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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

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Heft 3 (Mai 1922)
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Wunderlich, Theodor: Die pädagogischen Kernfragen der Neuzeit und der Zeichenunterricht
DOI Artikel:
Schlosser, Karl: Die Werkarbeit in der höheren Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0059

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Em ganz wesentlicher Anstoß zur Förderung der
Kunsterziehungsfrage ist zwcifellos der Erlaß des
präsidenten des hessischen Landesamtes für das
Bildungswesen, Dr. Strecker. Nach demfclben
sollen alle Fächer, insbesondere Neligion, Deutsch,
Geschichte und Erdkunde grundsählich die Wirkung
des Kunstverständniffes mit zur Aufgabe haben,
um auf Veredelung des Seelenlebens und
auf die Stärkung des sittlichen Eharakters der
Iugend hinzuwirkcn. Die nahe Verwandtschast
von Kunst und Nelkgion ist hervorzuheben. 2n der
Geschichte sollen die einzelncn Künstlerpersönlichkeiten
in ihrem Kulturzusammenhang erklärt werden. 2um
Unterricht im Zeichnen sollen Nbungen imModellieren

Die Werkarbeit Ln

Karl Schloss

hinzutreten, vor allem ist hicr eine gründliche Durch-
bildung des Verständnisses für die Formnormen
kns Auge zu fassen, beim Handarbeitsunterricht
der Mädchen zugleich die Bildung des Geschmackes.
Wünschenswert sind eknzelne Besprechungen von
Kunstwerken. Ausflüge sollen weit mehr als bksher
unter den Gesichtspunkt der heimatlichen Kunst-
pflege gestcllt werden. Ebcnso ist unter sach-
männischem Nat auf künstlerische Ausschmückung
der Schulhäuser und Schulräume zu sehen. So
gestaltet sich dieser Erlaß zu einer Zusammenfaffung
aller der Forderungen, welche in der Veuzcit wieder
und wieder von den verschiedensten Seiten erhoben
worden sind.

der höher-en Schule.

? r, H a l l e a. S.

Von den auf der Reichsschulkonferenz behandelten
Fragen sollten wir Zeichenlehrer uns besonders mit
der Arbeit des 7. und des 5. Ausschusses beschäfiigen.
Die im 7. Ausschuß über Kunstunterricht aufge-
stellten Leitsätze sind recht bedeutungsvoll und unter-
ftreichen Forderungen, die die Zeichenlehrer verbun-
den und die Kunsterziehungstage schon vor einem
Menschenalter erhoben haben. Wir haben es stets
als einen betrübenden Mangel empfunden, daß die
Schule an dem hohen Bildungsgut der deutschen
Malerei und plastik fast achtlos vorüberging. Wenn
wir uns die Erncuerung des heutigen Schulwesens
vor Augen halten, darf es uns allerdings kaum
wundern, daß die rein bildende und die an-
gewandte Kunst ekne solche Aschenbrödelstellung
einnehmen. Neben dem Eindringen der Natur-
wiffenschasten war es die industriell-technische Ent-
wicklung, die im verflossenen Iahrhundert zu einer
schärferen Gliederung in Realschulen, Realgymnasien
zwang. Aus den gleichen Ursachen erwuchsen die
Mkttelschulen und die zahlreichen technischen Bil-
dungsanstalten. Und doch sind in der Vergangen-
heit und in der Gegenwart die beiden Schwestern
der Schönheit, die Form und Farbe die stolzesten,
sinnfälligsten Ausdrucksformen, die reinsten und
eigensten Künöer völkischer Art, deutscher
2nnerlichkeit und Liebe. Was auch der Geist
durch das Wunderwerkzeug, durch die Hand zur
Form erweckte, das Kleinste und das Größte, die
Bauten und ihre Näume, die Geräte, Schmuck und
Tand predigen von deutscher Art, von dem Schaffen
aus dem Inneren heraus, aus dem sinnigen deutschen
Gemüt, wke es stch im Volkslied und !m Märchen
wiederspkegelt. Von Handwerkerfleiß und Hand-
werkerkunst, von festem, starken Wfllen. Was die
Väter machten und mit kunstfertiger Hand erschufen,

was alter Sinn in neuer Form uns heute
kündet, was aufs Neue als Eigener deutscher
Gestaltungskrafi hochbahnend sich regt und tätigt —,
das ist ein Bildungsgut, das die deutsche Schule
nicht länger missen kann. An all den Schulen, die
geprüfie Zeichenlehrer haben, ist schon heute dke Ver-
wirklichung der Leitsätze des 7. Ausschuffes, der
einen Kunstunterricht fordert, in gewissem Umfange
möglich. Man gebe uns entsprechend der dritten
Turnstunde für Körperkultur die dritte Zeichenstunde
für kunstlerische Unterweksungen.

Wenn nun der 5. Ausschuß nach dem Leitsatz 56
den Werkunterricht als selbständige Werkstattarbeit
getrieben wissen will, dann dürfie in der praxis,
namentlich der höheren Schule eine stetige Wechsel-
bezkehung zum Kunstunterricht nicht nur wünschens-
wert, nein, unerläßlich sein. Leider sagen die Leit-
sätze nichts über den Inhalt der Werkarbeit.
Man wird das Gefühl nkcht los, daß eS sich ein-
fach um die Vermittlung einer gewissen manuellen
Fertigkcit handelt. Etwas deutlicher wird das Bild,
wenn wir den zweiten Neferenten, prof. Kühnel,
Leipzig, über das Thema Arbeitsunterricht im 5. Aus-
schuß hören: „Es muß jedem Zögling dic Mög-
lichkeit dcr körperlichen Arbeit gegeben wer-
den und die Erwerbung einer seinen Kräften und
dem hauswirtschastlichen Bedürfnis angepaßten Tech-
nik, einer Handgeschicklichkeit, die nicht nur kräftig
und feinfühlig den Stoff bearbeitet, sondern Sie stch
jederzeit auch der Gründe, der Zwecke und der
Folgen ihres Tuns bewußt lst, die ästhetischen und
ökonomischen Gesehen gehorcht, die — kurz gesagt —
vergeistigt erscheint/

„Dazu macht sich nötig, daß auf allen Stufen
der Volks- und Oberschulen dieWerkarbeit als
verbindliches Unterrichtsfach eingeführt
 
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