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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

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Heft 3 (Mai 1922)
DOI article:
Bühler, Max: Zur Klärung des neuen Farbunterrichts
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Dietl, Johann Baptist: Umgestaltung des Zeichnens, [3]: eine Kulturaufgabe
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0053

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170

sonderen und auf Anlage, Bedürfnis und Ent-
wicklung der Kindesseele.

4. Unter grundlegender Verwertung der früheren
psychologischen Farbenlehre ist Ostwald's neue
Farbwissenschafi und systematische Farbordnung
entstanden. 2hre psychologischen und physiolo-
gischen Werte und Ordnungen bieten eine ge-
eignete, zeitgemätze Grundlage für einen neuen
Farbunterrichk in Verbindung mit den For-
schungsergebnissen und praktischen Erfahrungen
von anderen Fachgelehrten, sowie von Asthetikern
und Künfilern. Sie sind also stufenweise zweck-
dienlich zu verwerten.

Deshalb hat an Stelle des technischen Farb-
kreises (aus den Grundfarben Gelb, Rot und
Blau) der psychologische Farbkreis von Hering
bzw. Ostwald (aus den Urfarben Gelb, Rot,
Blau und Grün) in der Schule Verwendung
zu finden. Auch für die Grauleiter und die ge-
brochenen Buntfarben sind psychologische Maße
bezw. Stufen )e nach Zweck zu berücksichtigen.
Mithkn sind die Schüler mit den schulwichtkgen
punkten des Systems Ostwalds bekannt zu
machen. Für den Lehrer ist jedoch ein tieferes
Eindringen in die neuen Farbforschungen not-
wendig.

6. Nkcht bloß an Hand von farbtypischen Vor-
bildern und Beispielen aus Vatur und Kunst,
sondern auch mit Hilfe ekner eigentlichen Farben-
lehre soll tiefer in dte charakteristischen, harmo-
nlschen Werte der Farben ekngedrungen werden.
Den Charakter- und Ausdruckswert der Farben

' gefühlsmäßkg zu erfassen kst das Haupterforder-

nis zur Bildung des Farbensinnes. Die Har-
monielehre Ostwald's braucht daher im Unter-
richt nur insoweit Verwendung zu finden, als
der Schüler ihre Grundzüge und Hauptwerte
kennen muß. 2hre Kenntnis darf ihn aber nicht
hindcrn, seinem persönlichen farbharinonischen
Empfinden Ausdruck zu verleihen und es zu
freier Entfaltung zu bringen. Die Harmonien
Ostwald's sind in der Schule nicht als Gesehe,
sondern nur als Wege und Werte im großen
Reich der Farbenharmonie zu betrachten.

7. Auch für die technische Seite des Unterrichts ist
das psychologische mehr zu verwerten, also sür
Auswahl, Kennenlernen und Handhaben der
Farbstoffe. Insbesondere tst der Zusammen-
stellung der Schulfarben ekne erhohte Aufmerk-
samkekt zuzuwenden. Diese Frage tst fchon im
Hinblkck auf dke große Teuerung und die ver-
fügbarc Unterrichtszeit außerordentlich wichtig.
Eine Arbeitsgruppe, die nach obkgen Gefichts-
punkten und Erfahrungen sich eingehend betättgt,
wkrd die Richtigkeit dieser Wege erkennen und ekn
maßgebendes Urteil fällen können.

Anmerkung zu i. Die Blldung des Farbensinnes bloß
Vurch Bekspkele aus Nakur und Kunst und Vurch eknsektlg
gesühlSmäßkges Arbekten ohne ekgentllche Farbenlehre kst
auch ein Weg, aber seine Erfolge bleiben nur auf dke-
jenkgen Schüler beschränkt, dke mit Farben- und Kunst-
sinn außergewöhnlkch begabt sind. Der Durchschnktt der
Schüler wird aber mkt Hilfe ekner Farbenlehre wesentlkch
mehr gefördert.

3u 4. Der Ausdruck ckystematischr Farbenordnung" lst
mit Absicht gewählt. Er schlkeßt an und für sich dke Har-
monkelehre Ostwald's nlcht mkt ein.

Rottweil a. N. MaxBühler

Umgeftaltung des Zeichnens eine Kulturaufghbe.

Von F. B. Dketl, Münnerstadt. ^ ^

(Arlsetzung).

Ieht im Zeitalter der Demokratke wird unser
Volk nicht nur die Regierung sondern auch die
Schule haben, die ihm gebührt. Entsprechend den ver-
schobenen Wirtschaftsgrundlagen unseres deutschen
Volkes benötigen wir eine diesen zeitlichen Verhält-
nissen Rechnung tragende Schule und eben solchen
Zeichenunterricht. Aber: „Allzuviele Leute nehmen
heute die Schule noch als etwas unveränderliches
hin, als etwas, das seit Adam und Eva so
gewesen und bis zum jüngfien Eage so zu bleiben
habe" (Roorda).

Die meisten Menschen leiden an ekncm durch unsere
bürgerlkche Ordnungsliebe großgezogenen Behar-
rungsvermögen. ga sogar, wenn sie auf natürlichste
Art im Drang der Zektentwkcklung und der Tkot

hingeführt werden vor einen Abgrund ihres Innersten,
neigen sie dazu, sich andern Dingen zuzuwenden, die
umstürzenden Rufe ihrer Erkcnntnis zu betäuben,
und ihr Echo in einem Wald von Historischgewor-
denem zu zerstreuen,- der Mensch muß, um seiner
selbst Herr zu werden, auch sein eigener Verführer sein!

Iäh hereingebrochene Zelten rütteln an allem Be-
stehenden, an althergebrachten Einrichtungen und
Methoden, und es ist gut so, es ist naturmächtiges
Walten und Menschheitsseele, nkchtMenschleins Geist.
Die Völker durchwogende Welle öer Zeltnot wird
auch an unserem Unterricht nicht spurlos branden
können, und sollte es doch sein, dann haben wir
unsere Schicksalöstunde verkannt und auch dieZekchen-
lehrer haben geschlafen. Der Kampf zwischen Um-
 
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