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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

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Heft 5 (November 1922)
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Gutman, Emil: Etwas über Technik, Material und Farben der mittelalterlichen Miniaturen
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Gutman, Emil: Die Darstellung des universellen Differentiationsprinzips in der bildenden Kunst als Beispiel historischer Einheit von Wissenschaft, Kunst und Religion
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0101

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216

den Merowlngern und bei den Iren war es ganz
unbekannt, erst unter Karl dem Grostcn verursachten
seine Beziehungen zum Orient auch die Berwendung
von Gold und Silber, aber nur in einfacher Ver-
goldung mit Blattgold oder in pulverform. Erst
unter seinen Bachfoigern wird eine dünne Unker-
lage zur Herstellung von Glanz- und Reliefgold ver-
wendet. Die Methoden der Reliefgoldmalereien sind
schwer klarzustellen. Ein Erfolg bei eigener Arbeit
kann nur nach langja'hrigen, äußerst mühsamen
Bersuchen eintreten, wenn nicht, wie dies im Mittel-
alter der Fall war, der Lehrer dem Schüler seine
Erfahrungen an der Hand von Ubungen mktteilt.

Eine Malerel mit Deckfarben auf ganzer Gold-
flache kommt nur kn frühen Beifpkelen vereinzelt
vor und nur bei Anwendung von Blattgold,- meist
und später allgemein wurde die zu vergoldende
Fläche ausgespart und wo die Vergoldung mit
Blattgold geschah, tritt diese häufig über den Rand
und dann ist die aufgemalte Deckfarbe teilweise ab-

geplatzt. Neben den schönen Vergoldungen der lta-
lienischen Nenaifiance wird dieses Verfahren schon
häufkg verlassen und durch Einmalen von mattem
oder schwach poliertem Gold ersetzt. Diese Sitte
greift im 16. Iahrhundert immer mehr um sich und
mit dem Aufhören der Buchmalerei geht diese schöne
Technik im 1?. Iahrhundert ganz verloren. Bemerkt
sei noch, daj; in früherer Zeit allgemein und auch
später kn Deutschland meist Iktrongold (messing-
farbenes) sehr selten, dagegen Dukatengold(Rotgolö),
in Frankrcich aber eine Mischung von beiden, die
auch heute noch von dort zu Malzwecken kn den
Handel kommt, verwendet wurde.

Unter den verschiedenen relzvollen MaltechnkkeN
des Mittelalters darf auch dke feit der Hohenstaufen-
zeit aufkommende und in der italkenischen Renaissance
besonders vollendete Abschattierung der Deckfarben
mit arabischem Gummi nicht vergessen werden.
Aus Nr. 1/2 1921 der Zektschrkft des Deut-
schenVerekns fürBuchwesenund Schrkfttum.

Die Darftellung des universellen Difterentiationsprinzips in der bildenden
Kunst als Beispiel historischer Einheit von Wijsenschast, Kunst und Religion.

ES kst unbestritten, daß dke Kunst nicht ein produkt
des Reichkums und des Uberflusses, sondern eine der
Drganisation des Menschen gemäße Art der Aufierung
seines Geistes ist. Die Kunftform kann also als das
anschaulich ekngekleidete Vorstellungsbild des allge-
mein-menschlichen Bewußtseins aufgefaßt werden.
Dcr ursprünglkche Grund zu ihrer Gestaltung lkegt
in der naturgegebenen Anlage des menschlichen Geistes.

Den drei Grundfunktionen des Trkennens,Fühlens
und Wollens entsprechen die drei Triebe der W i ssen-
schaft, Kunst und Religion,- als den Urkekmen
des menschlichen Lebens sind ihnen die ekgentümlichen
Erscheinungen aller menschlichen Kultur entsprungen.

Angesichts dieses Zusammenhanges wird also kn
den Taten des menschlichen Geistes zur Befrkedigung
seines Erkenntnis- und Außerungsdranges auf allen
drei Gebieten eine Einhekt bestehen müssen, von welcher
hier ein anschauliches Beispiel gegeben werden soll.

Heute in einer Zelt geistkger Zerrissenhekt stehen
auf weiten Gebieten wissenschaftliche und künstlerische
wie religiöse Erkenntnisse in eknem von manchen tief
empfundenen Gegensatz, anftatt, wte es natürlkch
wäre, eknander gegenseitig zu bedkngen und zu durch-
dringen. Die nachteiligen Folgcn dkeses Mangels
für unser gesamtes Kulturgebiet, namentlich aber für
dke künstlerische Kultur unserer Zeit, liegen deshalb
auch offen zu Tage. Die Kunst der Gegenwart baut
fich nicht mehr auf ekner zeitgetragenen, einheitlichen

Weltanschauung auf,- ste hat so dke geheimnisvolle
VerbindungmitdemLebender einheitlkchenMenschen-
und Volksseele zu einem großen Teil verloren.

Die hiftorische Kunst als wahre, echte, lebensvolle
Kunst ist vom Menschen aus an die Kunstform
herangetreten. Als lebendige Gestaltung hat ske nach
den gleichen einheitlichen Gesetzen aller menschlichen
Betätkgungsweisen im gesamten Denken, Fühlen und
Wollen ihre Werke aufgebaut. Sie ahmte als Offen-
barungsform dcs geistig-seelischen Gestaltungspro-
zesses nicht nur die Dinge nach, sondern sie offenbarte
das Wesen derselben so, wie es sich der geistigen
Organisation des Menschen darstellen muß. Indem
sie sich auf die weltbeherrschenden Gesetze der Ge-
staltung in ihrer weitesten Allgemeinheit gründete,
verlkeh sie ihren Werken für die Seele und das
GefühlanschaulicheFormundsknnenfälligenAusSruck.

Um den Nachweks hterfür zu erbringen, wählen
wir ein Beispiel, das uns dke Elnheit historisch-
künstlerkscher Gestaltung mit den wissenschafilichen
und religiösen Erkenntnksformen in besonders auf-
fällkger Weise zekgen kann. Es soll dargelegt werden,
welche Darstellung das allgemeingültige Grundgesetz
der Gestaltunterscheidung in der bildenden Kunst
hlstorischer Zeiten gefunden hat, und wke damkt ekne
vollkommene Einheit der künstlerischen Formung mit
den wissenschastlichen und religiösen Erkentnissen ge-
geben war.
 
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