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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Der Bildhauer Arno Breker
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0022

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Der Bildhauer Arno Breker

Er wurde den Lesern dieser Zeitschrift schon vor
einigen Jahren einmal vorgestellt. Seit 1929 — denn
damals wurden an dieser Stelle einige Arbeiten
Brekers gezeigt und besprochen — ist er weiter ge-
wachsen, und dies sogar in beträchtlichem Maß, so
daß es Zeit wird, auf ihn zurückzukommen. Es
liegen wieder einige Jahre hinter dem Künstler, die
eine deutliche Phase seiner Entwicklung umschlie-
ßen, und es ist anzunehmen, daß der Rom-Preis-
träger Arno Breker, der nun an der Deutschen
Akademie der Via G. B. di Rossi gearbeitet hat, das
Resultat der letzten Jahre aus einem gleichsam ar-
chimedischen Punkte prüfen konnte, um für sein
weiteres Schaffen festzuhalten, was in der Zeit für
ihn wesentlich geworden ist.

Ich habe manche Stunde mit dem Künstler verbrin-
gen können. Er stand vor dem Aufbruch nach Rom.
Das Erregende des Wechsels gab dem Künstler eine
besondere Vibration. Er ist noch jung; er ist schlank,
dabei bildhauermäßig kräftig; die Arbeit befeuert
ihn nicht nur, sie hat ihn auch schon angezehrt.
Die blauen Augen entsenden einen enthusiastischen,
aber auch sachlich ernsten Blick, der von dem
strengen Bewußtsein der Verantwortlichkeit des
Künstlerberufes gerade in unseren Tagen einen über-
zeugenden Eindruck gibt. Dieser Breker also ließ
überdies noch die besondere Bewegung spüren, die
einen mit starkem Gewissen begabten Künstler
gerade dann auszeichnet, wenn er fühlt, daß sein
Weg sich nun bald umbrechen wird: daß er eine
gewonnene Region verläßt, um in eine andere, ihm
noch unbekannte überzutreten, von der er ahnt,
daß sie für ihn viel zu bedeuten haben wird. Wie
sollte auch ein Bildhauer die Perspektive seines
Lebens auf Rom richten können, ohne jenes Be-
ben zu erleben, das selbst uns anderen vertraut ist,
obwohl wir keine Künstler sind! Rom ist Rom. und
auf unvergleichliche Weise ist Rom das Zeichen
alles Dauernden. Des Dauernden, das man wohl
auch das Klassische nennt.

Die Arbeiten Brekers, die an dieser Stelle vor vier
Jahren veröffentlicht worden sind, haben einen
starken Sinn für das Statuarisch-Geschlossene be-
zeugt. Da war der Aufbau ruhig, die Oberfläche
ebenmäßig, ja beschwichtigt und das Ganze in eine
ziemlich schwere plastische Dichtigkeit verfaßt.
Seitdem ist sein Stil nervöser (im guten, positiven
Sinn nervöser) geworden. Seine Plastik hat seitdem
mehr Fasern und Fibern als früher: sie hat gleich-
sam offenere Poren; in die Plastik Brekers ist mehr
Unmittelbarkeit hineingekommen — Unmittelbar-
keit im Sinne eines erregten modernen Lebens. Der
plastische Stil Brekers ist in diesen Jahren beweg-
licher geworden, die plastische Substanz intimer,
wärmer. Man kann diese Entwicklung auch mit
einem einzigen Wort umfassen: das malerische
Element ist nun auch in Brekers Plastik regsam
geworden. Die frühen Arbeiten sind stiller, mehr

an sich selbst zurückgebunden. Von den neueren
Arbeiten geht eher eine anredende Kraft aus; sie
fordern zum Dialog heraus; sie sind in zunehmen-
dem Maß das geworden, was wir „sprechend" nen-
nen. Besonders eigentümlich, daß Brekers Plastiken
im selben Augenblick knapper, aber auch differen-
zierter geworden sind, als die frühen Arbeiten.
Welche Nüancen im Leben der plastischen Ober-
fläche! In was für sensitive Umrisse profilieren sich
nun die Gestalten und die Gesichter! Man könnte
sagen, die plastische Oberfläche, die Sphäre „der
Löcher und der Buckel", habe eine äußerste Reizbar-
keit gewonnen, eben im Sinne des Auf und Ab, des
Herausgewölbten und des Eingetieften. Die pla-
stische Oberfläche wird von den lebhaftesten und
zartesten Spannungen durchströmt. Die plastische
Beredsamkeit wird größer. Der Beichtum an Aus-
drücken und an Ausdruck nimmt zu. In einem be-
stimmten Grad kommt nun auch Psychologie her-
ein, die freilich das Energische, das Sehnige der
Form nicht abschwächt. Daß dies alles in engster
Verbundenheit mit einer unauslöschlichen Empfin-
dung für die Natur, für ihre Wirklichkeit und
Wahrheit, für ihre verpflichtende Gegenständlich-
keit geschehen ist, soll noch ausdrücklich bestätigt
sein. Denn damit würde Breker sich allerdings nicht
begnügt haben, irgendwelchen theoretischen Mani-
festen nachzulaufen.

Man wird nun weiterhin feststellen dürfen, daß
Breker im rechten Augenblick nach Rom gekom-
men ist, um ein neues Gewicht in seine Entwick-
lung einzusetzen. Man kann sich denken, wohin die
Entwicklung ihn führen wird. Es ist anzunehmen,
daß sie allem, was vorher den Stil Brekers nervöser
gemacht hat, ausgleichende Elemente gegenüber-
stellen wird. Es ist anzunehmen, daß dieser Künst-
ler nun an Ruhe, Breite und Schwere gewinnen,
daß die Antike ihn gelassener machen wird. Dafür,
daß ihm die Möglichkeiten einer malerisch beweg-
ten Plastik nicht verloren gehen, dafür wird schon
Bernini und der römische Barock gesorgt haben:
das plastische Dekor um die Cattedra in Sankt Peter,
die Verzückung der heiligen Therese in Santa Maria
della Vittoria und der im Sterben so lebendig geöff-
nete Mund der seligen Ludovica Albertoni in San
Francesco a Ripa. Nicht zu reden von dem maleri-
schen Fluß der Spanischen Treppe, die eigentlich
eine Skulptur ist, und von der malerischen Flüssig-
keit der Fontana Trevi.

Breker ist eine Hoffnung der deutschen Plastik un-
serer Tage. — ist eigentlich schon mehr als dies:
mehr als ein Versprechen, schon ein eingelöstes
W7ort — obwohl wir von ihm das Entscheidende erst
zu erwarten haben. Daß wir uns auf ihn verlassen
können, ist mehr als wahrscheinlich. Denn er ist
das Bild einer schöpferischen Natur, die zu gleichen
Teilen mit Kraft und mit Takt begabt ist und ihren
W7eg darum schwerlich verfehlen kann. H.

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