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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

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Heft 4 (September 1922)
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Krieger, Karl Ludwig; Mueller, A.: Tagung des Reichsverbandes akademisch gebildeter Zeichenlehrer in Berlin
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Henselmann, G.: Über Kinderzeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0070

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186

gabe des Z.-U. sein, weil er Vorhandenem, Inne-
rem, stets neue Formen, suchendem Leben zum
Lichte verhelfen muß. Fede intellektuelle Einstellung
ist daher störcnd.

Die Aufgabe des Zeichenlehrers ist ekne unge-
heuer große. Er muß nicht nur selbft gestalten
können, sondern auch viele Gcbiete des menschlichen
Lebens geistig durchdringen. Eine umfassende ver-
innerlichte, nicht wifsenschaftliche Bildung, ist hker-
für Voraussetzung, damit er imstande ist, die an
ihn gestellten Forderungen nach ekgener Verant-
wortung sclbständig zu lösen. Kckne wissenschaftlich-
psychologischen Methoden können ihm das ver-.
antwortungvolle eigene Handeln während seiner
Arbeit abnehmen. Als reine Geistesarbeit braucht
sich der Z.-U. nkcht einen seinem Wesen nach fremden

wissenschaftlichen Mantel umzuhängen. Da khm die
psiege eines eminent wichtigen menschlichen Eriebes
anvertraut ward, darf er für sich volle Anerken-
nung neben den übrigen Betätigungsgebieten fordern.

Sollte der Z.-U. einer falschen Einstellung der
Zeit entsprechend der Berwissenschastlichung anbeim
fallen, so gibt er damit seinen Geist auf, er sinkt
dann zu einer äusierllchen Ubung für einen mehr
oder weniger materialistischen Zweckwert, der einen
großen Kulturgedanken begraben kann.

Solange aber ein geistiger Fortpflanzungstrieb
uns beseelt, werden auch nerie Kekme in die Zu-
kunft ragen, die ein Kunstempfinden aufblühen
laffen.

A. Müller, Lichtenberg.

Nber Kinderzeichnungen*) ^ ^ ^

Alles verlaufe naturgemäß,

Fern bleibe ven Dkngen Ver Zwang.

(Comenius.)

Bor Kinderzeichnungen soll nicht von Kunst
gesprochen werden. Dem Kind sind es Nieder-
schriften, in denen es von Sonne und Mond sagt,
von Baum und Der, von Märchen und Spiel,-
Dinge, die es umgeben, in denen es lebt, die ihm
die Iugend ausmachen. Ts kann khnen durch die
Sprache kaum eine Form geben,- das ekndnngliche
Wesen der Farbigkeit muss helfen, das innerlich
und äußerlich Geschaute zu gestalten. Wie es mit
der Zuppe spkelt oder dem Baukasten, so tastet es
sich voll ernster Freude von der Farbigkeit des
Malkastens auf das Papier.

Ob es nun die Puppe in die Wiege legt, kn
Vorahnung des Mütterlichen, oder Bauklöhchen auf
Bauklötzchen türmt, in Vorahnung des strebenden
Mannes, oder ein Blatt bis zum Rande mit
Formen und Farbe füllt, es ist immer Drang,
dessen Grenzen und Gesetze im Kinde liegen,- ein
Drang, der spielend schafft, aber kein Spiel ist,
ein Spiel, wie es die Alten nehmen, weil das
Kinö sich ganz hingibt. Was es so bildet, ent-
springt in ihm.

Die Alten skehen also hinter ihm, aber nicht
über ihm. Es mutz seine Krast ausstrahlen, ohne
durch fremde Geschicklichkeit beengt und unfrei ge-
macht zu sein. Das Kknd ist Subjekt. Es hat
seinen eigenen innercn Reichtum, in seinem Schaffen
seine eigene Schönheit, sein eigenes Gesetz, das
ihm die Welt voller Bilder baut. Und stirbt
heutc ein Kind, so nimmt es ein abgeschlossenes
Bild seiner Welt mit sich.

Es kann in diesem engen Rahmen nur ein
kleines Bild des Kinderreichtums, nur eine kurze
Andeutung des methodischen Weges gegeben werden.
Drei Gruppen von Blätter umspannt diese Samm-
lung, die zeigen:

1. Darstellungen aus der Vorstellung des Kindes,-

2. Darstellungen von Gegenftänden, die das Kind
aus seiner blmwelt aufnimmt,-

3. Ornamente.

Sie sind alle im Unterricht des sechsklassigen
Realprogymnasiums Säckingen entstanden, ohne
Mkthilfe des Lehrers. Zwei Drittel der Kinder
kommen vom Land.

In den Darstellungen aus der Vorstellungs-
krast ift der methodksche Weg gegangen: Es ist
angeknüpst, an das die Kinder augenblicklich Be-
wegende, an das, was im Mittelpunkt ihres Er-
lcbens steht (Zirkus, Zäger, Gärtner, Küche). An
die Fefte des Kalenders, an ihre Tätigkeit auf dem
Feld, auf der Weide. (Fastnacht, Ostern, Kirch-
weih, Nikvlaus, Weihnachten, Sämann, Obsternte,
Viehweide, Heuernte, Kartoffclernte.) Auch der
Deutsch- und Geschichtsunterrkcht sind stofflich ver-
wendet worden (Märchen, Sagen, Roland, Bel-
sazar, Taucher, König Karls Meerfahrt, Aus-
wanderer, Des Knaben Berglked).

Das Kind offenbart sich nur ganz, wenn die
Hemmungen überwunden sind, die es mitbringt.
Wo die ermunternde Hilfe des Lehrers anseht,
wie weit sie gehen darf, liegt im Gefühl des Lehrers.
Anfangs hütet das Kind seine Viederschriften als

*) Dieser Aufsatz wiirve vom Verfafser selner Saminluna von Kinverzeichnungea beigegcben, Vie in Ver Maan-

heimer Ausslelluna ,,Der GeniuS !m Ki'nde" so aroke LZeamtuna fanden llieke xun>t unv -ugenv 1^21, Z>.
 
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