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Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik — 26.1912

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Rosenberg, Karl: Ueber die paradoxe Parallaxe bei Anaglyphen
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https://doi.org/10.11588/diglit.45028#0093

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Ueber die paradoxe Parallaxe bei Anaglyphen.

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Standpunkt dem Bilde gegenüber nicht allzu weit von jenem
Punkte annehmen, den der Zeichner als Augpunkt gewählt
hat (den das photographische Objektiv bei der Aufnahme
einnahm), wird das jeweilige Bild uns noch immer per-
spektivisch leidlich korrekt erscheinen; erst bei sehr seit-
licher Betrachtung wird es infolge der allzu großen Aende-
rung_der Sehwinkel zum Zerrbilde.
Aehnliche Erscheinungen kann man in Gemäldesamm-
lungen oft und oft beobachten. Schon die Tatsache, daß
ein en face gemaltes Porträt uns mit dem Blicke folgt, gehört
hierher. Auch an ein bekanntes Reklamebild, bei dem eine
Dame ihre in der Richtung nach vorn gehaltene Handkamera
„abknipst“, sei erinnert; wo immer wir stehen, dienen wil-
der eifrigen Photographin als Aufnahmeobjekt usw.
Daß diese an jedem perspektivischen Bilde wahrnehm-
bare Erscheinung bei Anaglyphenbildern viel auffälliger
zutage tritt, ist begreiflich. Denn hier wird uns die räum-
liche Auffassung des dargestellten Objektes förmlich auf-
gezwungen, während beim Einzelbilde die Vorstellung der
Körperlichkeit erst das Resultat von allerdings unbewußt
und blitzartig schnell sich vollziehenden Denkprozessen ist.
Besonders drastisch wirkt in dieser Hinsicht ein vom
Schreiber dieser Zeilen hergestelltes stereoskopisches Pro-
jektionsbild einer Person, die, auf eine Stuhllehne gestützt,
sich nach vorn in den Zuseherraum hereinbeugt; gehen
wir, durch die stereoskopische Brille blickend, von rechts
nach links, so dreht uns die Person Kopf und Oberkörper
jederzeit nach, was geradezu verblüffend wirkt.
Wir haben in vorstehendem wiederholt davon ge-
sprochen, daß Teile des stereoskopischen Bildes vor der
Bildebene (dem Projektionsschirme), andere hinter der-
selben erscheinen können. Wann ist das eine, wann das
andere der Fall? Durch einfache geometrische Betrachtungen
kann man folgendes finden1). Flalten wir das grüne Brillen-
glas vor das rechte, das rote vor das linke Auge, so er-
scheint uns ein Objektpunkt vor der Bildebene, wenn sein
rotes Bildelement links von dem grünen liegt, dagegen
hinter der Bildebene, wenn das Umgekehrte der Fall ist.
Ich pflege daher die beiden Teilbilder von Anaglyphen-
diapositiven zumeist so zu montieren, daß die korrespon-
dierenden Punkte der uns am nächsten liegenden Vorder-

i) Ausführlicheres findet man darüber in meinem Buche: Beiträge
zur Stereoskopie und zur stereoskopischen Projektion.
A. Hölder, Wien 1912.
Eder, Jahrbuch für 1912.

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