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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Christoffel, Ulrich: Heinrich Wölfflin: zu seinem 70. Geburtstage am 21. Juni 1934
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Beringer, Joseph August: Adolf Hildenbrand
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0305

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genen. feierlichen Bestimmtheit der Form in sich
trägt. München aber ist die Stadt, wo das Italie-
nische auf deutschem Boden seine Heimat fand,
nicht nur in der Nachahmung der italienischen und
klassischen Architektur in der Residenz und der
Theatinerkirche. am Königsplatz und in der Rüh-
meshalle, sondern in dem alten, stammesmäßigen
Bauherkommen, das sich in der Frauenkirche und
den alten Toren und schon in der Großräumigkeit.
Breite. Geschlossenheit und Pracht der Bauernhöfe
und Klöster volkstümlich monumental ausgehreitet
hat. In München hat sich Italien dem deutschen
Formgefühl vermählt und hier trägt jeder Bau die
Polarität des heimatlich Gebundenen und des Ab-
soluten. Idealen, der logischen Begrenzung und
sinnlichen Unendlichkeit, der Flächigkeit und
räumlichen Größe in sich.

Wölfflins begriffliche Kunstanschauung steht da
wie ein Portal der Münchner Residenz, hoheitsvoll,
übersichtlich, malerisch belebt. Seine Lehre ist kein
Dogma, sondern eine Frage, die gerade darin voll-
endet ist, daß sie in einem Rest immer offen bleibt
und zum Nachdenken reizt. Wölfflin hat im ver-
gangenen Jahre in einem Heft des ,,Logos" einen
Aufsatz zu seinen ,,Kunstgeschichtlichen Grundbe-
griffen" von 1915 veröffentlicht, den er eine Revi-
sion nennt, und worin er das ..Spezifische" der

Adolf Hildenbrand. Von J.A.Beringer

Wenn ungemessener Raum zur Verfügung stände,
wäre es eine weitschichtige Sache, YVesen. Schaf-
fen, Werden und Sein dieser Malerpersönlichkeit
zu entwickeln. Das ist hier und jetzt unmöglich und
untunlich, weil der nunmehr in den fünfziger Jah-
ren stehende, eigenartige Künstler vor neuen Ent-
wicklungsmöglichkeiten steht. Als Professor an der
Kunstgewerbeschule Pforzheim hat er zwar inner-
halb seiner Dienstwirksamkeit den ganzen Umfang
seiner Aufgaben in der angewandten und freien
Kunst mit den alten und neuen Mitteln vom
Emailschmelz bis zum Wandbild in vorbildlicher
Weise erfüllt, wie ihm amtlich bestätigt wurde. Er
hat seine Schüler in der ebenso anerkannten Weise
in jedem Betracht, künstlerisch und menschlich,
gefördert. Und mehr, er hat im freien Schaffen
seinen Zöglingen das Wesen der schöpferischen und
gestaltenden Kunst vorgelebt, sich bis ins Mark
hinein als ein ,,Meister" und von persönlicher Art
erwiesen. Auf seinem Schaffensgebiete, der Bild-
malerei und des Metallstiches, hat er. als es Mode
war, nach Ost und West zu schielen, auf Grund
seiner alemannischen Abstammung ausschließlich
die Welt seiner Heimat, seiner oberdeutschen Ge-
sinnung gemäß, lebensvoll ins Bild geformt. Hil-
denbrand ist, ohne Nachfolger Hans Thomas zu sein,
der Heimatkünstler des südlichen Schwarzwaldes,
besser, des Oberrheingebietes vom Bodensee bis ins

Kunst in neuen Formulierungen gegen das Aus-
drucksgeschichtliche abgrenzt und das Ineinander-
wirken der selbsttätigenFormentwicklung.der ^iso-
lierten Augenentwicklung" mit dem Wandel des
Lebens und der Zeit untersucht. Kann ,,die Sehge-
schichte wirklich eine Eigengeschichte genannt
werden" ? Die Antwort lautet, daß dies nur bedingt
der Fall sei, und doch bleibt auch die Tatsache be-
stehen, die Wölfflin durch Jakob Burckhardt be-
stätigt findet, daß die ,,Kunst ihr eigenes Leben
und ihre eigene Geschichte hat". In dem Aufsatz
wird ein Füllhorn von Fragen und Problemen aus-
gestreut, denn in der Geschichte und in der Kunst
sind die einfachen "Verhältnisse die verwickeltsten
und kompliziertesten. Es macht aber den großen
Lehrer aus, daß er seine Schüler nicht zur Ruhe
kommen läßt und sie bei klaren Grundbegriffen
vor immer neue Fragen stellt.

Man hat München immer wieder ewige Jugend
nachgesagt. Der Schnee der Berge und der Schnee
des Greisenalters können einen lebendigen Geist
nur stärken und erfrischen. So möchte man auch
von Wölfflin noch viel erwarten, zum Beispiel ein
Buch über die nach seiner strengsten Wägung wert-
vollsten Bilder und Denkmäler, die in München
für Deutschland und die Welt entstanden sind.

Ulrich Christoffel

Feldberggebiet, das er in seiner gottgewollten
Schöpfungsform bis in die technischen und indu-
striellen Neugestaltungen ins Bild gerettet hat.
Wir weisen in diesem Betracht auf sein letztes
großes zyklisches Werk hin, das Tafelwerk für den
Speisesaal im Sanatorium zu St. Blasien, in dem
er die Elemente, Luft, Erde, Feuer und Wasser als
die großen natürlichen und seelischen Heilmittel
zu den Beschauern sprechen läßt und dem Gesun-
deten die dankbare Erinnerung in die Heimat mit-
gibt, daß die gütigen Elemente in ihrer naturver-
bundenen Kraft Trost im Leiden, Heilung in der
Gebrechlichkeit sind. Diese Umwertung und Um-
deutung des Medizinischen ins Kosmische durch
das Dichterisch-Verklärende ist der künstlerische
Unterstrom, der Hildenbrands Schaffen treibt und
emporhebt. Die zwei Rahmenbilder, die als Sür-
porten den Elementenzyklus einfassen — derBauern-
garten im Blumenschmuck und die Tanne —, wei-
sen in realistischer Weise auf die Heilkräfte des
Schwarzwaldes hin, auf das einfache Bauerntum
und auf die köstliche Ozonluft des Waldgebirges.
Aber sie sind zugleich auch eine Brücke aus dem
Realistischen ins Dichterische, aus denen sich das
große und reiche Werk des Meisters der oberbadi-
schen Heimat in allen Techniken der Bildkunst in
fast stürmischer Weise entwickelt hat.
In den ersten Jahren seines Schaffens zu Anfang

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