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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Haushofer, Max: Wilhelm Riefstahl: geboren 15. August 1827, gestorben 11. Oktober 1888
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0134

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Wilhelm Riefstabl. von !N. kiaushofer

wo

tragen, daß sie da dem Acker Segen bringen. Die Anregung zu diesem Bilde empfing Riesstahl auf dem
Friedhofe zu Stuls im Passeier Thale. Nachdem er bis zum Frühling angestrengt an diesem Bilde gearbeitet
hatte, übernahm er das Präsidium der Ausstellungsjury, obwohl er innerlich schon fühlen mochte, daß jenes
Friedhofbild eine tiefe Bedeutung für sein eigenes Leben haben sollte. Auch in dem heißgeliebten Meran, das
er selbst seine „Heimat" nannte, fand er keine völlige Genesung mehr; er starb am 11. Oktober ds. Js. und
ward, tiefbetrauert von der Münchener Künstlerschaft und von einem großen Freundeskreise, zu München in
die Erde gesenkt. Er hinterläßt eine Witwe und einen Sohn, Or. Erich Riefstahl.

In seinem künstlerischen Wirken erkennt man deutlich das Ziel: eine große und ernste Landschaft zu
erfassen nud sie mit Gestalten zu beleben, welche kulturgeschichtlich aus dieser Landschaft hervorgewachsen sind,
ihr angehören und von ihr beeinflußt sind. Diese Gestalten stehen nicht bloß da, als zufällige Wanderer durch
die Landschaft, sondern sie handeln, und ihre Handlung ist auch wieder ein Ergebnis des unlösbaren Zusammen-
hangs zwischen dem Menschen und seiner heimatlichen Natur. Der gewaltige schwere Ernst im Wesen des
Künstlers zeigt sich dabei in seiner Landschaft, wie in seinen Gestalten. Denn seine Landschaft ist nicht lieblich

und lachend, sondern hat stets einen großen, oft
in's Erhabene steigenden Zug. Und selbst wo
er uns in die Gassen der Bauerndörfer und auf
sonnige Almen führt, läßt er im Hintergründe
groß und dräuend Felsberge hereintrotzeu, von
deren Stirnen es eisig weht, zwischen deren
Schroffen ewiger Winter thront und starre Ein-
samkeit. Und wie seine Landschaft ist, so sind
seine Menschen: kein jodelndes lachendes Völkchen,
sondern Menschen mit scharfgeschnittenen Charakter-
köpfen; Menschen, welche mit ihrer Natur und
mit sich selbst den harten Kampf des Lebens
kämpfen; arme und einfache Menschen, welche in
frommer Glaubenssitte, in zähem Festhalten an
uraltem Brauch einen Ersatz finden für den
Mangel an Reichtum, Welterfahrung und mo-
derner Bildung, für das harte Arbeitsleben, das
sie in der Einsamkeit ihrer Hochthäler führen.
Solche Gestalten aber führt Riefstahl in ihrer
ganzen Unmittelbarkeit vor; er hat sie bei der
Arbeit und beim Gebet, auf ihren Bergweiden
und ihren Dorfkirchhöfen beobachtet, studiert und
gezeichnet. Und in seinen Bildern stehen sie vor
uns lebendig und wirklich, umflossen von reinem
scharfen Sonnenlichte. Da ist nichts beschönigt
VIstudir. von w. ^lefstakl und nichts verwischt; jede Falte, die ein hartes Ge-

schick in diese Gesichter gezeichnet hat, ist zu finden.

Im Laufe der Jahre sehen wir bei Riefstahls Bildern das figürliche Element immer stärker und immer
vollkommener durchgebildet hervortreten. Es ist ein allmähliger Übergang vom Landschaftsmaler zum Figuren-
maler, der seine künstlerische Entwickelung bezeichnet; ein Übergang aber, der kein Schwanken, sondern nur ein
bewußtes Fortschreiten zu immer besserer Leistung darstellt. Einen bedeutenden Anteil an seinen Leistungen auf
dem Gebiete der Architekturmalerei, an den römischen Bildern, den Innenansichten von Klöstern und Kirchen,
hat jedenfalls das Geschick seiner Lehrjahre, welches ihn zwang, sich so viel mit Architektur zu beschäftigen.
Die Architektur aber ist unter allen Künsten die strengste Lehrmeisterin; wen sie geschult hat, der wird sich
leichter als ein andrer geistige Sammlung, Klarheit der Ziele, Strenge und Einfachheit in der Darstellung
bewahren.

Wie als Künstler, so war Riefstahl als Mensch eine markige kraftvolle Erscheinung, in seinem Wesen
von achtunggebietender Würde und liebenswürdigem gehaltvollem Ernst. Weit entfernt, bloß in der Ausbildung
des technischen Könnens sein Ziel zu sehen, war er vielmehr bestrebt, seine ganze geistige Natur und seine welt-
bürgerliche Stellung mit seiner künstlerischen Vervollkommnung gleichmäßig fortschreiten zu lassen. Tiefgründig
angelegt, von umfassender Bildung, brachte er den weitesten Kreisen menschlicher Geistesthätigkeit ein warmes
Interesse entgegen. Er war noch im kräftigsten Aufsteigen begriffen, als ihn der Tod uns entriß.
 
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