Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

DOI Heft:
Heft 2 (März 1922)
DOI Artikel:
Kolb, Gustav: Entgegnung des Schriftleiters
DOI Artikel:
Hartlaub, Gustav Friedrich: Der Genius im Kinde, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0032

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
150

Kricger will seineIugend naiürlich nicht zurKunst führen.
Wenn man das glauben wollte, würde man ihm Unrecht
tun. 2n setner heukkgen Erwiderung kommt erst rechk
zum Ausdruck, was er bei seinem Untcrricht eigentlich
vor allem anstrebt: er will seinen Schülern das Zeichnen
der wichtkgsten technrschen Berufe „mit den zugehorigen
wkchtigsten Materkalien lehren, wenn es 8er oder fener
Schüler wünscht". (Und da die Mehrzahl der Schüler
sich „technischen oder gewerblichen Berufen zuwenden", so
wird das die Mehrzahl seiner Schüler wohl wünschen.)
Denn sie sollen sich nicht „schämen und blamieren", wenn
sie als Lehrlknge sich in einen dieser Beruse anmslden
und Zeichnungen vorlegen, dke gegen dks allgemeinsken
llkormen des technischen Zeichnens verstoßen". Dcshalb
muß der Zeichenlehrer Kriegerscher Richtung oor seinem
eigentlichen Fachstudium ein halbes Iahr in elnem Archi-
tekturbüro und ein halbes Iahr kn Vem Konstruktionsbüro
einer Maschinenfabrlk arbeiten und später Maschinen-
zeichnen, Technologke und technische Mechanik aus der
Technischen tzochschule studkeren. Nun, kch glaube gerne,
daß K. das alles kann. Er ksk )a auch zwöls Iahre Ge-
werbelehrer in preußen gewesen. Was blekbt aber da-
neben noch sür dke Kunst übrkg? Ietzt wlrd mir auf ein-
mal klar, daß zwischen der Wahl der Abbildungen kn
seinem „Beuland der Zeichenwissenschaft" und seiner Kunst-

aussajsung ein innsrcr Zusammenhang bestehen könntc
(siehe Besprechung Heft ch 1Y21), und ich verstehe auch,
daß ihm der 2mpressionismus, Expressionismus unv so-
gar der Arbeiksunterricht Kälber sind, das „einzig Wahre
aber nur in der Zeichenwissenschaft selbst liegt".

Mein lieber Amtsgenosse Krieger! Ich habe 2hr rast-
loses Bemühen um die Klärung der wissenschaftlichen
Grundlagen unseres Berufes immer geschäht und aner-
kannt, wenn ich auch nicht in allen Teilen mit 2hnen
ging. Wenn sie nun aber den Arbeitsuntcrrkcht, der
boffentlich keine vorübergehende Modeerscheinung ist, son-
dern dks Erfüllung unserer hektzesten Wünsche und
ernstesten Beslrebungen, mit denen wir in dcr Schule
lange Iahre fast allein standen, nämlich die Iugend
durch eigene Arbeit zur selbständigen Erkenntnis und zur
Entwkcklung der Gestaltungskräste zu führen, wenn Sie
diesen Arbeitsunterricht auf eine Stufe stellen, mit dem
GipSbrockenzekchnen, dem StuhlmannksmuS und dem
TaddkSmus, dann haben wir unS soweit von einander
entfernt, daß wkr kaum mehr zusammenstnden können.

Gott bewahre die deutsche Iugtnd und ihre Lehrer vor
dem neuen Kalb, das Ske khnen schenken wollen!

G. Kolb.

Der Genius im Kinde*

(Tertprobe.)

Dle nachfolgende Textprobe ist dem lehten Kapitel
des Buches „Unterweisung" entnommen. Dr. Hart-
. laub wirst zunächst einen Nückblick auf die verschke-
denen Richtungen des Schul-Zeichenunterrichkes und
findet, daß man zuerft Schulung der Hand, dann,
unter dcm Einfluß des impressionistischen Kunstbe-
. griffs Schulung des Auges anstrebte, was immer-
! hin ein großer Fortschritt gewesen sei. Dke Rück-
wirkung der jüngsten Kunstrkchtung bestehe nun nach-
weisbar darin, daß man heute statt von Schulung
' der Hand und des Auges gleichsam von ekner
„Schulung der Seele", der inneren Erlebnis- und
Ausdrucksfähigkeit, von einer Erweckung und Be-
sreiung des „Gemütes" als einem Zkel des Lehren-
den spreche. Man beginnt die spontane Ekgentätig-
keit des Kindes, die „reine Kinderleistimg" in Spiel,
Nede, Aufsatz, Zeichnung und plastischem Bilden im
Gegensatz zu allen Unterrichtsergebnissen zu isolieren,
das freie Zekchnen, Bilden und Basteln in seiner
großen Wichtigkeit für das Kind selbft und für die
Erkenntnis des Kindes zu erahnen. Es mag dabei
bek dem wenkger befähigten Kinde nur Groteskes
und Kümmerliches herauskommen,- selbst in dlesem
Falle aber rührt der Lchrer an den eigentlich künst-
lerisch-produktiven punkt, an den schöpferischen Frek-
heitspunkt in jedem kleknen Menschen. Er „bringt
nichts bei", sondern er „erzieht". Die schwkerige Frage
für den Zeichenlehrer ift die: Genügt es, sich auf
die Forderung reiner Kinderleistung auf allen diesen

Gebieten zu beschränken oder: wke soll er das, was
wir Schulung von Hand und Auge nennen, das
Beibringen bestimmter Fertkgkeiten und Kenntnisse an
die Kinderleistung anschließen, ohne ihr die Spon-
taneität zu nehmen? Unter allen Umständen muß
darnach getrachtet werden, daß die schopferischen Ur-
anlagen des Kindes aufgeweckt, bewahrt und ln
entsprechender Steigerung möglichst !n das gereiste
Alter hinübergerettet werden. Dabek muß sich der
Lehrer auf die Altersstufen und die ihnen ent-
sprechenden Stilstufen der zeichnerkschen Sprache ein-
stellen und nichts andcres wollen, als dem halb-
bewußten Streben des Zöglings auf eine glekchsam
sokratische Methode Geburtshelfer sein. „Man bn'nge
alle Kräfte, die jeder Stufe ekgen sind, durch an-
gemessene Beschästkgung zur Entwicklung" (Fröbel)
auch die, dke sich später scheinbar verlieren. Es gilt
für die Lehrer km Zeichnen und Bilden, im Basteln,
für dke LehrerimSingen und Spkelen,ganz allgemein
zu ihrem Teil und auf ihrem Felde dem Kinde eine
glückliche, wahrhaft kindeswürdige Kindheit zu schen-
ken, indem sie das Kknd mit seknen besonderen Gaben
in ihm wachhalten und fich betätigen lassen. Es
gilt das Kind im Klnde zu retten, es zu pokenzieren,
es reif und bereit zu machen für die Wirkung des
Genius.

Nun folgt die Textprobe.

„Wer dem Kinde auf diese Art zu sich selbst ver-
hilft (und es ist nicht selten nötig) schenkt ihm weit


) F. tzartlanb, Der Geniiis im Klnde (Beriag Ferd. Hirt in Breslau), siehe Besprechung.
 
Annotationen