Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0328
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Christoffel, Ulrich: Die Biennale in Venedig, [1]
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Arnold Böcklin. Gottfried Keller
tönen hervorgehoben sind. Man hätte alle diese
Künstlerbekenntnisse zu ihren Müttern und Frauen
nebeneinanderhängen müssen, denn es sind die
ruhigsten und unscheinbarsten Bildnisse, die sich
mit ihrer nach innen gerichteten Malerei in ihrer
glänzenderen Nachbarschaft oft verlieren. In den
Künstlerselbstbildnissen und Mutterporträts finden
wir die Führung, der wir bei der Betrachtung auch
aller übrigen Werke folgen dürfen. So entsprechen
die Büsten von Schadow, Bauch, Pradier, d'Orsi,
Hildebrand einer innerlichen Bildnisform mehr als
die wirksameren, lebhafteren von Dalou, Bodin
oder Klinger, die den Augenblick des künstlerischen
Kontaktes mit dem Modell schärfer erfassen. In
den Zeichnungen von Ingres, Krüger, YS asmann,
Schnorr von Carolsfeld und Menzel ist das Licht
des Lebens auf die reinste Linie abgezogen und die
Natur mit dem sparsamsten Mittel gebannt. Auch
das kleine landschaftliche Bildchen der Clara
Schmidt von Knobeisdorff von Menzel behauptet
sich vor allen größern Konkurrenten der Winter-
halter, Sargent, Bicard und Begnault oder gar den
massiv pompösen Polen und Tschechen durch seine
ursprüngliche malerische Blütenhaftigkeit. Es zeigt
sich überhaupt, daß die deutschen Maler Marees,
Feuerbach, Leibi, Menzel, Rayski, Thoma, Böcklin
dem Ideal einer stillen, defensiven, erkenntnis-
mäßigen Bildniskunst am nächsten stehen. Der
Gottfried Keller von Böcklin und der Pallenberg
von Leibi werden kaum von andern Werken der
Ausstellung übertroffen.
(Ein zweiter Aufsatz über den modernen Teil der Biennale folgt}
Kunst f. Alle, Jahrg. 49, Heft 11, August 1031
293
tönen hervorgehoben sind. Man hätte alle diese
Künstlerbekenntnisse zu ihren Müttern und Frauen
nebeneinanderhängen müssen, denn es sind die
ruhigsten und unscheinbarsten Bildnisse, die sich
mit ihrer nach innen gerichteten Malerei in ihrer
glänzenderen Nachbarschaft oft verlieren. In den
Künstlerselbstbildnissen und Mutterporträts finden
wir die Führung, der wir bei der Betrachtung auch
aller übrigen Werke folgen dürfen. So entsprechen
die Büsten von Schadow, Bauch, Pradier, d'Orsi,
Hildebrand einer innerlichen Bildnisform mehr als
die wirksameren, lebhafteren von Dalou, Bodin
oder Klinger, die den Augenblick des künstlerischen
Kontaktes mit dem Modell schärfer erfassen. In
den Zeichnungen von Ingres, Krüger, YS asmann,
Schnorr von Carolsfeld und Menzel ist das Licht
des Lebens auf die reinste Linie abgezogen und die
Natur mit dem sparsamsten Mittel gebannt. Auch
das kleine landschaftliche Bildchen der Clara
Schmidt von Knobeisdorff von Menzel behauptet
sich vor allen größern Konkurrenten der Winter-
halter, Sargent, Bicard und Begnault oder gar den
massiv pompösen Polen und Tschechen durch seine
ursprüngliche malerische Blütenhaftigkeit. Es zeigt
sich überhaupt, daß die deutschen Maler Marees,
Feuerbach, Leibi, Menzel, Rayski, Thoma, Böcklin
dem Ideal einer stillen, defensiven, erkenntnis-
mäßigen Bildniskunst am nächsten stehen. Der
Gottfried Keller von Böcklin und der Pallenberg
von Leibi werden kaum von andern Werken der
Ausstellung übertroffen.
(Ein zweiter Aufsatz über den modernen Teil der Biennale folgt}
Kunst f. Alle, Jahrg. 49, Heft 11, August 1031
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