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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Wolf, Georg Jacob: Wie entstanden die deutschen Galerien?, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0214

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Wie entstanden die deutschen Galerien? Von Georg Jacob Wolf

(Fortsetzung aas dem Märzheft)

Zwei neue Galerietypen treten seit der Mitte des
19. Jahrhunderts auf: es sind die großen städtischen
Galerien der Hansa- und der großen Provinzstädte
und die, meistens an die großen Staatsgalerien an-
geschlossenen, meist unter der gleichen Verwaltung
stehenden ..Galerien des 19. Jahrhunderts". Die
letzteren verdanken ihre Entstehung zumeist der
Energie zeitgenössischer Künstler, die darauf be-
standen, daß ihre Leistungen über denen der alten
Meister nicht vergessen und geringgeschätzt wur-
den. So trat in München die Neue Pinakothek ins
Leben (eröffnet 1853), die im wesentlichen aus der
Privatsammlung Ludwigs I. hervorging, in Berlin
die Nationalgalerie (1876), in Wien die „Galerie des
19. Jahrhunderts", die an Stelle der alten Galerie
(„Kunsthistorisches Museum"), die an den Burg-
ring verlegt wurde, das Obere Belvedere bezog, in
Dresden gleichfalls eine von der Staatlichen Ge-
mäldegalerie abgetrennte „Moderne Galerie", deren
Besitz leider räumlich auseinandergelegt werden
mußte. Schon klopfte aber mit neuen Forderungen
das 20. Jahrhundert an, und aus den „Neuen" Ga-
lerien wuchsen wiederum in Berlin (Kronprinzen-
Palais) , München (Neue Staatsgalerie), Dresden
und Wien neueste Galerien hervor.
Bei der erwähnten anderen Gruppe von Galerien,
die den großen Städten zu eigen sind, handelt es sich
in fast allen Fällen um Akte stolzer bürgerlicher
Opferfreudigkeit und Hochherzigkeit, die von Ein-
zelnen ausgingen und von der Gesamtheit der Bür-
gerschaft freudig aufgenommen und weitergeführt
wurden. Es ist selbstverständlich, daß es der Bürger-
schaft so großer und bedeutender Städte wie Ham-
burg, Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Leipzig, Breslau,
Hannover, Nürnberg, Mannheim, Karlsruhe usw.
nicht an Kunstgesinnung gebricht und daß sie ihre
Kunstsammlungen beanspruchen wie die ihnen zu-
weilen an Einwohnerzahl (wohl auch an kulturpoli-
tischer und wirtschaftlicher Bedeutung) unterlege-
nen kleineren ehemaligen Besidenzstädte, die im
Besitz der nun verstaatlichten Kunstsammlungen
sind. Nennt man Namen wie Johann Friedrich Sta-
del, Ferdinand Franz Wallraf, Johann Heinrich
Bichartz, Schwabe, Freiherr von Schröder, Troplo-
witz, Amsinck (diese vier für Hamburg), Adolf
LIeinrich Schletter, Hermann Theobald Petschke
(beide für Leipzig) und die Geschwister Beiß (für
Mannheini), so hat man eine zwar nur sehr unvoll-
kommene, aber nichtsdestoweniger stolzeListe deut-
scher Mäzene, die teils durch großartige Legate
von Kunstwerken, teils durch Hingabe von hohen
Baukapitalien und fortdauernden Unterhaltungs-
und Neuerwerbungszuschüssen ihren Heimatstäd-
ten zu bedeutenden Kunstsammlungen verhalfen.
Bei mancher dieser Galerien war es freilich schwer,
in der verhältnismäßig kurzen Daseinsfrist das
nachzuholen, was den alten Staatsmuseen aus dem
Altbesitz der Fürstenhäuser in den Schoß gefallen

war. Gleichwohl gelang es einigen der Museen, her-
vorragende alte Meisterwerke an sich zu ziehen, so
der Kunsthalle in Hamburg, dem Wallraf-Richartz-
Museum in Köln, dem Städelschen Kunstinstitut in
Frankfurt: dies vor allem deswegen, weil ihnen
(wie auch dem Museum der Bildenden Künste in
Leipzig) bedeutsame Bildlegate zufielen. Zumeist
aber wurden diese unter städtischer Verwaltung
stehenden Sammlungen in der Hauptsache Galerien
des 19. Jahrhunderts.

Einiger kleiner Galerien möchte ich um ihrer Eigen-
art willen noch besonders gedenken, ehe ich diesen
natürlich keineswegs lückenlosen, sondern nur die
Mannigfaltigkeit der deutschen Kunstsammlungen
andeutenden, nicht das Inventar ausschöpfenden Be-
richt beschließe. Es sind die Galerien und Aluseen,
die auf die Initiative einer einzelnen Person oder
einer einzelnen Familie zurückgehen. Wien mit sei-
ner alten aristokratischen Kultur und mit dem Ehr-
geiz hochadeliger Familien, hinter dem Kaiserhaus
nicht allzuweit zurückzustehen, muß hier obenan
genannt sein: in liberalster Weise tun sich dem
Kunstfreund die Galerien des Fürsten Liechtenstein,
des Grafen Czernin und des Grafen Harrach auf;
auch die W iener Sammlungen der Akademie und
des Schottenstifts möchte ich wenigstens streifen.
Im fränkischen Pommersfelden verträumt die Ga-
lerie der Grafen von Schönborn, eines um die deut-
sche Kunst des 18. Jahrhunderts hochverdienten Ge-
schlechts, ihrDornröschen-Dasein,während zwei an-
dere „Kavaliers Galerien" mitten im Leben stehen:
Adolf Friedrich Graf von Schack hat seine herrliche
Privatsammlung erst nach seinem Tod zu einem
weitauswirkenden Leben bestimmt, indem er sie dem
deutschen Kaiser vermachte, der sie freigebig allen
Besuchern öffnete. Nächst Schack ist der säch-
sische Staatsmann Bernhard von Lindenau, der
1854 starb, zu nennen: er vermachte seine einzig-
artige Sammlung von 170 Werken italienischer Pri-
mitiver, Gemälde, wie man sie sonst nirgendwo in
Deutschland findet, neben anderen Gemälden seiner
Vaterstadt Altenburg und ließ ihr auch ein Haus
dafür erbauen. In Hannover erfreut man sich einer
ähnlichen Schenkung, die auch zahlreiche Italiener
enthält: es ist die Stiftung von Hermann Kestner,
die seit 1889 in dem von der Stadt gebauten Kestner-
museum domiziliert. Bleibt noch ein Museum, das
einen Künstlernamen trägt, zu erwähnen, seit einem
Jahrzehnt im Besitz der Stadt München: die Len-
bachgalerie. Sie vereinigt in sich die bedeutendsten
Werke, die der führende Porträtist des 19. Jahrhun-
derts geschaffen. Die Städtische Galerie Münchens
ist mit der Lenbachgalerie örtlich und verwaltungs-
technisch verbunden, sie will nur eine Galerie des
19. und 20. Jahrhunderts sein, erfüllt aber diese
Aufgabe ausgezeichnet und steht so als Ergänzung
neben der Neuen Pinakothek und der Neuen Staats-
galerie.

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