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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Wendland, W.: Die Kunst als Ausdruck der neuen Zeit, [3]
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Die Kunst als Ausdruck der neuen Zeit. Von w. Wendland

(Fortsetzung aus dem. Juliheft)

Und nun hat diese in einem solchen Chaos von
feindlichen Mächten ringende Kunst einen Auf-
trag von historischer Größe erhalten. Dazu muß
ein neues Werden heginnen. Dieses neue Werden
kommt aher nicht mit großen Problemen und Phra-
sen, sondern ganz bescheiden und schlicht. Es be-
ginnt im Alltag. Es beginnt beim nüchternen
Bedarf.

Was hat es denn für einen Sinn in unseren Tagen,
Bildchen zu pinseln, Figuren zu machen, wenn
man nicht weiß, wofür, wenn es ohne Beziehung
zum Volke ist?

Es ist ja vergeudetes Material, vergeudete Arbeits-
kraft! Unsere Vorfahren, die Steinmetze und Far-
benreiber hätten bitter gelacht über unser Bemü-
hen. Sinnlos ist das Werk ohne eine Bestimmung.
Darum ist es nötig, daß der Mensch, der Künstler
sein will, organisch aus den Berufen herauswächst,
die den Unterbau bilden: dem Handwerk! Das ist
zwar heute große Mode. Aber jeder versteht etwas
anderes darunter. Handwerk ist aber nicht ein
wirtschaftlicher Begriff, sondern eine Gesinnung
im V erk. Darum gehören alle schöpferischen
Kräfte zuerst ins Handwerk. Dann kommen nur
technisch gut vorgebildete Leute auf unsere Aka-
demien, die dann kein Künstlerproletariat erzeu-
gen, sondern wirkliche Künstler. Andere sind dann
wenigstens gute Handwerker. Dazu muß eine Stei-
gerung des künstlerischen Bedarfs treten. Denn
eine dem Schöpferischen verwandte und offene
Weltanschauung bedarf zu ihrer Darstellung ein-
fach der Kunst nicht nur für ihren Staat, ihre Be-
wegung, sondern auch für das Leben des einzelnen.
Die ordnende Hand des Staates hat Auswüchse zu
beseitigen und selbst die Richtung anzugeben, aber
die Schöpfung, die Gestaltung als solche liegt dann
wieder beim Künstler und nicht bei der Surrogate
herstellenden Industrie, die dann auch wieder ihrer
Aufgabe dienen kann.

Auf der anderen Seite hat der Staat bereits seinen
V illen, dem Künstler zu helfen, durch Gründung
einer ständischen Kunstkammer Ausdruck gegeben.
Sie bringt dem Künstler die staatliche Anerken-
nung, aber nun auch die Verantwortung für seinen
Sland und dessen Leistung. Er wird in Zukunft
also nicht mehr der Mode leben, sondern der Qua-
lität seiner Arbeit. V enn die Kunst durch ihre
Qualität kostbarstes seelisches Gut der Nation ge-
worden ist. dann stellt sich auch ein Bedarf ein,
nämlich mit diesem Gut wahrhaft zu repräsentie-
ren, es in die Welt als Zeugnis deutschen Wesens
zu senden.

Der unerhörte Erfolg deutscher Gebrauchsgraphik
auf der Triennale in Mailand zeigte ganz deutlich

die Werbekraft solcher Qualitätsarbeit, aher sie ist
allein möglich durch strengste Selbstkritik und
sorgfältigste Auswahl.

Einen ähnlichen Auslandserfolg hatte die ^Ka-
mera" in Berlin, die Ausstellung für Foto und
Druckgewerbe. Sie hatte durch ihre Echtheit in
der Raumgestaltung, wie ihre sorgfältigste Zusam-
menstellung des Materials höchsten Erfolg nicht
nur im Inland, sondern vor allem im Ausland.
Auch zeigte diese Ausstellung die organische Ein-
gliederung auch der Maschine. Sie steht uns heute
in der Kunst nicht als Feindin gegenüber, auch
nicht als vergötterte Beherrscherin der Gestaltung,
sondern wir schätzen sie als Werkzeug.
Vir lernen an ihr Präzision und Sauberkeit der
Herstellung, aber wir kennen ihre Grenze und wis-
sen, daß die Kunst erst da anfängt, wo die Ma-
schine aufhört.

Denn die Kunst unserer Zeit braucht mehr denn
je die schöpferische Hand des Künstlers. Sie braucht
aber ebenso sehr den in seiner Zeit bewußt leben-
den Künstler, dessen Schaffen in der maßgehenden
Weltanschauung seiner Zeit schwingt. Das erfor-
dert aber das selbstlose Opfer des Künstlers an
diese Weltanschauung. Auch vom Künstler wird
von ihr der Einsatz gefordert. Er kann nicht mehr
sich selber leben, seiner Intuition. Es ist keine In-
tuition so wichtig, als daß man um ihretwillen die
Gemeinschaft des Volkes aufgeben könnte. Denn
sie gibt dem Künstler allein die Kraft in seiner
Zeit — unserer Zeit wirklich zu leben.
Die künstlerische Gemeinsamkeit ist der Ausdruck
der Bindung an das Volk. Aus dieser Bindung an
das Volk entspringt die Möglichkeit einer Verkün-
dung der Idee vom Volk. Der Staat als Volksord-
nung gibt die Aufgabe, den Rahmen, in dem die
Kündung vor sich geht. So entsteht auch durch die
Kündung eine neue Symbolik, die niemals in
äußerlichen Zeichen und Darstellungen sich aus-
wirkt, sie sind allenfalls Allegorie: denn Symbolik
kann nicht gewollt werden, sie wächst. Solche Kün-
dung, die zum Symbol wird, bedarf aber des
Opfers durch den Künstler, d. h. die Selbstaufgabe
zur Errichtung des Werkes. Das Werk um seiner
selbst schaffen zu müssen, ist der Sinn allen neuen
Künstlertums.

Aus dem Chaos des Geschehens in aller Welt wird
langsam eine neue Welt geboren. Wir stehen im
Ablauf dieser Ereignisse, im Brennpunkt der Er-
eignisse.

Sorgen wir dafür, daß unsere Flammen hell und
rein brennen, daß sie die Schlacken ausglühen, da-
mit die neue Zeit Gestalt gewinne, sichtbar für
alle Zeiten in den Werken der Kunst.

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