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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Kiener, Hans: Die Geheimnisse der Inspiration
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0157

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Martin Friedrich Wegert. Prozession

gebung aber nach der Seelengröße und Gestaltungs-
kraft der betreffenden Künstlerpersönlichkeit rich-
tet, das ist eine Wahrheit, die heute nicht mehr be-
stritten wird. Es tut dieser Tatsache keinen Eintrag,
wenn verschiedene Völker zu verschiedenen Zeiten
sich in verschieden hohem Maße rationaler Hilfs-
mittel, z. B. der Perspektive oder der Anatomie, zur
Ausführung ihrer künstlerischen Einfälle bedien-
ten, solange nur der künstlerische Einfall selbst, die
eigentliche Conceptio, von des Gedankens Blässe
unangekränkelt geblieben ist.

Schon 1818 hat Schopenhauer diesen Gedanken (in:
„Die Welt als Wille und Vorstellung'') überzeugend
dargelegt. Er schließt: „Allem Gesagten zufolge ist
nun der Begriff, so nützlich er für das Leben, und
so brauchbar, notwendig und ergiebig er für die
Wissenschaft ist, für die Kunst ewig unfruchtbar .. .
nicht ein Begriff, sondern eine Idee schwebt ihm

(dem Künstler) vor: daher kann er von seinem Thun
keine Rechenschaft geben: er arbeitet, wie die Leute
sich ausdrücken, aus bloßem Gefühl und unbe-
wußt, ja instinktmäßig.

Als eine höchst wichtige Nebenfolge dieser Erkennt-
nis fallen alle erkenntnistheoretischen Schwierig-
keiten, die der Subjektivität Tür und Tor geöffnet
und die Erkenntnis der „ars una'" in den „species
mille" so sehr erschwert haben, in nichts dahin:
denn geflossen aus dem begriff liehen Denken gelten
sie notwendig auch nur für dessen Umkreis. Für
die Kunst aber gilt, daß sie nur beurteilen kann,
wer wie Goethe erlebt hat, ,,daß sich durch die Be-
schauung eines Werkes etwas in ihm entwickelt"
hat.

Es ist so evident, daß der künstlerische Einfall sich
im Unterbewußten vollzieht, daß sich nach dem
Kriterium „unbewußt" und „bewußt'' in der neue-

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