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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

DOI issue:
Heft 3 (Mai 1922)
DOI article:
Dietl, Johann Baptist: Umgestaltung des Zeichnens, [3]: eine Kulturaufgabe
DOI article:
Wunderlich, Theodor: Die pädagogischen Kernfragen der Neuzeit und der Zeichenunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0055

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172

macht, di? Richtung im Besonderen nicht, man weiß
nichts von günstigen Verhaltnissen und kümmert sich
nichts um Freiheits- und Zwangsgrad, man lä'ßt
mit einsacheren Worten alles drauflosgedeihen
im Nahmen einer „allgemeinen Bildung".
Im reiferen Alter windet sich dann die Einsicht zu
dem Gelübde durch: „Komm ich wkeder zur Welt,
dann — dann wird gelernt — ein schlechtes Zeugnis
für die »Erziehungskunst" unserer Zeit, wenn der
Schüler so ganz ehrlich und aufrichtig zurückblickt
und mit Wehmut elngesteht, wie wenig ar^ ihm
geworden ist, und wenn er ängstlich in die Zukunft
sieht, die bange Frage als Lebensbegleiter — was
roird noch werden? Ein Schatten läuft mit dem
Schüler- den dke Zkvtlisatkon und ihre Lehrer
den Menschenkindern an dke Ferse heften,
ihn zu bannen ist Kulturaufgabe.

Der ganze herkömmliche Zeichenunterricht, nicht
aus der Zeichenlehrerschast hermrsgeboren, sondern
nach Zeit, Ort, Geldmitteln, Berufsgruppenintereffen
usw. von weltfremden pädagogen, die nur wieder
»Lehrer" erziehen (Roorda) können noch dazu von
Bertretern anderer „Fächer" beschnitten und ver-
schnitten ist ein mißratenes Ding geworden, ein
„Hermaphrodit". Er kann umgestaltet werden, wenn
seine Zekt zu Ende, denn seine verkümmerte Lebens-
fähigkeit, chke ja nie schöpferisch genug zu sekn,
vermochte, verlangt es. Eine Zusammenstellung von
Aussagen jetzt Erwachsener über den genoffenen
Zeichenunkerricht würde ergeben, daß sie nicht bewußt
sondern unbewußt kn jeder Hinsicht mehr von
ihm erhofften, denn der Zeichenunterricht sollte
doch dem Spieltn'eb gerecht werden, und das Kind

spielt doch gerne und ist von einem dem Erwachsenen
kaum begreifbaren Spiel erbaut und zufrieden, ja
spielt mit einer Geduld, die bis zur Grenze seiner
Kra'fte reicht — bis es einschläft.

Wie jämmmerlich nimmt sich dagegen das aus,
was unsere Schulen aus SieserNaturmacht her-
auspädagogisiert haben? Kein Wunder, wenn
jeder klar denkende Mensch mit komischen Erzählungen
und Achselzucken jede Erinnerung an die Verbil-
dung der kräftigsten Naturgabe strast. Die
Schule ist in der Veuzeit so aufdringlich,
VaßmandasKindgegendieSchuleinSchutz
ne hmen muß.

Was ein künstlerisches Lehrprogramm mit dem
Spieltrieb oder Betätigungstneb zu tun hat, dürfte
nicht nur mir unklar sein. Bezogen auf dke feelische
Entwicklung ist es sicher ein Riesenfehler. Das Lehr-
programm ist unwandelbar, während doch jedes Kind
von anderen Eltern stammt, aus anderen Verhält-
nissen, also einen anders gearteten Freiheits- und
Zwangsgrad braucht. Dem Lehrer ist in keiner Hin-
sicht die Möglichkeit gegeben, das ihm anvertraute
Kinderchaos sich nach der der Masse eingeborenen
Besondenmg und Willensströmung gestalten zu lassen
— ,nein — er ist als Koch angestellt und hat mit
dem Lehrprogramm den Brei dauernd in Bewegung
zu halten, um nur ja zu verhindern daß sich
gleiches zu glekchem finde, daß sich Trieb in
befriedigende schöpferische Arbeit — ln
Menfchheitsziel und 2deal umsetze. Wachs-
tum kann man doch nicht vorschreiben und durch
Gesetz regeln und die Erziehung der Kinder
ist zunächst Wachstum und dann erst Zweck.

Die pädagogischen Kernfragen der NeuZeit und der Zeichenunterricht.

Zugleich eine literarische Umschau. Von Th. Wunderlich.

Wer unsere Fachpreffe -- die durch die Vot der
Zeit leider sehr eingeschränkt worden ist — auf-
merksam verfolgt hat, wird ohne Zweifel kein un-
günstiges Ergebnis buchen können. Aber wenn
man Ven 2nhalt der übrigen pädagogischen Zeit-
schristen vergleichend heranzieht, läßt sich leicht fest-
stellen, daß unfere Fachblätter den heute im Vorder-
grunde der pädagogischen Bewegung stehenden
Kernfragen, welche infolge der völlig veränderten
politischen und wirtschaftlkchen Lage eine Umbildung
der gesamten Schulverhältnisse bedingen, im all-
gemelnen wenig Aufmerksamkeit schenken. Das ist
nicht zu verwundern, und den Leitern unserer Fach-
zeitschriften kann deshalb kaum ein Vorwurf ge-
macht werden. Haben sie doch diesen Mangel
meist selbst schon empfunden und diesbezügliche

Leitlinien vorgezeichnet, nach denen hin sich die
Mitarbeit erstrecken möchte. Während die päda-
gogische Preffe augenblicklich mit Fragen der Neu-
bildung der einzelnen Schularten und der 21euekn°
stellung der einzelnen Unterrichtsfächer erfüllt sind
(ihre Spalten widerhalien vom Meinungsaustausch
über die neuartkgen Bildungs- und Erziehungs-
probleme), merkt man kn den Zeitschristen für Zeichen-
und Kunstunterricht nur wenig von dem lebhafien
Für und Wider, das die neuzeitlichen Schulreformen
hervorrufen. 2st es in einer Beziehung für die
ruhige und gründliche Erörterung der besonderen
Zeichenfragen erwünscht, daß nicht allzuviel von
dem Streit der öffentlichen Meinung in Schul-
angelegenheiten in unfere Fachschristen getragen wird
so ist doch auch andrerseits die geringe Tiücksichk'
 
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