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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Deutsche Barockplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0367

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B Kunstbibllothak
Staatliche Museen
zu Berlin

Georg Raphael Donner. Figur (Fluß Ybbs) vom Mehlmarktbrunnen in Wien. 1737—39

Original jetzt im Wiener Barockmuseum. — Aus dem Blauen Buche „Deutsche Barockplastik" von Wilhelm Finder

Deutsche Barockplastik*)

Weder Engländer noch Franzosen haben im Tiefsten
ein Barock überhaupt erlebt. Für Italien, wo es frei-
lich beherrschende Form gewann, erwuchs es aus
einem großgestalteten Neuerleben der Antike. Bloß
Spanien aber teilt mit Deutschland das Geschick,
über eine nur schmale Brücke humanistischen Welt-
gefühls fast unmittelbar vom späten Mittelalter in
die Welt des Barock eingegangen zu sein. Nur dankte
jener so bedeutsamen und noch so wenig begriffe-
nen Zwischenströmung des „Manierismus , die dem
späteren 16. Jahrhundert weithin im Abendland
das eigentlich kennzeichnende Gepräge gab. auch
die deutsche Kunst eine seltsam antithetische Ein-
weisung in die aufsteigende Geistes- und Kunstart
des Barock. Lange noch durchzogen denn starke ma-
nieristische Adern auch das schon erstarkende Kern-
wesen der deutschbarocken Bildnerei, die sich aber
dennoch, dem passiven Spiritualismus der Manie-
risten zum Trotz, immer selbstbewußter zu eigener
Gestalt rundete: erd- und sinnenbejahend, ausgrei-
fend aktivistisch, aller Größe und Weile zugetan,
bereit zum Einströmen in das symphonische Gefüge

*) Die obigen Ausführungen sind veranlaßt durch das in der bekann-
ten Reihe der ..Blauen Bücher" (K.. R. Langewfesche. Königstein-Leip-
zig) kürzlich erschienene schöne Buch Deutsche Barockplastik''.
Wilhelm Pinder, der die wohlgelungene Bildauswahl betreute, hat
dem Buche auch eine Einleitung mit auf den Weg gegeben, die
Gedankenfülle und Beschivingtheit aufs glücklichste vereint.

eines Gesamtkunstwerks. Heimisch in ihrer Reinheit
gewiß vor allem dort, wo das Arolk dem alten Glau-
ben treu blieb, aber in mannigfaltig-edlen Legierun-
gen — so manierismusverwandt im friesischen Nord-
westen, mehr klassizismusnahe im Fränkischen —
auch den protestantischen Ländern sich erschlie-
ßend. Ja. als zu Ende des siebzehnten Säkulums die
Triumphstimmung der Türkensiege das der Glaubens-
kriege müde gewordene Abendland wieder unver-
hüllter den schönen Dingen dieser Welt zujubeln
ließ, stellte sogar der deutsche Norden in Andreas
Schlutter den vielleicht überhaupt gewaltigsten Kön-
ner unter allen deutschen Barockbildnern: dieser
selbst allerdings, obschon außerhalb des kirchlichen
Aufgabenkreises arbeitend, nichts weniger als ein
schnellzufriedener Diesseitsbejaher, vielmehr erfüllt
von einer ringenden Tragik, die ihn mehr als irgend-
einen Nachlebenden dem Michelangelo angleicht.
Aber es wäre gegen die Absicht dieser Zeilen, länger
bei jenem großen Einzelnen zu verweilen, dessen
Nachruhm ohnedies den aller anderen deutschen Ba-
rockplastiker so völlig verblassen ließ: nur noch von
den drei SüddeutschenBalthasarPermoser, E. Q.Asam
und Raphael Donner (des Letztgenannten ebenso fein-
als starknervige Kunst im übrigen bereits eine Yordeu-
tung des Neuklassizismus!) wissen ja, in immerhin stei-
gendem Maße, unsere Gebildeten ein wenig Bescheid.

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