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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 2.1922

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Heft 4 (September 1922)
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Krüger, Anna: Die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung des Werkunterrichts für die höheren weiblichen Bildungsanstalten
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https://doi.org/10.11588/diglit.21684#0083

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199

genug, ihnen klar zu machen, Vatz gerade das
Gegenteil der Fall ist, und dann ist es der Einfluß
öes Elternhauses, gegen den wir nur mit der
gröstten Ausdauer und dem gröstten Takt arbeiten
können. Also Scbwierigkeiten genügend, uin mut-
losen Menschen Lust und Arbeitsfreudigksit zu
nehmen. Wenn wir uns aber immer wieder klar
machen, welchen Nutzen wir mit unserm Werk-
unterricht schast'cn könncn, wie wir einer neuen
Heimatkunst den Bodcn ebnen können, wke wir
ganz allmählich den Kitsch in unseren Geschäften
durch Tualitätsarbeit ersetzen können, nach öem
Grundsatz von Nachfrage und Angebot, wie wir
den Geschmack der deutschen Hausfrau ausbilden
können, damit sie als künftige Trägerin der Kultur
ein Gefühl dafür bekommt, was Einheit des Stils
ift, wie wir den sungen Mädchen zeigen können,
daß auch mit geringen Mitteln ihre Umgebung
ein Kunftwerk sein kann, wenn sie sie zu ihrer
persönlichkeit ins richtige Verhältnis stellen, wie
wir ihnen das Verantwortlkchkeitsgefühl anerziehen
können, das ihnen ihr Besttz auferlegt, wirtschaft-
lich am Aufbau Deutschlands mitzuhelfen, wie wir
aber in erster Linie arbeitende, sparende, in der
Arbeit glückliche Menschen erziehen können, so liegt
der Wert des Werkunterrichtes klar zu Tage. Was
heißt denn fchließlich glücklich sein? Bicht egoistisch
Werte schaffen für sich allein, sondern doch nur,
um anderen davon mitzuteilen. Glücklich sein heißt
im Grunde arbeitcn für andere und mit anderen.
Das ist der letzte Sinn unserer Arbeitsschule und
auch unseres Werkunterrichtes. Tätig sein mit
der Freude an der Arbeit, auch im Alter noch
mit dem gesunden Optimismus der Fugend,- möchten
unsere 2deen, die wir in dkesen Zeiten in unser
Schulleben tragen, zu einem schönen und reichen
Bau sich zusammenschließen unter dem ein jeder
Bürger unseres Staates eine glückliche und frohe
Iugend, durchtränkt von dem beglückenden Gedanken
der Arbeit, durchlebt.

Frd. Vaumann spricht, das Vorhergesagte zu-
sammcnfassend, folgendermaßen aus: „Künftlerische
Kultur zum Gemeingut des ganzcnVolkes zu machen,
ist eine der wichtigsten Aufgaben deS ganzen
Staates. Veredelung der Handarbeit und ihrer
Erzeugnisse würde einen bedeutenden Faktor im
wirtschaftlichen Auffchwung bilden." Möchten wir
doch alle von der Wichtigkekt und Notwendkgkekt
unseres Unterrichtsfaches überzeugt sein und jeder
an seinem Teil mutig unb selbstlos an der Durch-
führbarbeit mitarbeiten.

Und da viel verständnisvolle Helfer auf dem
Wege nötig sckn werdeu, so lassen Sie mich schließen
mit eineni Goethewort vom Verhältnis der

Gebenden und Behmenden. Er sagt: „Der Ge-
danke vergrößert und befruchiet sich, indem wir
ihn vor ekner anderen 2ntelligenz entwickeln. Die
Hälfte der Beredsamkeit ruht in den Augen derer,
die uns zuhören,- der zur Ausführung eines Werkes
nötige Mut muß aus dem Anteil geschöpst werden,
den das l.lnternehmen bek anderen weckt."

Möchte es mkr geglückt sein, auch bei meinen
heutigen Zuhörern den Anteil geweckt zu haben,
dcn wir Ausführenden zur Erreichung eines hohen
und schönen Zieles bedürfen.

Leitsätze zum Vortrag. (Werkunterricht.

^ 1. Die neue Schule ist Erlebnisschule, indem sie
jeden eknzelnen Schüler kn eine arbeitende Lebens-
gemeinschäft stellt. Seine Erlebnksform kst die Grund-
lage seiner Bildung, welche nicht durch seelenlose
Bewegung, sondern nur durch Llbungen mit innerer
Anteilnahme erreicht wird. Alles schöpferische Denken
ist praktisch Denken! Denken und Hinstellen, wechsel-
seitiges Durchdringen beider ist notwendig.

2. Die Arbeit der jZchule, welche bisher fast
ausschließlich der Bildung des begristlichen Denkens
diente, muß auf den im Schulrahmen möglichen
Gebieten nach der praktisch gestaltenden Seite er-
weitert werden. Als Werkunterricht muß auch in
den höheren Schulen ein Fach eingeführt werden,
das schon durch seknen Namen den Einzelwert des
Werkes deutlich hervorhebt.

3. Unter Werkunterricht verstehen wir ferner ein
Unterrichtsfach, das den Zöglkng mit den Werk-
zeugen hauswkrtschaftlicher und volkskünstlerischer
Technik und ihrer Handhabung vertraut macht und
dieser Betätigung eine ganze Reihe erzieherischer,
kultureller und wkrtschastlkcher Werte abzugewinnen
weiß. Elur selbstgeschassenes Erzeugnis wird zum
Erlebnis, das Entstehenlassen von Gegenstand und
Schmuck aus dem Materkal erzieht zum Verständnis
von Oualitätsarbekt, es belebt den Farbenstnn und
befördert die Geschmacksblldung.

4. Für die höheren weiblichen Bildungsanstalten
kommen als Gebkeke des Werkunterrichts in Be-
tracht: Das Geskalten in Stoff und Faden, Papp-
arbeit und Buchbinden, lcichte Holzarbeit, Arbeit
im Schulgarten, verbunden mit künstlerischer Blumen-
pflege sowke Modellieren und Graphik.

5. Die Schülerkn wird als spätere Hausfrau
und Mutter die im Werkunterricht erhaltene prak-
tische Anleitung in ihrer Häuslichkeit verwerten.
Als Konsumentin wird sie durch ihre 7?achfrage
das Angebot kn öen einschlägigen Geschästen ver-
bessern und hkerdurch ihrerseits zu eincm kulturcllen
und wirtschaftlichen Fortschritt auf dem Gebket des
Handwerks mit beitragen.
 
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