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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

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Heft 1 (Januar 1922)
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Kolb, Gustav: Rückblick und Ausblick
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0002

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Deutsche Blätter ^ür Aeichen-^unst- und Werkunterricht

Zeitschrift des Neichöverbandes akad emkscher Zeichenlehrer
des Nekchsverbandes akademkscher Zekch enlehrerinnen

Derantworllkch für dle Schristleitung: profeffor Gustav Kolb, Göpplngen
Verlag und Anzeigenannahme: E. A. Seemann in Lekpzig, Hospitalstraße 11 n - Druck: Rudolf Gerstacker, Leipzig

2. Jahrgang_ Ianuar 1922_ Heft 1

Inhalt: Rückblick und Ausblick. prof. G. Kolb. — Der zelchenwlffenschaftllche Studkenrat. prof. G. Kolb. —
RhythmischeS Gestalten. Alexander Müller, Lichtenberg. — Umgestaltung deS ZeichnenS eine Kulturaufgabe. I. B. Dietl,
Münnerstadt. — Archktektonlsche Ornamente im Lichte deS VolkSglaubenS. Rudolf Maschkau, Leipzkg. — Wir Zeichen-
lehrer und der ÄrbeitSunterricht. Severin, Katernberg. — Umschau. ^^Vuchbesprechungen..

Das Iahr 1921 wird in der Geschkchte des deut-
schen Zeichenlehrerstandes als ein Unglücksjahr ge-
bucht werden müffen. Die Reichsbesoldungsordnung
brachte uns nicht nur keinen Fortschritt, sondern dke
bittersten Enttäuschungen. Nicht nur, daß unsere
Amtsgenossen in preußen die ersehnte, sachlich ge-
rechtfertigte Einstufung nicht erringen konnten, man
will auch — wenn es nach dem Willen des Reichs-
finanzministen'ums geht — alle anderen' deutschen
Zeichenlehrer (mit Ausnahme der Bayerns) auf dle
Eingangsstufe von Gruppe VIII herabdrücken. Wann
diefes Heft !n die Hande unserer Leser gelangt, ist
schon die Entscheidung des Neichsschiedsgenchts
gefällt, dke dieses Drama, kn dem wir die
Leidenden sind, vorläufi'g zum Abschluß bringt.
Baden ist eingestust nach Klasse 8 und 9, für
Württemberg ist das glekche beantragt, dke Ab-
stkmmung lst aber vertagt worden. Die bei sol-
chen Entscheidungen mitwirkenden amtlichen, Stellen"
haben wahrscheinlich keinen Begriff davon, wie es
auf die Seele der Betroffenen wirken muß, wenn
Nechte, die sie in den letzten Iahrzehnten nach hartem
leidvollem Kampfe errungen hatten, m!t einem Feder-
strich weggefegt werden. Wie das gerade heute wirkm
muß, da die Gehälter sowieso kaum für das Not-
wendigste an Nahrung, Wohnung und Kleidung
ausreichen und — das Schmerzlichfte von allem —
der Beamte und Lehrer zusehen muß, wie bald
nur noch Schieber, Wucherer und Spekulanten ihre
Kinder ausbilden lassen können!

Daß sich des deutschen Zeichenlehrerstandes bei
solchem unverdienten Unglück ekne tiefe Nlederge-
schlagenheit, ja Hoffnungslosigkeit bemächtigt hat,
die überaus lähmend auf die Arbeltöfreude wirkt,

kann nkcht wundernehmen. Wir haben auch keine
Ursache, dies hier zu verschweigen, um so wenkger,
als vielleicht keine Stelle im Neichsverband so wie
dke Schriftlektung Gelegenheit hat, die Stlmmung
der Amtsgenossen in den vcrschiedensten Teilen deS
Nekches kennen zu lernen. Kürzlich schrieb mir einer
unserer geistig Regsamsten: »Wir bringen gegen-
wärtig weder Lust noch Kraft auf, an den geistigen
Fragen unseres Berufes mitzuwirken/

Und doch, meine lieben Amtsgenossen! Es wäre
gerade jetzt gefährlich, wenn wir uns solchen läh-
menden Sttmmungen hingeben würden. Vkelmehr
bedürfen wkr mehr denn je unserer ganzen Befonnen-
heit und gesunden Tatkraft, um aus der schwieri-
gen Lage, in die unser Stand ohne elgene Schuld
geraten ist, möglichst bald wkeder herauszukommen.
Gerade jetzt müssen wir unsere geistigen und mo-
ralischen Kräfte verdoppeln. ,In FährSen und in
Nöten zekgt erst der Mann sich echt," sagt unser
schwäbischer Dichter. Gerade jeht ist es nötig, daß
jeder von uns seinen Mann sowohl als Lehrer wie
als Standesgenosse stellt. Neben sachlich ruhiger
Berufsarbeit, treuester pflichterfüllung und Hingabe
des Einzelnen im Dkenst der Iugend und des Volkes,
kann nur charaktervolles und besonnenes, einmütkges
und geschlossenes Eintreten für die gemeinsamen
Ziele uns fördern.

Was ist nun vor allem zu tun?

Zunächst muß die Kernfrage aller Fragen
gelöst werden: die Vorbildungsfrage. Von
ihr HLngt die Lösung der meisten anderen Fragen
ab, nkcht nur der Unterrichtsfragen, sondern auch
der sozialen und wirtschaftlichen Fragen unseres
 
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