Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

DOI Artikel:
Morper, Johann Joseph: Eine neue Kirche des Saargebietes: Ormesheim
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0188

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Eine neue Kirche des Saargebietes: Ormesheim. Von j.j.Morper, München

Das Saargebiet hat in der Nachkriegszeit auf dem
Gebiete der kirchlichen Architektur eine reiche
und zugleich sehr vielfältige, die (Jneinheitlichkeit
des modernen architektonischen Wollens beispiel-
haft veranschaulichende Bautätigkeit entfaltet.
Architekten wie Boßlet, Holzmeister, Herkomer,
Colombo, Marx u. a. haben zum Teil sehr aufwen-
dige Kirchen errichtet, die als Aufträge zu den um-
fänglichsten der Nachkriegszeit zählen. In der Ge-
staltungsidee am interessantesten, weil von einer
der feinsten Ausformungen des evangelischen
Kirchenbaues, der von Friedrich Joachim Stengel
175% —1775 errichteten Ludvvigskirche in Saar-
brücken, ausgehend und deren formalen Gedanken
wenigstens in der Chorlösung kühn auf den katho-
lischen Kirchenbau überiragend, ist die Kirche Cle-
mens Holzmeisters in Merchingen; die straffste,
charaktervollste und entschieden originellste Lösung
bietet Boßlets St.-Hildegards-Kirche in St. Ingbert,
die mit Becht als eine der großartigsten kirchlichen
Bauschöpfungen der Nachkriegszeit gilt. Von dem
gleichen Architekten ist neuerdings auch die Kirche
in Ormesheim, die in einjähriger Bauzeit fertig-
gestellt wurde und jetzt durch Prof. Paul Talheimer
Freskenschmuck bekommt. In seinen letzten Bau-
ten ist Prof. Albert Boßlet (Würzburg-Landau/Pfalz)
zu einer neuen Vergeistigung und Vertiefung seines
für seine Architekturauffassung bestimmenden Er-
lebnisses romanischer Kunst gelangt. Er beherrscht
nun, in die Abgeklärtheit der vollkommenen inne-
ren Beife tretend, ihre Gestaltungsmittel so, daß er
in einer schöpferischen Veibindung von Uberliefe-
rung und modernem Empfinden jene Selbstver-
ständlichkeit des Guten erreicht, die von jeher die
höchste Tugend wahrer deutscher Baukultur ge-
wesen ist. Was als Kirche entsteht, ist nicht in
romantischem Anempfinden an den Charakter von
Land und Leuten gemacht, sondern in Bluts- und
wesensmäßigem Erleben als Forderung des Bodens
organisch erzeugt. So verschwistert sich die neue
Kirche von Ormesheim in vollendeter Ortsgerech-
tigkeit so innig mit dem Dorfe, daß sie heute aus
dessen Bild nicht mehr wegzudenken ist und wie
seine Krönung erscheint. Der ganz aus örtlichen
Bruchsteinen bestehende Bau wahrt, trotzdem er
über dörfliche Maßstäbe groß ist, dennoch in seiner
inneren Haltung den Charakter einer Dorfkirche.

Zentral im Gefüge des Dorfes gelegen, stuft er sich
aus meisterhaft aus der bergigen Bodensituation ent-
wickeltem Sockel in großen ruhigen, ungemein
steinig wirkenden Wänden empor. Das Baumaterial
ist graugelber, in der Sonne fast weißlich flammen-
der Saar-Sandbruchstein, den rote Flecken und
Adern untermischen. Das Mauerwerk ist durch
Mauerung in Wechselschichten und starke Prellung
lebendiger gestaltet, so daß eine schummerige Außen-
haut gewonnen ist. Ein naturrotes Pfannendach
verstärkt die naturhaft sinnliche Wirkung des äuße-
ren Eindruckes. Die Kirche hat basilikalen Quer-
schnitt, doch läuft das Langhaus absatzlos in den
Chor aus, der sich auf der Südseite mit einem nach
außen als Querschiffarm in die Erscheinung treten-
den hohen Mauerkörper bindet. In diesem Mauer-
körper ist eine Pietäkapelle eingebunden, die ihre
Beleuchtung durch ein achteckiges Oberlicht emp-
fängt, das seinerseits wieder ein indirektes Licht
durch ein Rundfenster hoch in der Südmauer zu-
geführt erhält. Der außerordentlich schön gemau-
erte Turm ist auf die Nordseite unmittelbar an den
westlichen Ansatz der Kirche gestellt und bewirkt
durch seine feste Verklammerung mit dem Gesamt-
kirchenkörper sehr glückliche Überschneidungen
und Steigerungen im Landschaftsbild. Da die W^est-
wand zugleich die Straßenkante bildet, kann der
Zugang zur Kirche nur von den Seiten erfolgen,
denen Treppenwege vorgelagert sind. Das sehr aus-
geglichene und still wirkende Innere ist festlich
weiß verputzt und durch bunte Glasfenster wohlig
warm getönt. Die in den Dachraum hoch gezogene
Decke besteht aus Naturfichtenholz, das mit einer
grauen Lasur überzogen ist. An den klar begrenz-
ten Quader des Langhauses schließt ein platt ge-
schlossener eingezogener Chor, der mit einer Tonne
eingewölbt ist. Sie fußt auf je drei Rundbogen und
wird in der Kämpferzone von Fenstern angeschnitten.
Der Chorraum wird erst seine im liturgischen Sinne
zu fordernde Vollendung erreichen, wenn das Fresko
P, Talheimers als zielbannender Höhepunkt der
räumlichen Entfaltung zur Ausführung gelangt sein
wird. Der Eindruck, den man von dem Bauwerk
im Ganzen gewinnt, vermittelt die beruhigende
Kraft des Guten und die erfrischende Gesundheit
alles kernhaft Echten. Was könnte man von einer
Dorfkirche Bühmenderes aussagen!

164
 
Annotationen