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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

DOI issue:
Heft 4 (September 1922)
DOI article:
Mueller, A.: Der Zeichenunterricht - Gestaltender Kunstunterricht
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Krüger, Anna: Die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung des Werkunterrichts für die höheren weiblichen Bildungsanstalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0076

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192

Lernen haben kann. Wohl mag in gemeinsamer
Arbeit die starkere Gestaltungskrast des einen be-
fruchtend auf den anderen wirkeN/ aber nur wenn
gleichzeitig eine geistige Einwirkung stattfknden kann,
etwa durch knnercs Skchverstehen und Helfen der
Scküler untereinander. Eine Nachahmung äußerer
Formen kann nie echte Früchte zeitigen, weil dcr
Geisteszustand dcs Nachahmenden nicht dcr Reife
der nachgeahmten Formen entspricht. Was nützen
da alle Typen und Fugenddiagramme? Die viel-
fache Zusammenschließung junger Maler zu Maler-
^ kolonien mag uns hier als Beweis dienen, wie eine
! geistige Einwirkung stattfinden muß, wenn eine Ge-
! staltungsanregung gesucht wird.

^ Auch in den Kindern selbst skeckt ein gesunder V
Trieb, stch in gemeinsamer Arbeit gegenseltig zu
! helfen. Diese, fälschlich als Unart angesehene Neigung
! muß der Arbeitsunterricht für sich nutzbar machen.

Dieser geistigen Art kst auch die Arbeit des Lehrers,
dem der Arbeitsunterricht das Lehren von Er-
fahrungen abnimmt. Ihm erwächst die größte und
schwierigste Aufgabe dadurch, daß er jeden Schüler
zu der Arbeit führt, dke ihn am stärksten bereichert.
Ferner muß er ein außerordentlich feines und sicheres
Gefühl besttzen, um das Schauen öer Schüler frei-
zumachen von Hemmungen und das Gefühl zu
lockern. Dies sind Aufgaben, dke einen Verglekch
mit denen, des mit Wissensstoff beladenen Ober-
lehrers schon aushalten können, denn sie machen
Anspruch auf eine persönlichkeit von umfassender
und dabei verinnerlichter Bildung. Der Lehrer des
Gestaltungsunterrichts muß viele Gebkete des mensch-
lichen Lebens durchdringen, nicht zu dem Zweck,
Wissenstoff in sich auszunehmen, sondern um seine
gestaltenden, geistigen Kräfte zu möglichster Klarheit
und Schärfe zu erziehen. Dies ist das Rüstzeug,
um seiner verantwortungsvollen Aufgabe, den
Schülern gegenüber gerecht zu werden. Keine
psychologksch-wissenschastlichen Methoden können khm
öas verantwortungsvolle eigene Handeln während
der Arbeit abnehmen.

Zusammenfassend soll gefordert werden: Der
Zeichenunterrkcht ist schöpferischer Arbeits-
unterricht und dkent der Entwkcklung ge-
staltender und aufbauenderKräfte imKinde.

Der bisherkge Zekchenunterricht war vielfach ekne
unklare Bermcngung von Gefühl und Wissen. Das
Gefühl, aus unklarer Vorstellung seines künstlerischen
Ursprungs empfkng starkes Mißtrauen und die Tat-
sache, daß dem Wissen die ansckaulkche Darstellungs-
weise des Zeichnens zugute kommt, ließ dem wissen-
schastlichen Zeichnen ein starkes Interesse erwachsen.
Das wissenschastliche Zeichnen gehört aber zu der
Wissenschaft, der es dient, denn hier bestimmt das
Wissen vom Gegenstand feine Form und nicht die
Gestaltungskraft des Menschen. Mögen recht viele
Wissenschastler stch zeichnerischer Darstellung bedkenen,
damit auch hier Anschaulichkeit abstraktes Wortlernen
verdrängt. EineVermengung wissenschaftlichen Zekch-
nens und gestaltenden Kunstgefühls ist jedoch schwerer
Schaden für beide.

Der gestaltende Kunstunterricht, als reine Geistes-
arbeit braucht sich nkcht einen, seinem Wesen fremden,
wissenschafilichenMantel umzuhängen, da sein eigenes
Wesen, dem die pflege eines eminent wichtigen
menschlichen Triebes vertraut ward, kostbar genug
ist, um für sich volle Anerkennung neben den
übrigen Betäkigungsgebketen zu fordern. Gestaltung
als geiskige Tat steht neben dem Wissen. Verneinen
wir die Frage, ob eine Trieberziehung eine natur-
gegebene Notwendigkeit ist, tritt eine Verwissenschast-
lichung des kindlichen Zeichnens ein, so gibt damit
der Zeichenunterricht seinen eigenen Geist
auf. Er sinkt dann zu einer Nbung für einen mehr
oder weniger materialistischenZweckwert. DerKultur-
gedanke zeigt damit seine Erschöpfung an und be-
weist seinen Verfall und Untergang.

Wir aber glauben an ekne stetige Wieder-
geburt, solange ein neu schöpferischsr Ge-
staltungstrieb uns beseelt, alö unser geistiger
Keim, der über uns hinaus kn die Zukunft
weist.

Die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung des Werkunterrichts für die
höheren weiblichen Bildungsanstalten.

Dortraa gelegentlich der 1. Hauptversammlung des Reichsverbandes akademisch gebildeter Zeichen-
lehrerinnen, pfingsten 1922 in Berlin-Schöneberg, von Anna Krüaer, Dessau.

Wenn Stillstand Rückschrktt und Bewegung und tätkg hilft die Lehrerschaft beim Bau des neuen
Fortschritt bedeutet, so kann man der Entwickelung Hauses, beim Entdecken neuer Wege zur Wekter-

des heutigen Schulwesens nur mit der größten bildung von Deutschlands Iugend,- es geht ein

Freude zustimmen, denn es scheint fast, als sollte Streben durch die deutsche Lehrerschast, welches das

in unseren Tagen kaum eln Stein des alten wohl beste von der Zukunft erhoffen läßt. Freilich wird

gefügten Baues auf dem anderen bleiben. Freudig beim Stürzen und Verändern des alten auch so
 
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