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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

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Heft 2 (März 1922)
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Krieger, Karl Ludwig: Handwerkliche oder zeichenwissenschaftliche Ausbildung?
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Kolb, Gustav: Entgegnung des Schriftleiters
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0031

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noch nkcht ganz. Wkr sehen also aus allem, daß das Wort
„3ekchenwissenschast" als Sammelbegrkff für die gesamten
Kenntniffe Ves Zeichenlehrers, die Asrhetik, Kunstgeschtchte,
Geschmacks-, Gestaltungs-, Formen- und Farbenlehre,
Perspektive, Schattenkonstruktion,Werkunterricht und Fach-
zeichenlehre u. dgl. sowie als l.!nterscheidungsmerkmale der
psychologie und pävagogik des Zeichnens und Gestaltens
von der allgemeinen Psnchologie und pädagogik durch-
aus nicht aus unsauberen, ausdringlkchen Motiven, son-
öern aus sehr nüchternen und edlen Bestrebungen heraus
entstanven ist und dast die Ertüchtigung und der Aus-
schwung unseres Stanves und Wirtschaftslebens tatsach-
lich von Vieser neuen Wissenschaft erwartet werSen kann.

. *

Entgegnung des Schrkftlelters.

Dle Aussührungen unseres Amtsgenossen Krkeger er-
fordern, um Mißverständnisse zu oermeiden, einige Bei-
worte Ves Schriftletters.

Wenn ich kn meiner Darlegung (Hest 1,1922) zunächst
die Frage aufwerfen mußte: Was versteht K. unter
„Zeichenwiffenschaft"?, so ist er selbst schuld. 2n seknem
„Ausoildungsgang" (Heft 6, 1921) trennt er Asthetik,

I Kunstgeschichte, Anatomke, Perspektkve und Schattenkon-
> struktion, die Farbenlehre Ostwalds, psychologie und ep-
I perimentelle psychologie ausdrücklich von »Zeichenwiffen-
! schast". Heute erklärt er uns, daß dke Gesamtheit der
s theoretischen und praktkschen Disziplinen des Zeichenunter-
richtS wie pädagogik, psychologie, Geschichte, Methodik,
sosern sie «atsächlich aus den Zeichenunterricht angewendet
werden, alS ,3eichenwiffenschafst zu bezeichnen sind". Am
Schluß seiner Erwiderung erweltert er dkesen Begriffs-
knhalt noch wesentlkch und sammelt weiter in ihm »die
gesamten Kenntniffe Ves Zeichenlehrers: Ästhetik,
Kunstgeschichte, Geschmacks-Gestaltung, Formen- und
Farvenlehre, Perspektive, Schattenkonstruktion, Werk-
unterricht, Fachzeichenlehre u. dergl. Während er nun
hier die Kunstwissenschast seiner „3eichenwissenschaft" ein-
verleibt, erklärt er wekter oben: „Ebenso habe ich an
anderer Stelle dke Grenzen der 3eichenwkffenschaft be-
sonders hinsichtlich der Kunstwiffenschaft umschrieben".
Und noch weiter schränkt er seinen Begriff ein, wenn er
von seiner Fehler- und Typensammlung von Schüler-
zeichnungen sagt: »Dkese Sammlertätkgkeit ist ekne
zeichenwiffenschaftliche und ihre Gesamtheit ist Vke Zeichen-
wiffenschaft" Aus diesen vier verschiedenen Auslegungen
in einem Aussähchen muß Voch jeder Leser den Eindruck
gewinnen, daß sich K. selbst noch nicht klar ist, was er
unter „Zeichenwiffenschaft" verstehen will. Eigene Klarheit
kst aber unbedingte Voraussehung, ehe man an andere mit
Forderungen herantritt.

Mag er nun aber in den Begriff,3eichenwkffenschaft"
hereinnehmen, was er will,-jedenfalls wird diese Bezeich-
nung schon deshalb lmmer irresührend und unzutreffend
sein, wekl es stch beim heutigen 3eichen- und Kunstunter-
richt nkcht nur um 3eichnen handelt, sondern um das bild-
hafte Geskalten kn seknen oerschiedensten Ausdrucksformen
(also neben 3eichnen, Formen, Malen, Schneiden,
Basteln u. dergl.).

Llbrigens ist schon die Fragestellung in seiner heutigen
llberschrift irresührend. Es hat sich be! meinen Dar-
^ legungen nkrgcnds um Ven Gegensah von »zeichenwiffen-
! schastlicher und handwerklicher" Äusbildung gehandelt.
Ich habe die NotwenSigkeit der wissenschastlichen Aus-

.. .. -. 1^9

bildung dsr Lehrer des Zeichen- und Kunstunterrkchts von
jeher vertreten. Wir befinden uns also >n diesem punkt
kn ersreulicher blbereinstimmung. 11ns trennt, wie ich
sehe, zunächst seine Nberschätzung der »3eichenwiffenschaft".
Denn ich erachte — um es nochmal zu sagen — die Ent-
wicklung der gestaltenven Kräfke für Vas Grundlegende,
was der Lehrer des Gestaltens haben muß. Ersk in
zweiter Linie kommt dann die Kenntnis der
pädagogischen unv andcren tzilfswissenschasten, die
man von jeden Lehrsr fordern muß. Die Gegensätze in
Viesem Punkt sind nun allerdings keine scheinbaren, wie
K. meint, sondern grundsätzliche, sie stellen eine vollständig
verschisdene Auffaffung unserer Äusgabe dar. K. erstrebt
dsn kntellektualistischen Lehrertypus, den „zekchenwiffen-
schaftlichen Studienrat", der den wissenschastlichen Lehrern
glekchkommt an begrifflicher Wissenschaftlichkeit, wir — ich
fühle mkch hier mit der Mehrheit unserer Amtsge-
nossen einig — wollen den künstlerisch-schöpferischen Lehrer-
typus, der fähig ist, dke Ärbeit der wiffenschastlichen
Lehrer an der Iugend, wke schon oft hervorgehoben wurde,
nach der praktisch-sinnlichen, nach der anschaulich-denkenden
und namentlich nach der künstlerisch-geftaltenden Seite zu ,
ergänzen. Wir können uns deshalb auch mit Ostwald /
durchaus nicht eknverstanden erklären, wenn er „dke ent-
schlossene Eknstellung der Zeichenlehrerschaft auf die wissen- s
schastlkche Grundlage anstelle der künstlerischen" fordert.
So darf die Gegenüberstellung nicht lauten. Würde
man dann überhaupt noch eines künstlerisch vorgebildeten
3eichenlehrers bedürsen?! i

Mit dieser Seite der Krkegerschen Auffaffung hängt
auch seine llberschähung der begrifflichen Forschungs- /
methoden zusammen. Ein Schulbeispkel dafür ist seine -!
„völlig unparteiliche Merkmallehre". Siekt K. denn nicht, l
Vaß man mit solchen Mlkteln, wie seine „Tätigkektskurven <
der Lehrberufe der häheren Schulen" darstellen, im
Grunde genommen nichts beweisen kann? Iede andere
Lehrerkategon'e kann andere, beliebkg vkele „Tättgkeits-
reihen" aufstellen und Gegenbeweise liefern. Wie schlecht
könnte dann z. B. unsere Arbelt neben den „Tätigkeits-
kurven" öer Sprachlehrer daskehen!

Sodann srperimsntelle psychologie!

Gewiß, ich anerkenne khren Wert und weiß aus ekgener
Erfahrung, daß sie unentbehrlich ist zur 'Klärung der
Gnindlagen, auf denen wir aufbauen müssen. Aber man
soll auch sie nicht überschähen. llber ihr fteht jedenfalls
Vie intiutive Erkenntnis, Vie „innereOffenbarung"(Göthe),
pestalozzi, den wir Ven Vater dcs heutigen Zeichenunter-
richts nennen könnnen, kam auf rein intuitivem Weg >
zu der Erkenntnis, daß 3eichnen Vie Aweite nakürlkche !
Sprache dcs Menschen ist. Dem Innerli'chsten und
3artesten öer KinVesseele kann man mit den sogenannten !
e.rakten Methoden des begrifflkchen Denkens und Analy- '
sierens doch nicht näher kommen, ebensowenig den Ge-
heimniffen des Schöpfcrischen im Menschen. Mit Meffen,
Zählen, Wägen, drkngen wkr nicht ln das Wesen dieser
„heiligen Dinge" ein, wir ritzen sie höchstens an Ver
Rinde. Einer unserer Amtsgenoffen schrieb mir km 3u-
sammenhang mit Vem Kriegerschen Vorbildungsplan:
„Wi'r hatten seither ein Geschlecht von klugen Menschcn
und Befferwiffern herangebildet, ein Geschlecht, dem
dauernde Ehrfurcht vor dem Höherem dem nicht gedank-
lich Erfaßbarem abging. Das aber kann man nicht mit
punktzahlen erfaffen, wie man öke llmdrehung einer
Maschine errechnet oder aber wie man die Lcistungen
eines Sportkampfes mißt. 3ur Kunst gelangt man nur
Vurch den Schöpsungsprozeß".
 
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