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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

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Heft 1 (Januar 1922)
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Moschkau, Rudolf: Architektonische Ornamente im Lichte des Volksglaubens
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Severin, ...: Wir Zeichenlehrer und der Arbeitsunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0013

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1Z2

in den tatsächlichen Derhälknissen keine Stütze. In
Wirklichkeit verkörpern die antiken Akrotere in
Nundscheibenform das am Hausbau übliche ma-
gische Sonnensymbol in ekner der gotischen Nad-
rosette entsprechenden formalen Vollendung, eine
Tatsache, dke freilich schon dem Bewutztsein der
Alken so wenig deutlich gebltcben war, wie etwa
dke Herkunft des
Manthusmotivs.

In der vorgeschicht-
lichen Kunst des Nor-
dens entsprechen den
ältesten griechischen
Mroteren zeitlich etwa
dke Hausurnen der
srühesten Elsenzekt mtt
ausgeprägten Gkebel-
zeichen, vor allem dke
ungleich älteren mähn'schen Hausmodelle der jüngercn
Steinzeit mit Saumbrett und Giebelzeichen. Dke
Steinzeit ist auch die frühe Zekt, in die man die
magischen Haussymbole auf Grund der kn khnen
zum Ausdruck kommenden präanimistischen Vor-
stellungen verlegen muß.

Mit diesem Ergebnis ist eine noch in der Gegen-
wart wkrksame architektonische Ornamentgruppe in
ihren Wurzeln geistkg auf religiöse Zaubervor-
stellungen, zeitlich kns Neolithikum, örtlich auf
Mitteleuropa zurückgeführt. Damit aber erweist sich
die besprochene Hausornamentik als indogerma-
nisches Gemeingut im Sinne der indogermanischen
Sprache, und dieser Umstand erklärt auch am besten
das Vorkommen dieser Ornamentik im Ausbrei-
tungsbereich der kndogermanischen Eknzelvölker. —

Wir als Betrachter, als Lehrer und Schüler
sind gewohnt, die Ornamente vorzugsweise kunst-

ästhetisch zu betrachtcn, und wo wir sie kunstge-
schichtlich begreifen wollen, pflegen wir autzer dem
Spieltrieb gern die technisch-mechanischen Ent-
stehungsursachen heranzuziehen. Auf die psychsich-
künstlerischen Entstehungsbedingungen einzugehen,
heitzt noch nicht, die Wahl der Motive an sich zu
erklären. 2um volleren Verständnis muß ekne

Betrachtung km Lkchte
desVolksglaubens hin-
zukommen, wke sie für
eine Anzahl Motive,
die leicht vermehrt wer-
den könnten, hier ver-
sucht worden ist. Cs
liegt durchaus imSinne
eines sachlich vertiesten
Zeichen- und Kunst-
unterrichts, einmal zu
sehen, wie nicht nur in der „grotzen" Kunst, sondern
auch im Ornament dke religiöse Idee von ent-
scheidender Bedeutung gewesen ist und wie der
Motivenschatz eben dank seines magisch-religiösen
Gehalts durch Iahrtausende hindurch überliefert
werden konnte. Wer sich und seine Schüler mit
diesem Gedanken vertraut macht, dem können auf
heimatlichen Spürgängen mit Stift und Zeichenhest
llberraschungen blühen. Das Gefühl, die Orna-
mente nicht nur schauend zu erfassen, sie vielmehr
gleichfam zu durchschauen und hinter sie zu blicken,
gibt auch längst gewohnten Wanderungen neue
Reize, und das mkt Entdeckerfreudigkeit gesammelte
Materkal kann, vergleichend geordnet, zu wertvollen
Beiträgen für kunstgeschichtliche und volkskundliche
Forfchung werden.

Rudolf Moschkau, Leipzkg.

Wir Zeichenlehrer und der Arbeitsunterricht

Mbkldung 7


Aus einem Vortrag des Zeichenlehrers MlLÜUö/ Katernberg (Essen), auf der Provinzial-Ver-
sammlung der akademischen Zeichenlehrer der Rheknprovknz am 22. Ianuar 1921 im Kolping-

hause zu Köln*)

Eine neuer Abschnitt der Geschichte unseres Vol-
kes, unserer Kunst und unferer Erziehungsbildung
liegt vor uns. Die Iugend, 1n deren Hand das
Schicksal unseres Volkes liegt, erhebt den Ruf nach
einer kunstlerischen Richiung, in der wieder ein ein-
ziger großer Stil, der alles vom Höchsten bis zum
Tiefsten umfaßt, zur Geltung kommen soll. Sie ver-
langt, daß wieder eine, das ganze Volk und alle
seine Betätigungen umfassende Einheit in der Kunst
hergejtellt werde. Alles bisher dagcwesene wird ver-

achtet. Auf der ganzen Linie entbrennt ein heißer
Kampf. Es wird der Ruf nach Monumentalität er-
hoben. Seelischer Ausdruck, elementare Vaturemp-
findung und Mystik spricht aus den Werken der
Iüngsten. Aber das edelste Wollen nüht nichts,
wenn die schöpferische Krast fehlt. Zum Schaffen
von Kunstwerken gehört auch Genie, das ist aber
nicht ;u erlernen, das ist und bleibt ein Geschenk
des Himmels. Die Kunst darf weder das Vatur-
gefühl noch die Abstraktion zu ftark betonen, wenn

*) Der Vortrag konnte wegen Raummangsl nicht oollständig wkedergegeben werden. (Dke Schriftlektung.)
 
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