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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 49.1933-1934

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Schefold, Max: Ein Wandfries Hans Thomas in der Staatsgalerie Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.16481#0373

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Hans Thoma. Aus dem Wandfries für einen Musiksaa

war in München ursprünglich in die Architektur
eingelassen und umlief in Augenhöhe friesartig den
Raum. Der bisherigen Gliederung entsprechend ließ
sich nun der Zyklus in neuer Rahmung sehr gün-
stig einem Saal der Stuttgarter Galerie einfügen.
Nur ein einziger Wechsel in der Reihenfolge der
Bilder, bei denen übrigens der Eindruck als Wand-
bilder durchaus gewahrt blieb, war nötig; lediglich
die schöne Landschaft mit den Kranichen mußte an
anderer Stelle eingeschaltet werden.
Thema und Art der Ausführung, von räumlichen
Bindungen abgesehen, waren dem Künstler freige-
stellt. Die Wirkung der Musik auf die Menschen,
ihre Erlösung aus den Banden des grauen Alltags
durch die Musik schwebte Thoma als Grundgedanke
vor. Wie uns edle Musik in ferne glückselige Ge-
filde der Phantasie entrückt, so wollte er in der de-
korativen Ausgestaltung des Raumes den dort der
Musik Lauschenden in eine Welt paradiesischer
Freude versetzen, in eine Welt, wo glückliche Men-
schen unbeschwert von Erdenlast wandeln in Froh-
mut und ewiger Heiterkeit des Goldenen Zeitalters.
Zu Anfang und zu Ende des Frieses stehen gehar-

nischte Ritter als Hüter lachender Gefilde, die Selig-
keit des Paradieses, den Frieden und die Unschuld
der Natur vor Unberufenen zu beschützen. In dem
Triptychon des Orpheus, der seine geheimnisvolle
Musik vor Mensch und Tier in göttlicher Einsam-
keit und Stille erklingen läßt, sind Landschaft und
Figur zu unlöslicher Einheit verbunden. Antike
Motive sind es, aber erfüllt von deutscher Seele, von
deutschem Gemüt. Auch in den folgenden Tafeln
gibt Thoma wieder ganz von Musik durchdrungene
Bilder von frohen Festen, von Gesang und Reigen.
Frauen und Mädchen rüsten zum Feste, sie bringen
Blumen und winden sie zu Kränzen, mit denen Kna-
ben die Lauben schmücken. Auf anderen Bildern
hat das Fest schon begonnen. Lauten- und Schal-
meienspiel ertönt, Mädchen eröffnen auf grünem
Waesenplan den Reigen. In den abgeschrägten
Ecken unterbrechen reine Landschaften den fließen-
den Rhythmus des Frieses. In dem Flug der Kra-
niche, die kreischend durch den Äther ziehen, findet
der alte Drang der Deutschen nach südlicher Sonne
seinen Ausdruck; ein Bild deutschen Landes und
der Sehnsucht zugleich.

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