben Objekt brauchen. Am laufenden Band
allerdings sitzt der Mensch und montiert, in der automatischen
Maschine sind nicht nur die Führungen des Werkstücks mecha-
nisch, sondern auch alle Arbeitsfunktionen. Es ist der Automat,
der in der Fabrikation die menschliche Arbeit ersetzt, oder
besser durch mechanische Funktion ersetzt. Der Produktions-
arbeiter wird überflüssig, aber keinesfalls der Ingenieur und
der Mechaniker und Werkzeugmacher oder gar der Modell-
macher. Wenn die Automatisierung des Betriebs wirklich bis
zur letzten Konsequenz weitergeführt wird, so verschwindet der
Mensch als Helfer der reproduzierenden Vervielfältigung, aber
niemals aus dem schöpferischen Gebiet der Produktion. Nur,
und das ist das Kernproblem unserer industriellen Zeit, ist
der schöpferische Teil gegenüber dem vervielfältigenden so
gering, daß die Arbeitsmöglichkeiten geringer werden. Dieses
Problem ist vorwiegend ein soziologisches und fällt nicht in
den Rahmen unserer Themastellung.

Die moderne Fabrik ist daher aber nichts anderes als eine
große Maschine, deren verschiedene Arbeitsgänge zerlegt sind.
Die Zerlegung hat den Vorteil, daß man die Werkstücke
zwischen den einzelnen Werkgängen kontrollieren kann und
daß man Arbeitsgänge, die schneller erledigt werden, im Pro-

duktionsgang häufen, also nebeneinander schalten kann. Das
ließe sich natürlich auch bei der automatischen Maschine er-
möglichen. Aber da viele Betriebe mit ihren Maschinen nicht
immer die gleichen Objekte herstellen und da nun einmal
diese in ihren Dispositionsmöglichkeiten labileren Betriebe, es
sind Klein- und Mittelbetriebe, immer bestehen bleiben müssen,
weil es viele Dinge gibt, für die ein so großer Bedarf nicht
vorhanden ist, wird die automatische Großmaschine den Be-
trieb nie ganz verdrängen können. Es gibt nun einmal Dinge,
für die der Großbetrieb gar nicht rentabel ist, die der Klein-
betrieb besser und billiger herstellen kann. Das sind vor allem
Objekte in verhältnismäßig geringen Mengen, bei denen man
besondere Anforderungen hinsichtlich der Qualität und Art der
Ausführung stellt. Eine ausgesprochene Großdruckerei wird
besondere Drucksachen in ausgefallener Ausführung gar nicht
herstellen wollen, und wenn sie es tut, kosten sie den Betrieb
zuviel, weil er gar nicht so darauf eingestellt ist wie eine kleine
Druckerei, die nur solche besonderen Aufträge ausführt.

Deshalb ist es auch falsch, wenn man der handwerklichen
Produktionsform den Untergang prophezeit. Um den oft ver-
breiteten Begriffsverwirrungen vorzubeugen, betonen wir, daß
wir von der handwerklichen Produktionsform und nicht von der
handwerklichen Arbeit sprechen. Dr. Meusch, der General-
sekretär des Handwerks- und Gewerbekammertages, sagte bei
einer Rede in Mannheim 1927 vor dem Deutschen Werkbund:
„Es wäre volkswirtschaftlich vollkommen falsch gedacht, wenn
man annehmen würde, daß in der Zukunft nur ein einziges
uniformes Wirtschaftssystem herrschen würde. Das würde aller
bisherigen Erfahrung, aber auch dem Wesen der wirtschaft-
lichen Entwicklung widersprechen. Die Wirtschaftsgeschichte
läßt erkennen, daß die Zahl der in einer bestimmten Zeit-
spanne angewendeten Wirtschaftsmethoden sich immer reicher
gestaltet."

Wie das Handwerk nicht verdrängt, wenn auch zurück-
gedrängt ist, so kann auch nicht davon gesprochen werden,
daß die Handarbeit vollkommen ausgeschaltet ist oder wird.
Wir haben schon auf ihren Wert und ihre Bedeutung bei der
Herstellung von Modellen und Formen hingewiesen. Aber auch
in der vervielfältigenden Produktion ist sie, wenigstens heute
noch, in großem Ausmaße zu finden. Nicht nur im Klein- oder
Mittelbetrieb, sondern auch im Großbetrieb. Wir erwähnten
schon das Schleifen der Messer in Solingen. Aber dort gibt es
sehr weitgehende Spezialisierung der handwerklichen Schleifer.
Kein Messerschleifer schleift eine Scherenklinge oder sonst eine
Stahlware. Wenn wir weiter suchen, so werden wir in fast
allen Betrieben im Herstellungsgang eingeschaltet die Hand-
arbeit finden, von sehr spezialisierter Ausführung bis zu einigen
montierenden Handgriffen. Aber diese Handarbeit ist sehr
stark in das Tempo des Produktionsganges eingeschaltet. Die
Handarbeit ist dort wie beim Taylorsystem eingeschaltet wie
der Bedienungsgriff der Maschine. Aber diese Teilung auch
der rein handwerklichen Arbeit in Spezialarbeit finden wir
ebenfalls schon bei der im Charakter ausgesprochen hand-
werklichen Arbeit.

Stellen wir uns vor, wie ein Stück edelsten Brillantschmucks
entsteht! Der Zeichner sucht Steine heraus, oder bekommt sie

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