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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 8.1933

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Rückert, Otto: Die besonderen Qualitäten des Werkstoffes Farbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.13209#0229

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wohlbekannten Pigmente, deren chemisches und physikalisches
Verhalten gegenüber Licht, Untergrund und Bindemittel für die
jeweilige technische Verwendung durchaus entscheidend sind.
Wir wissen z. B., daß die Palette des Freskomalers außer-
ordentlich beschränkt ist und wissen an Hand hinreichender
Versuche, daß eine ganze Reihe von im Handel vorkommender
Pigmente durch den Einfluß des Lichtes starken Veränderungen
ausgesetzt ist. Wir wissen auch [und gerade diese Tatsache
spricht gegen die Uebertragung der Ostwaldschen Theorien
auf die Praxis des Malers), daß alle schwarzen und braunen
Pigmente (Frankfurter Schwarz, Elfenbeinschwarz, Umbra gebr.
und ungebr., Kasselerbraun) die Mischtöne vergrauen und
verschmutzen. Diese Gefahr ist dann im besonderen Maße
in Verzug, wenn zum Aufbereiten eines hellen „gebrochenen"
Tones die handelsübliche Kreide verwendet wird. In Heft 2 der
Form ist eine technische Vergleichstafel abgebildet, aus der zu
ersehen ist, daß zwischen der Reinheit der weißen Töne, die auf
die verschiedensten Lithoponesorten zurückgehen, ein merklicher
Unterschied besteht. Dr. Lötz spricht in seiner ausgezeichneten
Abhandlung über Stoffe und Materialien (Heft 4 der Form)
bereits davon, daß wir heute dunkle, unklare, vielfach ge-
brochene Töne nicht mehr lieben und daß wir, wo es angängig
ist, helle Töne, die aber eine gewisse ausgesprochene Farbig-
keit erkennen lassen, bevorzugen. Diese Meinung ist durchaus
richtig! Wir können uns mit den goldig-braunen, schummerigen
Tönen, die einen Raum in das unklare Licht des altmeisterlichen
Milieus zu tauchen versuchen, ebensowenig befreunden wie
mit den tiefen, bunten Tönen, die wir im Zusammenhang mit
dem tunlichst hellen und verhältnismäßig leichten Hausrat der
Gegenwart als unschön empfinden. Es muß im Zusammen-
hang mit dieser Anschauung festgestellt werden, daß die
Ausmaße, die Formen und die Farberscheinung des Hausrates
für das farbige Aussehen des Hintergrundes eben dieses Haus-
rates durchaus entscheidend sind. Auch die Häufung des
Hausrates, die Farbigkeit der Bilder und Rahmen spielen in
diesem Falle eine besondere Rolle. Wenn Lötz verlangt, daß
jene hellen Töne zu bevorzugen seien, die ausgesprochene,
erkennbare Farbentöne beigemischt enthalten, so wird damit
ganz von selbst die Frage, wie solche Töne erzielt werden
können, aufgerollt. Wir haben gehört, daß bereits die Kreide,
noch mehr aber schwarze und braune Pigmente vergrauend
wirken und sind in richtiger Erkenntnis der oben formulierten
Forderung dazu übergegangen, die sogenannten Buntfarben

Abbildung 4

in einer ganz bestimmten Reihenfolge untereinander zu mischen
und mit Weiß energisch aufzuhellen. Die optische Theorie
sagt uns, daß auf dem Wege der subtraktiven Mischung
Grüngelb und Violett, Orange und Blau, Blaugrün und Rot
schwarz ergeben. Macht man sich diese und die Rungesche
Lehre zu Nutzen, so muß man ohne weiteres aus den vor-
erwähnten Theorien die Folgerung ziehen, daß eine Zu-
sammenmischung von Rot, Grün und Weiß nichts anderes
ergeben kann wie ein neutrales Grau. Tatsächlich erzielt
man bei dem Zusammenmischen eines roten (Englischrot) und
eines blaugrünen Pigmentes (Chromoxydhydratgrün), unter
Beifügung einer weißen Körperfarbe, ein ausgesprochen neu-
trales Grau. Man kann aus dieser sehr einfachen Feststellung
ohne besondere Mühe die Tatsache ableiten, daß die unter-
einander gemischten Ergänzungsfarben (Komplementärfarben)
auch dann graue, stark gebrochene Töne ergeben, wenn
man an Stelle der abstrakten Farbbegriffe solche Pigmente
setzt, die man gewohnheitsmäßig als Grün, Blau usw. erkennt.
Bekanntlich bezeichnet man die abstrakten Farben Grün,
Orange und Violett als sekundäre (im Gegensatz zu den
primären oder Grundfarben Gelb, Rot und Blau) und die aus
der Mischung der sekundären Farben untereinander sich er-
gebenden Farben, die übrigens niemals als völlig schwarz
erkannt werden können als tertiäre Farben. Eine Zusammen-
stellung der in Frage kommenden grünen, violetten und orangen
Pigmente, die bis zu einem gewissen Grade den sekundären
Farben entsprechen, ergibt im Verein mit Weiß ebenfalls eine
unübersehbar große Reihe stark gebrochener Töne, die z. T.
als grau im besten Sinne des Wortes erscheinen.

Eine aus den in Frage kommenden Pigmenten gemischte
Tonreihe wird nun neben grauen, nahezu neutralen Tönen
überwiegend solche enthalten, die entweder, um ein Beispiel
herauszugreifen, ausgesprochen rötlich oder ausgesprochen
grünlich erscheinen.

Eine experimentelle Überprüfung dieses Mischverfahrens
zeigt übrigens überdeutlich, daß mit Hilfe einer verschwindend
kleinen Zahl von Pigmenten unter Beibehaltung der gleichen
Helligkeit eine große Anzahl zartfarbiger, gut aussehender
Töne, die der Lötzschen Forderung durchaus gerecht werden,
hervorgebracht werden können. Unter Ausschaltung aller als
ausgesprochen lichtunecht erkannten Pigmente und aller Teer-
farbstoffe kann man die farbige Behandlung von Innenräumen
mit folgenden technisch reinen Pigmenten tätigen:

Abbildung 5

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