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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Pecht, Friedrich: Weihnachtsgaben deutscher Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0103

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vom Herausgeber

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spruchslosen Blätter eignen sich darum besonders zu Andenken oder
zu Vorlagen sür junge Leute, die zeichnen lernen wollen.

Nach München bringt uns dann zurück das reizende Heftchen:
„In der Somme rf rische" (München, BraunL Schneider. Preis
2 Mark). Diese köstliche Sammlung von Reise- und Gebirgs-
schilderungen aller Art, wie sie aus dem reichen Schatz der
„Fliegenden Blatter" herausgeschieden und hier zu einem zwerch-
fellerschütternden Büchlein vereinigt worden, ist auch durch ihren
Kunstgehalt begehrenswert. Wer die Leiden des heurigen Sommers
im Gebirge oder am Meer durchzumachen hatte, kann nichts
besseres thun, als sich über das viele Regenwetter durch den
Sonnenschein des köstlichen Humors zu trösten, der ihm aus
diesem Büchlein entgegenglänzt.

Denselben Vorzug kann man auch dem Spottvogel im
GlasPalast nachrühmen (München, Littauer. Preis inkl. Nachtrag
1 Mk. 40 Pf.). Der treffende,Witz dieser humoristischen Schilderungen
der heurigen Kunstausstellung ist es nicht allein, der ihnen so rasche
Verbreitung verschafft hat, sondern nicht weniger der gesunde Geist,
der aus ihnen hervorgeht, da sie regelmäßig nur das mehr oder
weniger Kranke mit ihrer Satire treffen, an welcher der Stift des
Zeichners fast noch größeren Anteil hat, als die spitze Feder des
Schriftstellers. Die Lacher hat dieser Cassius jedenfalls auf seiner
Seite und verdient es auch.

Nach Paris führt uns dann: I/a n 1789. (Paris, Delagrave.)
Diese, eine Geschichte des sür Frankreich so verhängnisvollen Jahres
ausschließlich aus den gleichzeitigen Dokumenten herstellende Publi-
kation, hat für Künstler und Kunstfreunde ein besonderes Interesse
dadurch, daß ihre 650 Illustrationen lediglich aus damals er-
schienenen Darstellungen der Ereignisse, handelnden Personen, Por-
träts, Karikaturen re. bestehen, die in der Regel sehr gut zinko-
graphisch oder durch Photographiedruck facsimiliert sind. Das gibt
also ein umso unvergleichlicheres Material für die Geschichte
jener Periode, als diese Abbildungen oft von den bedeutendsten

französischenKünst-
lern der Periode
herrühren, die selbst
unsrem Chodowiecki
an Talent und
Können noch ent-
schieden überlegen
waren. Sind diese
Bilder an dem
Werk der wertvoll-
ste Teil, so ist doch
auch der Text durch
seine Mitteilung
gleichzeitiger Akten-
stücke hochinteres-
sant, da sie überall
die ganze ungeheure
Aufregung wie die
Illusionen der Zeit
wiederspiegeln.

ür die Kleinen ist
dann besonders
Meggendorfer's
„Zoologischer
Garten" zur er-
götzlichsten Prome-
nade zu empfehlen,
während wir Äl-
teren uns ein Werk
besehen wollen, das
schon seit Jahren
die Aufmerksamkeit
gefesselt. Wir mei-
nen: Die öster-
reichisch -unga-
rische Monar-
chie in Wort
und Bild. Lief.
1 bis 72. (Wien,
Hölder. Pr. der
Lieferung 60 Pfg.)
Daß dies unter der besonderen Protektion des Kronprinzen er-
scheinende, mit dem gewaltigsten Aufgebot aller künstlerischen und
litterarischen Kräfte der Monarchie ins Leben gerufene Werk
gerade deshalb bei der ersten Bekanntschaft zunächst eine kleine

Enttäuschung hervorruft, ist nicht zu leugnen. Denn weder im
Aussehen noch in der künstlerischen Ausstattung unterscheidet es
sich sonderlich von gewöhnlichen Buchhändler-Unternehmungen
dieser Art. Ja die Holzschnitte sind in manchen derselben ent-
schieden besser. Zeigen ferner die von Lichtenfels, Ruß u. a.
gezeichneten Landschaften viel hübsches in der Auffassung, so
bleiben doch die Schilderungen des gerade in Österreich ja so
hochinteressanten als mannigfaltigen Volkslebens selbst hinter
mäßigen Anforderungen zurück. Zu was besitzt man denn in
Wien einen Karger und so viele andere gerade nach dieser
Seite hin große Talente? Hat es hier nun an einer intelli-
genten, die Kräfte richtig verteilenden Oberleitung gefehlt oder
war man, wie so oft bei derartigen halboffiziellen Unter-
nehmungen durch allerlei Rücksichten beengt, so daß man über
eine wenn auch durchweg achtbare Mittelmäßigkeit selten hinaus-
kam, so ist dagegen gerade der doch viel gefährlichere litterarische
Teil des Unternehmens weit genügender ausgefallen. Hier
findet man eine Reihe der - anziehendsten Aufsätze von Speidel
über das Wiener Theater, von Hanslick über die dortige Musik,
von Falcke über das Kunstgewerbe, von Lützow über die Wiener
Bauten rc., die man oft mit großem Vergnügen, immer wenigstens
mit jener Art Befriedigung lesen wird, die eine ihrer Aufgabe
vollkommen gewachsene Kraft gewährt, selbst wenn sie aus diesen
oder jenen Gründen nicht vollständig angewendet ward. Dies
erklärt sich nun bei den das eigentliche Österreich betreffenden
Teilen schon dadurch, daß sie meistens von eingewanderten
Deutschen geschrieben sind, die natürlich., weit weniger von der
Leber weg sprechen können, als geborene Österreicher, weil sie ini
Tadel behutsamer, im Lob dagegen viel verschwenderischer sein
müssen, als diese. Darum macht denn auch die lediglich von
Eingebornen besorgte ungarische Abteilung im Ganzen einen
natürlicheren und wohlthuenderen, wenn auch sicher nicht über-
legenen Eindruck. Bon den übrigen Nationalitäten, den Tschechen,
Polen, Slovaken rc. liegt noch nichts vor und man darf immerhin
gespannt sein, was diese uns für Wunderdinge erzählen werden,
wie denn ein abschließendes Urteil heute offenbar noch nicht
möglich ist bei dem ungeheuer reichen Inhalt, den uns das Werk
in Aussicht stellt.

In die von diesen Nationalitäten gelassene Lücke tritt
einstweilen ein andres Werk ein, das an künstlerischem Gehalt in
seiner Art hinter dem eben besprochenen kaum zurückbleibt, ob-
wohl es lediglich ein Privatunternehmen ist. Wir meinen
„Bernaus Böhmerwald" Lief, l—7 (Prag, Otto, Preis
der Lief. 1 Mk.), das uns den Einblick in wenig bekannte Gegenden
und in Volksstämme eröffnet, die wie Inseln aus dem nahen sla-
vischen Meer emporragen. Dabei lernt man dann in Liebscher,
dem die meisten der landschaftlichen Bilder gehören, einen be-
gabten Künstler kennen, der die Eigenart dieser einsamen Land-
schaft sehr wirkungsvoll wiederzugeben versteht.

In eine ganz andre Sphäre entführt uns I. Grand-
Carteret, I^es dloeurs et la Laricature en ll'rantze.
Paris. Seinem Buch über die deutschen humoristischen Zeichner hat
der Verfasser hier ein noch viel reicheres über die Karikatur in
Frankreich folgen lassen, das wir unseren Lesern schon ob des
überaus großen Materials von zinkographischen Reproduktionen
der Originale von Boilly, Daumier, Charlet, Bellange, Ga-
varni bis Mars und Grevin empfehlen dürfen. — Stehen wir
in der politischen Karikatur, die zu Zeiten eine Macht in Frank-
reich war, hinter unseren Nachbarn weit zurück, so kann man
dagegen den deutschen Humoristen in bezug auf lustige Sitten-
schilderung im ganzen den Vorzug geben, da sie gleich unseren
englischen Vettern hier weit unbefangener und vor allen Dingen
reicher sind als die sich vom Pariser Leben nie weit entfernenden
französischen, die deshalb trotz allen Geistes gewöhnlich bald
monoton oder maniriert werden.

Man braucht da nur unsres Landsmannes eben erschienenes
„Oberländer-Album" 6. Teil (BraunLSchneider, München
Preis 5 Mk.) mit den Werken der eben genannten Franzosen zu
vergleichen und man wird erkennen, um wie viel reicher der Deutsche
ist, der die ganze Welt umfaßt, während jene nie aus Paris heraus-
kommen. Diese Universalität der lustigen Welt-Betrachtung hindert
dabei eine ganz eigenartige Formenbildung bei Oberländer keines-
wegs, im Gegenteil ist er hier durchaus originell ohne je maniiert
zu werden. Das gilt auch mehr oder weniger von den „Hage-
butten" (Preis 2 Mk.), einer weiteren aus dem Rosengarten der
„Fliegenden" herausgeschnittcnen Sammlung von Schnurren,
ebenso von der neuen Folge der „Münchner Bilderbogen"
(Preis 3 Mk. 40 Pf.), wo diesmal Räuber und v. Nagel mit
ihren trefflichen Kompositionen obenanstehen.

zo'
 
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