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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

DOI issue:
Heft 1 (Januar 1922)
DOI article:
Moschkau, Rudolf: Architektonische Ornamente im Lichte des Volksglaubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0012

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131

bildern und pflanzlichen Gebilden beruht zugleich
auf emanistischen Vorstellungcn: Die segenbringende
und Wachstumskraft dkeser Vaturkörper geht nach
primitivem Glauben auch in
deren Abbilder über und
strahlt (emaniert) von da auf
die Umgebung auch kn unserem
Falle auf das Haus und
seine Bewohner. So hat der
Glaube an die emanierende
Kraft von Naturabbildern zur
Anbrkngung von Sonnen-
und pfianzensymbolen am
Hause geführt.

-Zusammenfassend beweisen
dkeUberlkeferungen hekmischen
Volksglaubens sowie die
völksrkundlkchenparallelen da-
zu, daß der ornamentale
Formenschatz des bä'uerlichen
Hauses zum großen Teil als
ein -auf primitivrelkgiöser
Grundlage begründeter ma-
gischer Apparat zum Glück
und Schutze des Hauses auf-
zufassen ist.

2st das aber richtkg, so
dürfen wir bei der weiten
Verbreitung und Lebens-
dauer magischerVorstellungen
hoffen, diesen zauberischen
Formenschatz zu allen Zeiten und über weite Länder-
strecken hin verbrektet zu sehen. Taksächlkch sknd die
besprochenen Elemente allenrhalben in der bäuer-
lichen Architektur
Europas und des
Orients erkennbar.

Freilich haben nach
derAbwendungvom
ursprünglichenHolz-
baudieEinzelformen
meist in Stein oder
Ton umgesetzt wer-
den müssen. Die tn
Deutschland noch
heute vielerhaltenen
hölzernen Giebel-
zeichen bäuerlicher
Häuser lassen sich,
in Stein umgesetzt,

Abbilvung Z

bau schlichtere Nad- und Rosettenmotio in der
Steinbaukunst genommen hat. Was sich von diesen
Formen aus steinernen Tür- und Fensterstürzen kn der
germanischen Stammeskunst
bei Weftgoten, Franken und
Langobarden findet, zeigt un-
verkennbar noch die Werkge-
pflogenheit desZimmermanns.
Doch schon westgotische
Fensterplatten entwickeln dar-
auS die Struktur des Maß-
werks, die um Iahrhunderte
später ihre höchste Entwicklung
im gotischen Maßwerk der
Spkhbogen- und Radfenster
findet. Die mystksche Ver-
klärung des gotischenRosetten-
motivs, besonders in der
Zisterziensermystik, wird erst
verständlich aus dcr Heilig-
keit des ihm zugrunde liegen-
den uralten Sonnensymbols,
wie es seit altersher am Holz-
bau gebräuchlich gewesen war.
2hm gegenüber tritt die allein
in der romanischen Baukunst
Thüringens stärker vertretene
Baute oder als das „Auge
Gottes" mit neuem Inhalte
gesüllte Dreieck ftark zurück.
Die gleichzeitige Verwen-
dung aller genannten Formsymbole auf engerem
Raum ist in den interessanten musivischen Mustern
der langobardischen und fränkischen Zkegelbauten

des 6.—8. Iahr-
hunderts gegeben.

Aber wir können
in der Steinbau-
kunst bis in die
Antike zurückgehen
und begegnen auch
da den genannten
Motiven, besonders
in den Fkrstakro-
teren der antiken
Tempel und phry-
gischen Felsgräber.
Bestechend, aber
nicht haltbar ist die


im

Steinbau von der romanischen Zeit an durch alle
2ahrhunderke hindurch verfolgen. 2n den gotischen
Giebelblumen finden sie ihre formale Vollendung.
Ungleich reicher ist dke Entwicklung, dke das im Holz-

->r. 2or/ ^/r'/vsen./ .

Wbilvung 6

profanen wie kirchlichen Theorke des Archäologen Benndorf, die die Orna-

mentierung der Nundscheibenakrotere aus der
Struktur der Firftbalkcn-Schnittfläche herleitet.
Der von ihm angenommene Wetterschutz dieser
Schnittfläche,durch das aufgenagelte Akroter findet
 
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