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Weiss, Konrad: Der Kunstgedanke im Zeiterleben
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0366
nen Spanne, die unter den Schlagworten ..Gotik"
und „Klassik" innerhalb des Expressionismus be-
griffen wurden, einen hauptsächlichen Einschlag
von religiösem Geschichtssinn hatten.
Wenn der Wert unserer letzten Kunstzeit nach dem
Kunstschrifttum gemessen werden dürfte, das diese
Zeit begleitet hat, so würde sie im Grundsätzlichen
sehr wertlos sein. Von Archaismus bis Futurismus,
von der Heimatkunst bis zur ..sozialistischen Kathe-
drale" gab es nur immer wieder eine Menge Leit-
linien und Material beizuschaffen und herzustellen,
ohne eine innere neue Befestigung. Eine Zeitlang
hatte sich der ganze Betrieb auch stark internatio-
nalisiert und Zeitstil und Qualitätsbegriff ergaben
zusammen den Anlaß zu Typenbildungen und Ge-
schmacksbegriffen, welche schließlich das genaue
Gegenteil von einem wahrhaften Kunstleben und
einem durch volle Eigenheit differenzierten Wesen
der Nationen sein müssen. Was die Kunst an eige-
nem Naturgefühl und eigenem Menschgefühl zur
wirklichen deutschen Sinnesgeschichte aufbringt,
muß dadurch in Mißkennung bleiben. Erst die na-
tionale Zelle schafft die allgemeinen Ideen zu
fruchtbaren geschichtlichen Kräften um. Hier hö-
ren die Richtungen auf, Richtungen zu sein, und
können nur so viel Geltung erwerben, als sie Kraft
haben, um zu der stärkeren Kenntlichkeit des ange-
borenen deutschen Wesens beizutragen. Der zuneh-
mende Wechsel in den Namen der Richtungen war
ohnehin der Beweis für einen überflüssigen Geist,
der mehr sich selber unterhalten als der Wirklich-
keit des Kunstwesens nahekommen wollte. Auch für
die Kunst ist ein geschichtlicher Augenblick einge-
treten, der neue Erkenntnisse bringen muß. Der
Kunstgedanke will durch das Zeiterleben auch im
politischen Bewußtsein aus der unfruchtbaren Neu-
tralität des Ästhetischen zu der bestimmten Auf gäbe
einer neuen Volkszeit zurückgeführt werden. Diese
Aufgabe hat ungeahnte gedankliche Tragweiten.
Der deutsche Gedanke will eine neue und eigene
Geschichte beginnen.
Italico Brass. Gondeln
Ausstellung der Biennale, Venedig
und „Klassik" innerhalb des Expressionismus be-
griffen wurden, einen hauptsächlichen Einschlag
von religiösem Geschichtssinn hatten.
Wenn der Wert unserer letzten Kunstzeit nach dem
Kunstschrifttum gemessen werden dürfte, das diese
Zeit begleitet hat, so würde sie im Grundsätzlichen
sehr wertlos sein. Von Archaismus bis Futurismus,
von der Heimatkunst bis zur ..sozialistischen Kathe-
drale" gab es nur immer wieder eine Menge Leit-
linien und Material beizuschaffen und herzustellen,
ohne eine innere neue Befestigung. Eine Zeitlang
hatte sich der ganze Betrieb auch stark internatio-
nalisiert und Zeitstil und Qualitätsbegriff ergaben
zusammen den Anlaß zu Typenbildungen und Ge-
schmacksbegriffen, welche schließlich das genaue
Gegenteil von einem wahrhaften Kunstleben und
einem durch volle Eigenheit differenzierten Wesen
der Nationen sein müssen. Was die Kunst an eige-
nem Naturgefühl und eigenem Menschgefühl zur
wirklichen deutschen Sinnesgeschichte aufbringt,
muß dadurch in Mißkennung bleiben. Erst die na-
tionale Zelle schafft die allgemeinen Ideen zu
fruchtbaren geschichtlichen Kräften um. Hier hö-
ren die Richtungen auf, Richtungen zu sein, und
können nur so viel Geltung erwerben, als sie Kraft
haben, um zu der stärkeren Kenntlichkeit des ange-
borenen deutschen Wesens beizutragen. Der zuneh-
mende Wechsel in den Namen der Richtungen war
ohnehin der Beweis für einen überflüssigen Geist,
der mehr sich selber unterhalten als der Wirklich-
keit des Kunstwesens nahekommen wollte. Auch für
die Kunst ist ein geschichtlicher Augenblick einge-
treten, der neue Erkenntnisse bringen muß. Der
Kunstgedanke will durch das Zeiterleben auch im
politischen Bewußtsein aus der unfruchtbaren Neu-
tralität des Ästhetischen zu der bestimmten Auf gäbe
einer neuen Volkszeit zurückgeführt werden. Diese
Aufgabe hat ungeahnte gedankliche Tragweiten.
Der deutsche Gedanke will eine neue und eigene
Geschichte beginnen.
Italico Brass. Gondeln
Ausstellung der Biennale, Venedig