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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Pecht, Friedrich: Herman Vogel-Plauen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0353

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vom Herausgeber

275


Vrr kann's auch gebrauchen, von Hermann Vogel

Aus „Ainderparadies", siebe S. 277

hochverehrten Mann bis heute noch nicht zu
sehen bekommen. Im Winter des Jahres
1877 hatte ich mir so viel „verdient", daß
ich Italien auf längere Zeit sehen konnte;
genützt hat mir der römische Aufenthalt eben
so wenig wie jedem, der unfertig hinunter-
kommt. Doch habe ich fleißig aquarelliert
und von meinen bei Papa Chigi gefertigten
Abendaqnarellen fanden einige L 10 Frks.
per Stück wirklich einen Abnehmer. Die im
Jahre 1878 beginnende schwere Krankheit
meines Vaters rief mich nach Plauen zurück;
er ging noch im selben Jahre mit dem Be-
wußtsein in die Ewigkeit, daß aus seinem
Buben auch nicht annähernd das geworden,
was er sich geträumt hatte. Nun kam ich
von Plauen nicht wieder weg; ich befand
mich in ziemlich gesicherter Lebensstellung;
das väterliche Grundstück, das ich mit meinem
einzigen Bruder teilte, und die Anhänglichkeit
an diesen hielten mich in meiner Vaterstadt,
die mir als Jndustrieort in meiner Kunst
nicht die mindeste Förderung bieten konnte.

Ich hatte mich in die Anschauung hinein-
gelebt, daß der Künstler kein Studium
braucht, daß er frei schaffen könne wie der
Dichter; so illustrierte ich weiter ohne Studie,
ohne Modell, wie ich begonnen hatte. Wie
das enden mußte, hätte ich mir im voraus
sagen können, das Ende war Verzweiflung
an meiner Kunst und an mir selber. Was
ich schuf, waren verzeichnete Puppen, die mich
anekelten, die Anerkennung blieb aus, nur
die Verleger blieben mir merkwürdigerweise
treu und verlangten immer neues von mir,
dem jetzt jeder Strich zur Pein wurde. Jetzt
noch einen Meister zu suchen, schämte ich
mich und selber den Weg zu finden, fehlte
mir in meiner Öde jeder Wegweiser. Von
meinen Landsleuten hat nur ein einziger, mein spe-
zieller Freund Heinrich Axtmann, durch seine unermüdliche

Anteilnahme
an meinem
Schaffen und
seine offene
und richtige
Kritik des-
selben auf
meine Arbei-
ten Einfluß
geübt; von
den übrigen
hielt mich die
große Mehr-
zahl wohl für
das, was ich
wirklich war,
für ein ver-
pfuschtes
Genie oder
für einen hal-
ben Nichts
thuer.

will Ihnen diese Seelenkämpfe nicht noch ausführlicher
schildern. Ich suchte Zerstreuung als passionierter Jagd-
liebhaber und Scheibenschütze und bald war ich so weit,
daß ich jedem ins Gesicht gelacht hätte, der mir sagte,
eine goldne Medaille der Münchener Kunstausstellung
sei mehr wert, als ein Konknrrenzbecher vom deutschen
Bundesschießen; auch ein im Feuer gestreckter Rehbock
war mir bedeutend begehrenswerter.

In diese Periode absoluter künstlerischer Versumpfung
fällt der Besuch eines Mannes, der seitdem- auf meine
Weiterentwickelung einen ganz entscheidenden Einfluß geübt
hat. Im Sommer 1884 kam der Redakteur der „Deutschen
Jugend", Julius Lohmeyer, zu mir nach Plauen und sah
meine Mappen. Ich begreife jetzt, daß er nach erfolgter Durch-
sicht behaupten konnte, er habe noch nie so viel Pulver un-
nötig verpufft gesehen. Aber er schaffte Rat! Er nahm meine
Mappen mit nach Berlin und sandte mir die Gutachten
hervorragender Künstler über den Inhalt derselben; nament-
lich Paul Thumann und Woldemar Friedrich widmeten mir
große Teilnahme. Dadurch bekam ich wieder Mut. Ein
Jahr in die Lehre zu gehen, wie mir Thumann riet, dazu
kam's freilich nicht, aber ich raffte alles was an Energie in
mir saß auf und fing an bei mir selber zu lernen. Ich
faßte den festen Vorsatz, wenn irgend möglich, nur das

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Aus Hermann Vogels Skizzenbuch
 
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