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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Heilbut, Emil: Über die Kunst in England, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0212

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Über die Kunst in England

IS2

Landweg, von John Lonstable

aus dem umringe L In inoäe, auf welchem nach den
ersten Wochen der Ehe der Gemahl am Frühstückstisch,
sehr müde, ausgestreckt sitzt und die Gattin mit lustigen
sinnlichen Augen die Arme erhebend und noch uner-
müdet gähnt, dabei in roten Schuhen ein paar artige
Füße zeigend: da ist er gut. Diese Füße bilden für
sich ein kleines Stück guter Stellung und Malerei, etwas
wie einen, allerdings schwachen, Terborch; in solchen Ein-
zelheiten kommt dann in Hogarth auch ein Maler zum
Vorschein, der unter Umständen geistreich in der Gestal-
tung, selbst Färbung zu sein vermag, nicht bloß in der
Erfindung und Komposition. Ziemlich frisch sind seine
Porträts, wenn sie auch nicht eben Überraschungen be-
reiten.

Von ihm leitet sich die zahlreiche Gruppe der poli-
tischen Karikaturisten her, bald ihn an Schärfe noch
überbietend, bald verblassend, bald auch von einem mehr
versöhnlichen Zuge ergriffen; nicht politisch, sondern sozial
menschlich sind die liebenswürdigen Zeichnungen des John
Leech, der 1840 debütierte; ein Zeichner, der, wie scharf
er auch bezeichnet«, nie aufhörte, Künstler zu sein. Die
Leistungen Englands in der neuesten Zeit sind bekannt,
es genügt, ans den „Punch" zu achten. Man darf sagen,
daß dessen Zeichnungen den Höhepunkt der englischen
satirischen Kunst bedeuten, sie hat sich bis zu ihnen em-
porgearbeitet.

Die Maler von Gemälden hingegen, die Hogarths
Nachfolger werden sollten, sind nicht bis in die neueste
Zeit im Vordergrund geblieben und vorwärts gekommen.
Ihre Blüte kann mit der Mitte des Jahrhunderts als
abgeschlossen bezeichnet werden. Was sie später schufen,
bot nichts Neues mehr. Die mehr allgemeine Genre-
schule der neuesten Zeit fußt nicht auf Hogarth und teilt
nichts mit ihm.

Vor 1848, dem Jahre, in welchem durch die Prä-
raffaeliten ein so vehementer Eingriff in den ruhigen
Verlauf der englischen Kunst geschah, hat sie zunächst im

Gefolge der „großen"
Schule Romney und
Hoppner als Porträt-
maler thätig gesehen,
West, der Amerikaner,
bringt in sehr ehrlicher
Weise das Nüchternste
hervor, was wohl je
im Gebiete der Historie
geleistet worden ist und
Lawrence, den man auf
dem Kontinent für einen
kleinen Reynolds hält,
ist der Liebling des
Publikums; er ist, Aus-
nahmen ausgenommen,
kein kleinerer Reynolds,
er ist nur ein größerer
Winterhaltcr.

Neben diesen Malern
des „großen Stils"
bildet sich vor und
neben den Malern des
kleinern Stils eine Ent-
wicklung für sich: die
Landschafterschule.

Sie wird zunächst wenig beachtet, nimmt nicht die
fettesten Bissen an der Tafel der englischen Amateure in
Empfang, webt ihre Kreise in kleineren Orten, nahe der
Hauptstadt, aber näher den Feldern, sitzt an den Dorf-
rändern, malt die Gegend, befruchtet sich am Anblick der
besten Lehrerin, achtet nicht der Akademie, wenig der alten
Meister — Constable ruft: Die Natur ist nicht braun,
sondern grün — sammelt keine Schätze, stirbt auf dem
Lande, aber lebt in den Bildern der Nachfolger weiter
und plötzlich — wer weiß, wie das geschah — steht das
Gebäude der alten Kunst in Flammen, sind Reputationen
zerstört, die geachtetsten Namen scheinen veraltet, die
stolzesten Stützen der Akademie in einigem Verruf und
das Ausland — Frankreich; denn Frankreich hat in der
Meinung Englands die Hegemonie im Kunsturteil in
Europa — behauptet: Eure Handvoll Landschaftsmaler,
die bei Euch in kleinem Ansehen sitzt, ist das Beste,
was Ihr überhaupt aufzuweisen habt, zeigt sie uns, wir
können von ihnen lernen.

So spricht Delacroix, wenn er von B ouing ton, seinem
jungen Freund und von Constable redet, und die offizielle
Welt scheint sich seinem Urteil anzuschließen, denn Con-
stable erhält 1825, als er das erstemal in Paris aus-
stellt, die goldene Medaille zu einer Zeit, da seine Repu-
tation in England noch wenig begründet ist und er seine
Bilder nicht verkaufen kann. Er kann übrigens nicht den
Märtyrern der Kunst beigesellt werden, denn seine Frau
hatte ihm nur die Hand reichen wollen, wenn er sich über
eine Jahreseinkunft von 400 Pfd. Sterl. ausweisen könne:
und er heiratete sie. Das geschah 1816 und bis 1814
hatte er noch nicht ein einzigesmal »solck a picture to
u stranZer«, obwohl er, ein Müllerssohn aus dem Suffolk-
schen, damals bereits 38 Jahre zählte. Eine Affiche hat
sich erhalten, auf der er anzeigt, daß seine Galerie von
Landschaften, gemalt »b/ bis o>vn Imnck« sagt er, täglich
»Fracks d/ Lpplicackon« gesehen werden könne.

Ein französischer Händler hat das Verdienst, ihn
 
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