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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 17.1919

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Heft 11
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4754#0482

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ist, ergiebt sich aus folgender Stelle des von Herrn
Professor Tuaillon unter dem i 6. September dieses Jah-
res an mich gerichteten Briefes, dessen Inhalt Sie laut
Ihrer nunmehrigen Erklärung mitvertreten wollen:
„Die Errichtung dieses Hindenburgs ist aber auch eine
internationale Blamage, und wir können Gott danken,
dass in diesem Augenblick keine Fremden in Berlin
sind, es wäre schwer, sich gegen das Prädikat ,Barbar'
zu verteidigen."

Herr Professor Tuaillon unternimmt es also, in An-
wendung auf den vorliegenden Fall das Ausland für
berechtigt zu erklären, das Wort „Barbar" gegen
Deutsche zu gebrauchen, das Wort, welches von unseren
Feinden zum Zwecke der Niederringung Deutschlands
erfunden ist und welches uns auch im neutralen Aus-
lande unermesslich Abbruch gethan hat. Bevor diese
Äusserung zurückgenommen wird, sehe ich mich zu
irgendeiner Fortsetzung der Erörterungen ausserstande.
Ich muss aber auch sonst dringend bitten, sich von nun
ab an die Stellen wenden zu wollen, welche das Unter-
nehmen führen und die Errichtung des Denkmals be-
sorgt haben. Der Magistrat zu Berlin und im besonderen
meine Person sind, wie bereits erwähnt, dabei unbeteiligt,
und nur weil ich die an mich gerichteten Bemerkungen
des Herrn Professors Tuaillon vom allgemeinen Stand-
punkte aus unmöglich ohne Erwiedrung lassen konnte,
habe ich überhaupt das Wort ergriffen.

Hochachtungsvoll
ergebenst

Wermuth
Wirklicher Geheimer Rat

An den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Berlin
Exzellenz Dr. Wermuth

Auf Ew. Exzellenz Schreiben vom i. io. nehmen
die Unterzeichneten Kenntnis von der ausdrücklichen
Erklärung, dass der Magistrat vonBerlinundimbesondern
Ew. Exzellenz persönlich an der Errichtung des Hinden-
burgdenkmals unbeteiligt sind, und werden im weiteren
Verlauf der Angelegenheit diese Erklärung gebührend
berücksichtigen.

Da jedoch Ew. Exzellenz in Ihrem ersten Briefe an
Professor Tuaillon, der unserm Vorgehen zugrunde

liegt, die Verantwortung für das Denkmal „freudig"
übernommen haben, ferner aber wegen des sonstigen
Inhaltes von Ew. Exzellenz Schreiben vom a. io. halten
wir es für notwendig noch Folgendes dazu zu sagen:
Der von unsern Feinden gegen uns erhobene Vorwurf
der Barbarei ist absolut ungerechtfertigt, lügenhaft oder
lächerlich, soweit er sich auf das Gebiet der Zivilisation
bezieht. Relativ falsch ist er auch in Fragen der Kultur.
Es sind vielmehr grade in Deutschland, und fast nur
hier, erfreuliche und vielversprechende Ansätze zu einer
Veredlung der öffentlichen Kunstpflege seit Jahr-
zehnten bemerkbar, die, folgerichtig fortgeführt, prak-
tisch sowohl wie erzieherisch zu schönen Hoffnungen
berechtigen.

Dieses Bewusstsein kann uns jedoch nicht von der
klaren Erkenntnis befreien, dass noch unendlich viel zu
thun übrig bleibt und dass, im Thun wie im Unterlassen,
nichts versäumt werden darf, wenn wir auf dem Gebiete
der Kultur einen Hochstand erreichen wollen, der dem
unserer Zivilisation auch nur annähernd entspricht.

Die Neigung der künstlerisch unerzogenen Masse
ging von jeher in der Richtung des Seichten, Bequemen
und Trivialen.

Der zähe Kampf der Künstler und Kunstfreunde
gegen unzählige und schwer bewegliche Hindernisse
ist deshalb an sich schon so hart, dass sie des thatkräftigsten
und eifrigsten Beistandes grade der Behörden nicht nur
bedürfen, sondern ihn fordern müssen und können.

Am allerwenigsten aber können sie in diesem Kampfe
auf unklare und konventionelle Empfindlichkeiten
Rücksicht nehmen; es bestand deshalb für keinen von
uns irgendein Grund die Errichtung dieser scheusslichen,
jedem künstlerischen Empfinden ins Gesicht schlagenden
Statue zu dem an sich schon, besonders auf Bildnisse
Lebender angewendet, typisch „barbarischen" Zweck
der Benagelung anders denn als das zu bezeichnen, was
sie im allereigentlichsten Sinne ist, als eine „Barbarei"
schlimmster Sorte.

Wenn Ew. Exzellenz es ablehnen, eine Erörterung
fortzusetzen, weil wir das Ding beim Namen nennen,
so können wir das bedauern, es kann aber weder an
unserer Ansicht noch an der Sache selbst das Aller-
geringste ändern.

Gaul, Lederer, Klimsch, Kraus, L. Cauer.

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