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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 4.1888-1889

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Proelß, Johannes: Modelle, [4]: ein Novellenkranz
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https://doi.org/10.11588/diglit.9419#0421

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Lin Novellenkraiiz. von Johannes Proelß

S29

Pinsel, lachte mir mit wieder aufgeheiterten Mienen zu und
begann, eine neapolitanische Tanzweise durch die Zähne
pfeifend, weiter zu malen.

Nach einigen Tagen klagte er mir, daß die Farben,
die er in dem Drogucngeschäft der kleinen Insel bekommen
habe, nichts taugten. Ich bot ihm von meinem Vorrat
an, wenngleich derselbe auch in einigen Farben der Er-
gänzung bedürfe. Doch er schlug nun vor, gemeinsam
nach Sorrent hinüber zu fahren, wo ja auch ein Laden
für die Bedürfnisse des reisenden Künstlcrvolkes vorhanden
sei. Bei diesem Besuch von Sorrent, den wir im Markt-
schiff ausführten, das regelmäßig zwischen Capri und

Capri und dem westlichen Kap der sorrentinischen Halb-
insel einst eine Landzunge gewesen sein müsse. Die
Ähnlichkeit der Uferformation sei zu auffallend. Der
Entschluß, eine Kahnfahrt dem User entlang zu machen
und dabei in mehrere der Grotten einzufahren, war das
Ergebnis dieser Debatte. Beide des Ruderns kundig,
verzichteten wir auf die Begleitung des sich uns an-
bictendcn Schiffers; mir war ja auch die Gegend von
früher her bestens bekannt. So fuhren wir gemächlich
hinaus ins Meer und dann wieder landwärts in die
berühmte „Grotta Sirena", deren innerer Glanz bei
heiterem Wetter an lichtem Blau wenig demjenigen nach-

Uus dem Heimwege, von Heinrich Zügel

Sorrent kreuzt, erlebten wir daun das Abenteuer, welches
die Katastrophe im Leben Tömsens herbeiführte. Dies
Abenteuer war an sich ein ebenso harmloses wie liebens-
würdiges Bcgegnis, das ich gewiß schon längst in Farben
geschildert haben würde, wenn ich mich auf mehr als
bloßes Landschaftern verstünde. Bekanntlich liegt auch
Sorrent in seinem malerischen Aufbau auf einem hohen
Felscnabhang, und mehr noch als die Klippen Capris
sind diese hier von Grotten durchhöhlt, von denen einige
auch einen Ausgang nach oben haben. Wir hatten im
„Hotel Sirena" zu Mittag gespeist und der Name des
Hotels hatte dabei ein Gespräch angeregt über die Gründe,
welche bewirkt haben, die Homerische Sage der Sirenen
in der Gegend von Capri zu lokalisieren. Tömsen sprach
dabei die Meinung aus, daß die Meerenge zwischen

Die «uns für Alle IV

gibt, welches die Grotte Azzurra Capris so berühmt ge-
macht hat.

Nachdem wir eine Weile unsre Augen an dem
blauschimmerndcn Helldunkel geweidet, fand Tömsen die
lautlose Stille und Unbelebtheit dieser Heimlichkeit in
seiner anspruchsvollen Art bald langweilig und das Be-
dürfnis der hellenischen Phantasie, diese Grotten mit
fröhlich badendem Göttergesindel zu beleben, begreiflich
genug. Da, gerade als wir wieder ans Tageslicht fuhren,
machte uns ein leises Helles Geräusch, das von rechts
her über die Wellen drang, stutzen. „Bei Gott", rief
Tömsen, „wenn ich ein antiker Grieche wäre, ich würde
sagen, das klang wie Gekicher von Nymphen. Sie lachen
uns aus, weil wir sie am falschen Orte gesucht." —
„Es wird eine Möve gewesen sein, die dort das Wasser

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