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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Wolf, Georg Jacob: Wie entstanden die deutschen Galerien?, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0178

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schaften, zumal von den Oraniern, und durch Hei-
raten mit dem Hause Medici, zustande die Galerien
in Kassel (mit ihren 2 l V\ erken von Rembrandt und
7 Frans Hals), in Hannover, Braunschweig, Schwe-
rin. Gotha, Dessau, Darmstadt: Besitz der Landes-
fürsten oder, wie es bei Hannover der Fall war, ein-
stiger Regierender, der Braunschweig-Lüneburger,
bildete den Grundstock, fürstliche Kunstkammern
waren die Ausgangspunkte.

Indessen konnten die Residenzen allmählich den
Kunstbesitz kaum mehr fassen. Dies und die Er-
kenntnis der Aufklärungszeit, daß der Souverän und
sein Haus nicht ausschließlichen Anspruch auf die
Kulturgüter des Landes oder des Ländchens hät-
ten, sondern daß das Volk, an dessen geistiger Er-
ziehung der Landesfürst schon aus Gründen des
Ansehens nach Kräften mitarbeitete, daran Anteil
haben sollte, waren die Ursache, daß die Galerien
der Fürsten zunächst allgemein zugänglich ge-
macht und in der Folge völlig verstaatlicht wur-
den. Die napoleonischen Kriege taten das ihre in
dieser Richtung; man wollte und mußte das Volk
bei Laune halten, und Friedrich Wilhelm III. von
Preußen prägte damals das zutreffende Wort: „Der
Staat muß durch geistige Kräfte ersetzen, was er an
physischen verloren hat." Dies war auch in Hin-
sicht auf die Kunst gesagt als auf ein Element, das
erhebend und die Vaterlandsliebe erweckend wirken
konnte, soferne man die nationalen Kunstschätze der
Öffentlichkeit nicht vorenthielt und verschloß, son-
dern sie ihr bereitwillig mitteilte.
In München wurden nach dem Erlöschen der älteren
Linien des Hauses auf dem Weg des Erbganges die
Galerien von Mannheim, Zweibrücken und Dussel-
dorf versammelt, die altdeutschen Bildschätze, die
durch die Säkularisation in den Jahren 1805 und
1804 aus Klöstern und Kirchen zuströmten, dazu die
Erwerbungen Ludwigs I. in Italien und in Deutsch-
land (hierhergehören die altdeutschen,altniederlän-
dischen und niederrheinischen Schätze der Samm-
lungen des Fürsten Ottingen-Wallerstein und der
Brüder Boisseree) hatten den bayerischen Staats-
besitz an Werken älterer Meister auf die unglaub-
liche Zahl von 8000 Werken gesteigert. In der alten
Galerie am Hofgarten war für sie kein Platz mehr,
auch das Galerieschloß in Schleißheim war mit Bil-
dern angefüllt vom Keller bis zum Speicher, und die
Gründung der sogenannten Provinzialgalerien in
Augsburg, Nürnberg, Aschaffenburg, Würzburg,
Bamberg, Ansbach, Speyer, Erlangen, Burghausen
(dieletztgenannten erst in spätererZeit)schuf nurun-
zulänglich Luft. Dabei wäre übrigens anzumerken,
daß besonders Nürnberg und Augsburg mit Gemäl-
den sehr reich bedacht wurden ; Augsburg vor allem
hat heute noch von sämtlichen deutschen Galerien
den größten und herrlichsten Bestand an Werken
altschwäbischer Kunst.

München also mußte zu einem Neubau seiner Ga-
lerie schreiten, wenn es nicht gegenüber Wien, wo
Joseph II. den prachtvollen Kunstbesitz im Oberen
Belvedere hatte sammeln lassen, und gegenüber
Berlin ins Hintertreffen geraten wollte. Berlin: es

war am spätesten von allen deutschen Haupt- und
Residenzstädten in den Wettbewerb um die Palme der
Kunstführerschaft eingetreten, und der Vorsprung
Wiens, Münchens, Dresdens schien zunächst kaum
mehr aufzuholen. Zwar hatte man, wie andere Für-
stenhäuser, an der Oranien-Erbschaft teil genommen,
sogar der Große Kurfürst hatte schon altniederlän-
dische Bilder erworben und Friedrich der Große
schmückte in Sanssouci seine Gemäldegalerie mit
Werken der Franzosen des 18. Jahrhunderts, mit
Watteau, Pater und Pesne; gleichwohl hätte das,
was man so um 1820 herum zusammenholte aus
dem Hohenzollern-Besitz, im ganzen etwas mehr
als 300 Bilder, zu einer Galerie nicht ausgereicht,
wenn man nicht die Sammlung des in Berlin leben-
den englischen Kaufmanns Edward Solly im Jahre
1821 hätte erwerben können. Aus Sollys Tausenden
von Bildern wurden 677 Nummern für das Museum
ausgewählt, darunter Italiener des Quattrocento und
Cinquecento, der Jörg Gisze Holbeins, und die nach
dem Krieg leider wieder verlorenen Flügel des Gen-
ter Altars. Wie man in Rumohr, einem der frühe-
sten echten Kunstgelehrten, einen trefflichen Be-
rater und Kenner zur Verfügung hatte, so war Fried-
rich Schinkel der gegebene Architekt für den Mu-
seumsbau. Also stieg seit dem Jahre 1824 an der
Nordseite des Lustgartens das großartige Bauwerk
empor, das heute als das „Alte Museum" bekannt
ist, das heute aber nur mehr ein Teilstück des gigan-
tischen Museumskomplexes Berlins darstellt.
Als man 1824 in Berlin mit dem Bau begann, war
es für München das Signal, nun gleichfalls den längst
geplanten, großen Museumsbau zu beginnen. Lud-
wig L, damals noch Kronprinz, hätte gern schon
früher gebaut, aber er hätte es mit seinen schmalen
Privatmitteln tun müssen, und die waren schon
durch den eben entstehenden Bau der Glyptothek
für die Sammlung seiner Antiken voll in Anspruch
genommen. So griff man den Bau der Alten Pinako-
thek, der seit 1822 im Projekt fertig war, erst 1826
an, im ersten Regierungsjahr Ludwigs; da man aber
die Mittel auch an anderer Stelle einsetzen mußte,
so zogen sich Vollendung und Einrichtung des Baues
bis 1836 hin, während man in Berlin schon 1828
das Gebäude fertiggestellt und es 1830 der Öffent-
lichkeit übergeben hatte. Wie später durch Wilh.
v. Bode die Berliner Sammlungen entwickelt, syste-
matisch auseinandergelegt und jedes neue, junge,
museale Einzelwesen wieder zu ungewöhnlichem
inneren und äußeren Eigenleben entfallet wurde, das
machte Bode kein anderer deutscher Galerieleiter
nach; keiner verstand es auch so wie er, die in der
Reichshauptstadt natürlich reichlich vorhandenen
finanziellen Mittel für Neuerwerbungen flüssig zu
machen, ehe die amerikanische Privatkonkurrenz
auf den Plan trat. Weder München noch Dresden
vermochten mit der Bodeschen Verwaltung gleichen
Schritt zu halten. Die Erwerbung der Sammlung
Suermondt, die die bedeutsamen holläT"11- ' n Bil-
der des 17. und 18. Jahrhunderts brach Bodes
erste große Tat.

(Schluß folgt i i Heft)

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