nahme auf die allgemeinen erziehungswissenschaft-
lichen Zeiifragen bedauernswert. Ist doch das Wobl
und Wehe unseres Faches eng mit ihnen verknüpft.
Die Vergangenhett hat erwiesen, wic von dcn Ent-
schlüssen der Gesamtheit dcr Lebrerschaft auf erzieh-
lichem und unterrichtlichein Gebkete der innerc Be-
trieb unseres Faches abhängig war. Die Frage
der Kunstcrziehung und des tzandfertigkeitsuntcr-
richts liefern den besten Beweis.
Die Notwendigkeit, daß die Zeichenlehrer künftig-
bin das Rüstzcug für die Ausgestaltung ihres Faches
nicht allein in ihren Fachblättern zu fuchen haben,
dürfte ohne weiteres cinleuchtend sein. Nicht nur
vke prcsse der Lehrerschaft der höheren Schulen,
auch Viesenkgen der Volksschullehrer muß von ihnen
mit größter Aufmerksamkeit verfolgt werden, ist es
doch eine nicht wegzuleugnende Tatsache, daß die
meisten Fortschritte, die das Unterrichts- und Er-
zichungswesen in den letzten Iahrzehnten gemacht
hat, von der Volksschullehrerschaft angeregt worden
sind. Vur die beständige Fühlungnahme mit dem
gesamten erzkehungswissenschaftlichen Schrifttum wird
den Zeichenunterricht vor Einseitigkeit und Erstarrung
bewahren und ihm frisches Blut zuführen. Zu lange
schon haben die Zeichenlehrer leider diese Fühlung-
nahme versäumt und dadurch die alte Meinung
festigen helfen, als cntbehre das Zeichnen und seine
Methodlk dcr wissenschaftlichen Grundlage, als
komme es bei ihm hauptsächlich nur auf die Er-
werbung technischer Fertigkeiten an. Wären die
Zekchenlchrer nicht so lange für sich allein geblieben,
hätten sie schon früher die Tages- und pädagogische^
presse mehr in Anspruch genommen, wäre der
Zeichenunterrkcht längst besser gewürdigt worden,
und die Ergebnisse für ihn auf der Reichsschul-
konferenz wären günstiger ausgefallen. Der Grund
für diese Unterlassungssünde — man verzeihe diesen
harlen Ausdruck — mag zum Teil mit in dem
Fehlen von Lehrstühlen für Pädagogik an dcn
Zeichenlehrerbildungsanstalten liegen, von denen aus
Anregungcn zur pädagogkfchen Weiterbildung aus-
gehen müssen. Ebenso hindert das Fehlen einer
Zentralbücherei für Zeichenlehrer, die auf
leichte und verhältnismäßig billige Weise die weitere
Fortbildung ermöglicht, das stetige Unterrichtetsein
über dke Wandlungen, denen dke pädagogik unter-
worfen ist. Dke nicht in größeren Städten wirken-
den Fachgenossen werden diesen Mangel schon oft
genug verspürt haben.*)
Die allgemeinen grundlegenden Fragen der
heutigen lXeformbestrebungen auf dem Erziehungs-
*) Vergleirhe meineAusfühnmgen »Zentralbüchereien für
dcn Jeichenunterricht". Die Kreide, Ihrg. 1918 Heft 9/10
S. 81-87.
- .-- .^—.7-..- 17Z
und Schulgebiet betreffen: Reichsschulgesetzgebung,
ftaatsbürgerlkche Erziehung, natürliche Erzkehung,
Kunsterziehung, erperkmentale pädagogik, Sozial-
pädagogik, Individualpädagogik, Moralpädagogik,
nationale Einheitsschule, Arbeitsfchule (produktions-
sckule), Werkunterricht, Heimatsunterricht, Volks-
hochschule. Die Sonderfragen, welche das Kapitel
Kunfterziehung ausgelöst hat, beziehen sich auf:
Kunstcrziehung als Grundsatz, besondere Geschmacks-
bildungsübungen, Kunstanfchauungsunterricht oder
Kunstgeschichtsunterricht. DenZeichenunterrichtallcin
berührcn folgende punkte: Zeichnen als Fach oder
Zeichnen als Grundsatz (Typenzekchnen oder ge-
schmackbüdendes Zeichnen), kindertümliches Zeichnen
und Zeichnen der Urmenschen uyd Baturvölker,
gefühlsmäßkges (expressionistisches) Zeichnen, Zeichnen
und Lichtbild.**) Zur letzten Gruppe zählt auch das
Kapitel künftlerische Einheitsschule, Meisterlehrwerk-
stätten,***)KunsthochschulenfürZeichenlehrer. Gewiß
ein recht reichcs programm für diejenigen, die sich
die Bildungsfragen der Veuzeit angelegen sein lassenl
In dem Folgenden sei der Blkck auf einkge
Bücher gelenkt, deren Verfasser es sich zur Aufgabe
gemacht haben, die Lchrerschast mit den pädagogischcn
Strömungen der Ietztzeit in ihrer Gesamtheit ver-
traut zu machen, und dke deshalb auch für den
Zeichenlehrer von Bedeutung sind. Im Brenn-
punkte des Interesses steht: p. Oestreich,
Schöpferische Erzkehung, Berlin-Fkchtenau,
1920. Der Herausgeber und feine Mitarbeiter
gehören dem ^Bunde der entschiedenen Schul-
reformer" an und vertreten als Mitglieder des-
selben die radikalste Umgestaltung aller bisher als
richtig angenommenen Anschauungen und Einrich-
tungen im Erziehungs- und Unterrichtswesen. Ein
so vollständiger Bruch mkt dem Bestehenden, wie
er hier vollzogen ist, kommt wohl 1n keinem der
neusten Lehrbücher über Erziehungs- und Unter-
richtskunde zum Ausdruck. Von der Kindergarten-
erziehung an bis hinauf zu den höchsten Bildungs-
stufen wird alles scharf unter die Lupe genommen,
und nur höchst selten finden pädagogische Maß-
nahmen vergangener Tage Gnade vor den Augen
der Umstürzler. Alles, was die Iüngstzeit an
pädagogischen Schlagern in die Menge geworfen
**) Wunderlich, Th., Dke Ausgangspunkte für eine
Reform des Zeichenunterrichts nach den Forderungen der
neueren Kunskanschauung und der wlrtschastlichen Lage
der Gegenwart. Die Seutsche Schule, Zhrg. 1919 Hsft 11
S. 166-171
'**) F"r die Klarstellung dieser Frage ift das Studium
der einschlägkgen Werke von H. Lornelius, F. H. Ehmke,
E. Lüthgen,R.Meyer,R. Riemerschmid,H.Sachs,
F. Schuhmacher, W. o, Ssidlltz, W. Waeholdt,
H. Widmsr unerläßlich.
lichen Zeiifragen bedauernswert. Ist doch das Wobl
und Wehe unseres Faches eng mit ihnen verknüpft.
Die Vergangenhett hat erwiesen, wic von dcn Ent-
schlüssen der Gesamtheit dcr Lebrerschaft auf erzieh-
lichem und unterrichtlichein Gebkete der innerc Be-
trieb unseres Faches abhängig war. Die Frage
der Kunstcrziehung und des tzandfertigkeitsuntcr-
richts liefern den besten Beweis.
Die Notwendigkeit, daß die Zeichenlehrer künftig-
bin das Rüstzcug für die Ausgestaltung ihres Faches
nicht allein in ihren Fachblättern zu fuchen haben,
dürfte ohne weiteres cinleuchtend sein. Nicht nur
vke prcsse der Lehrerschaft der höheren Schulen,
auch Viesenkgen der Volksschullehrer muß von ihnen
mit größter Aufmerksamkeit verfolgt werden, ist es
doch eine nicht wegzuleugnende Tatsache, daß die
meisten Fortschritte, die das Unterrichts- und Er-
zichungswesen in den letzten Iahrzehnten gemacht
hat, von der Volksschullehrerschaft angeregt worden
sind. Vur die beständige Fühlungnahme mit dem
gesamten erzkehungswissenschaftlichen Schrifttum wird
den Zeichenunterricht vor Einseitigkeit und Erstarrung
bewahren und ihm frisches Blut zuführen. Zu lange
schon haben die Zeichenlehrer leider diese Fühlung-
nahme versäumt und dadurch die alte Meinung
festigen helfen, als cntbehre das Zeichnen und seine
Methodlk dcr wissenschaftlichen Grundlage, als
komme es bei ihm hauptsächlich nur auf die Er-
werbung technischer Fertigkeiten an. Wären die
Zekchenlchrer nicht so lange für sich allein geblieben,
hätten sie schon früher die Tages- und pädagogische^
presse mehr in Anspruch genommen, wäre der
Zeichenunterrkcht längst besser gewürdigt worden,
und die Ergebnisse für ihn auf der Reichsschul-
konferenz wären günstiger ausgefallen. Der Grund
für diese Unterlassungssünde — man verzeihe diesen
harlen Ausdruck — mag zum Teil mit in dem
Fehlen von Lehrstühlen für Pädagogik an dcn
Zeichenlehrerbildungsanstalten liegen, von denen aus
Anregungcn zur pädagogkfchen Weiterbildung aus-
gehen müssen. Ebenso hindert das Fehlen einer
Zentralbücherei für Zeichenlehrer, die auf
leichte und verhältnismäßig billige Weise die weitere
Fortbildung ermöglicht, das stetige Unterrichtetsein
über dke Wandlungen, denen dke pädagogik unter-
worfen ist. Dke nicht in größeren Städten wirken-
den Fachgenossen werden diesen Mangel schon oft
genug verspürt haben.*)
Die allgemeinen grundlegenden Fragen der
heutigen lXeformbestrebungen auf dem Erziehungs-
*) Vergleirhe meineAusfühnmgen »Zentralbüchereien für
dcn Jeichenunterricht". Die Kreide, Ihrg. 1918 Heft 9/10
S. 81-87.
- .-- .^—.7-..- 17Z
und Schulgebiet betreffen: Reichsschulgesetzgebung,
ftaatsbürgerlkche Erziehung, natürliche Erzkehung,
Kunsterziehung, erperkmentale pädagogik, Sozial-
pädagogik, Individualpädagogik, Moralpädagogik,
nationale Einheitsschule, Arbeitsfchule (produktions-
sckule), Werkunterricht, Heimatsunterricht, Volks-
hochschule. Die Sonderfragen, welche das Kapitel
Kunfterziehung ausgelöst hat, beziehen sich auf:
Kunstcrziehung als Grundsatz, besondere Geschmacks-
bildungsübungen, Kunstanfchauungsunterricht oder
Kunstgeschichtsunterricht. DenZeichenunterrichtallcin
berührcn folgende punkte: Zeichnen als Fach oder
Zeichnen als Grundsatz (Typenzekchnen oder ge-
schmackbüdendes Zeichnen), kindertümliches Zeichnen
und Zeichnen der Urmenschen uyd Baturvölker,
gefühlsmäßkges (expressionistisches) Zeichnen, Zeichnen
und Lichtbild.**) Zur letzten Gruppe zählt auch das
Kapitel künftlerische Einheitsschule, Meisterlehrwerk-
stätten,***)KunsthochschulenfürZeichenlehrer. Gewiß
ein recht reichcs programm für diejenigen, die sich
die Bildungsfragen der Veuzeit angelegen sein lassenl
In dem Folgenden sei der Blkck auf einkge
Bücher gelenkt, deren Verfasser es sich zur Aufgabe
gemacht haben, die Lchrerschast mit den pädagogischcn
Strömungen der Ietztzeit in ihrer Gesamtheit ver-
traut zu machen, und dke deshalb auch für den
Zeichenlehrer von Bedeutung sind. Im Brenn-
punkte des Interesses steht: p. Oestreich,
Schöpferische Erzkehung, Berlin-Fkchtenau,
1920. Der Herausgeber und feine Mitarbeiter
gehören dem ^Bunde der entschiedenen Schul-
reformer" an und vertreten als Mitglieder des-
selben die radikalste Umgestaltung aller bisher als
richtig angenommenen Anschauungen und Einrich-
tungen im Erziehungs- und Unterrichtswesen. Ein
so vollständiger Bruch mkt dem Bestehenden, wie
er hier vollzogen ist, kommt wohl 1n keinem der
neusten Lehrbücher über Erziehungs- und Unter-
richtskunde zum Ausdruck. Von der Kindergarten-
erziehung an bis hinauf zu den höchsten Bildungs-
stufen wird alles scharf unter die Lupe genommen,
und nur höchst selten finden pädagogische Maß-
nahmen vergangener Tage Gnade vor den Augen
der Umstürzler. Alles, was die Iüngstzeit an
pädagogischen Schlagern in die Menge geworfen
**) Wunderlich, Th., Dke Ausgangspunkte für eine
Reform des Zeichenunterrichts nach den Forderungen der
neueren Kunskanschauung und der wlrtschastlichen Lage
der Gegenwart. Die Seutsche Schule, Zhrg. 1919 Hsft 11
S. 166-171
'**) F"r die Klarstellung dieser Frage ift das Studium
der einschlägkgen Werke von H. Lornelius, F. H. Ehmke,
E. Lüthgen,R.Meyer,R. Riemerschmid,H.Sachs,
F. Schuhmacher, W. o, Ssidlltz, W. Waeholdt,
H. Widmsr unerläßlich.