Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

DOI Artikel:
Kroll, Bruno: Bernhard Bleeker
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bernhard Bleeker. Von Dr. Bruno Kroll

Er ist mit der erfolgreichste Bildhauer des jetzigen
bildnerischen Münchens und durch seine Monumen-
talwerte einer der repräsentativsten zugleich. Er
bestimmt zu einem wesentlichen Teil Niveau und
Eigenart der derzeitigen Münchner Plastik.
Bleeker ist Westfale, 1881 in Münster geboren.
Vom Vater erbte der Sohn das Vielfältigste an Be-
gabung, die Neigung auch zur Malerei, die Liebe
zur Musik. Er erbte weiter ein lebhaftes, leicht ent-
zündbares Temperament und den rastlosen Drang
zu Endgültigem, dann aber auch als besonderes
Erbteil der westfälischen Rasse: eine scheue Ver-
schlossenheit und das schöne Gefühl des Alleinsein-
müssens.

Er studierte in München bei Rümann und erlebt
als Akademiker unmittelbar, in persönlichem, fast
freundschaftlichem Verkehr den Einfluß Hilde-
brands. In einer Bildnisbüste hat Bleeker dem Groß-
meister der deutschen Plastik ein ehrendes Denkmal
gesetzt. Sie atmet ein schönes Gefühl für Maß, für
Ordnung, für Klarheit auch in der bildnerischen
Darstellung und lebt dennoch in der heiteren, fast
jovialen menschlichen Atmosphäre dieses rassigen
Künstlers. Leise schleicht sich, echt bleekerisch, ein
Zug von musikalisch bewegtem Rhythmus in die
statisch empfundene plastische Rundung.
Als Bildnisbildner, als Porträtist, d. h. als ein Bild-
ner, der sich zur Aufgabe stellt, das menschliche
Gesicht mit gegenständlicher und psychologischer
Treue zu vergegenwärtigen, steht Bleeker in der
heutigen Zeit wohl unerreicht da. Die Büsten fas-
zinieren durch die Unmittelbarkeit der Erscheinung.
Man ist betroffen von der Wahrhaftigkeit der For-
men, die mit einem unheimlich wachen Auge nach-
getastet sind, nach der Breite, der Tiefe, nichts
unterschlagend, das leiseste Erzittern eines Muskels,
eines Nervs mit einbeziehend in diesen aufregenden
Gestaltungsprozeß, dessen handwerkliche Willfährig-
keit das Unglaubliche streift. Mit einem empfind-
lichen Sinn auch für das Differenzierte im Stoff-
lichen sind diese Büsten gestaltet, mit Verständnis
für den inneren organischen Aufbau. Doch sind sie
auch dies: ergreifender Ausdruck unverkündeten
Lebens. Dabei von höchstem bildnerischen Anstand.
Doch immer läuft das künstlerisch Formale ge-
wissermaßen nur nebenher, gewiß ohne sich auch
nur einen Augenblick zu verleugnen. Es drängt sich
nicht vor und überläßt es der Beurkundung des
Menschengesichtes allein, alles Interesse auf sich zu
vereinigen. Und vielleicht hat solch weise Zurück-
haltung im stilistisch Formalen den großen Ruhm
des Bildnisbildners begründet. Bleeker hat die be-
deutendsten Männer der Kunst und Wissenschaft
modelliert, dann die der Wirtschaft und Politik.
Besäß er noch die Ellbogenkraft, rücksichtsloses
Drauflosgehen — dann wäre sein Leben eine Kette
von Triumphen.

Frauenbildnisse sind seltener. Liebt er sie zu sehr?

Kennt er sie zu gut? Jedenfalls fühlt er zu solcher
Gestaltung kaum eine Neigung.

Ungestüm bricht Bleekers leidenschaftliche Liebe
für das abstrakte Gesetz, für die formale Gebunden-
heit, für das Erlebnis des Räumlich-Kubischen in
den repräsentativen, öffentlich aufgestellten Groß-
plastiken durch. Diese Liebe ist mit den Jahren
gewachsen. Sie ist hier also keine formal-ästhe-
tische Spekulation. Dieser Trieb zum Einfachen,
Großen, Schweren, zum Gesetz ist Erbteil des west-
fälischen Blutes. Erbteil dieser zähen, verschlosse-
nen, klar denkenden Rasse, die selbst die himmel-
anstürmende Gotik mit der Schwere der Erdge-
bundenheit belastete und in die Gotik ein Element
von Klassizität trug.

Der Michaelsbrunnen in Miesbach in Oberba3rern,
das erste W7erk des kaum Vierundzwanzigjährigen,
fällt sofort durch den Sinn für gute und schön ge-
griffene Proportionen, durch die Lebendigkeit des
Gesehenen auf. Er erregt so sehr das Interesse für
den jungen Meister, daß dieser 1908 mit der „Reich-
tum-Gruppe" für den Ausstellungspark oberhalb
der Theresienwiese betraut wird. Die Gruppe steht
vor der Front des Hauptrestaurants und zählt noch
heute zum Wesentlichsten dieses an schönen Bild-
werken reichen Parkes. 190g entstand der „Christo-
pherus " am Isarkai an der Widenmayrstraße, in
der Nähe der Bogenhausener Brücke, die durch ihren
bildnerischen Schmuck eine der vornehmsten der
Welt ist: eine geschlossene, statisch gut unterbaute,
den Block klar herausstellende und innerhalb des
Blockes stark bewegte Gruppe. Es folgen 1914/15
die zwei Löwen auf dem Polizeitor an der Ettstraße.
Edel und rassig — wie ionische Säulenhäupter. Das
Lagern der Tiere hat etwas Aristokratisches, es sind
wahrhaft königliche Tiere. Delacroix hat solche
Tiere gemalt, von gleicher Rasse, mit ähnlichem
Temperament, mit derselben Ausdruckskraft und
Beherrschung der künstlerischen Mittel. Man ver-
steht es nicht, daß diese Tiere nicht Allgemeingut
aller Kunstinteressierten geworden sind. Nur der
Ort der Aufstellung und die Zeit vielleicht mögen
dies Unglaubliche einigermaßen entschuldigen.
Nach dem Kriege entsteht der „Ruhende Soldat"
des Münchner Kriegerdenkmals. Bei jedem Besuch
ein neues, ein erschütterndes, ein von Grund auf
aufwühlendes Erlebnis. Ein menschliches Erlebnis
und ein künstlerisches zugleich. Aber das Künstle-
rische hält sich bescheiden im Hintergrund. Man
empfindet es nicht. Wenigstens nicht als ersten
Eindruck. Man steht nur sofort im Banne von
etwas Vollkommenem, von restlos Vollgültigem —■
mit solch schönem Anstand bietet sich hier das
Künstlerische dar. Kein Pathos, keine Sentimen-
talität, kein Paradebett, kein Kokettieren mit Militär-
requisiten : ergreifend in der schlichten Größe . . .
Dieser Tote, eingehüllt in den feldgrauen Ehren-
rock, der in wenigen Falten die schöne, jugendlich

Kunst f. Alle, Jahrg. 49. Heft 2. Nov- 1933

G

37
 
Annotationen