Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0014

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
23

Kunstlitteratur.

24

gewesen, wenn nicht eine Anzahl Bnrger durch Stif-
tungen dazu beigetragen hätten: sie haben sich dadurch
Denkmäler nicht nur ihrer Kunstliebe, sondern auch
eines seltenen bürgerlichen Gemeinsinns gesetzt.

Dem cigentlichen Langhaus vorgelegt ist ein Por-
tikus mit Unterfahrt; die Seitenfronten öffnen sich in
großen Bogenfenstern nach der Straße, das Buhnen-
haus ist von einer mächtigen Kuppel gekrvnt. Das
Material für Gesimse und Quaderungen ist sächsischer
Sandstein, für die Fläche heller Verblendziegel in zwei
Tönen. Das Giebelfeld des Mittelbaues ist mit einem
Hochrelief von C. Bieber in Berlin geschmückt: die
drei Nornen der nordischen Sage unter der Weltesche,
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kündend. Der
Hintergrund des wundervollen Reliefs ist leicht ver-
goldet. Die Bekrönung des Giebels bildet eine von
C. Lind (Berlin) in Kupfer getriebene Akroterie. Jn
den Nischen zu beiden Seiten des Mittelbaues stehen
zwei überlebensgroße Figuren: Poesie und Wahrheit
von A. Silbernagel (Berlin). Jn den Zwickeln der
Westsront über den großen Bogenfenstern und in den
Flachnischen außen am Treppenhaus sind ornamentale
und sigürliche Darstellungen in venetianischer Glas-
mosaik, die heitere und tragische Muse von O. Lessing
(Berlin), angebracht. Schilder in derselben Ausführung
an den Ausgangsvestibülen des Parguets tragen die
Namen Haendel, Mozart, Beethoven und Wagner.
Ähnliche Darstellungen zeigt die Front der Friedrich-
straße mit Keimschen Mineralfarben von Max Koch
(Berlin) gemalt. Entsprechend der Bestimmung der
einzelnen Räume ist das Jnnere ausgestattet. Das
Vestibül ist in ernsten Formen gehalten, vier schwarze
Marmorsäulen tragen die Decke; zur Zierde gereicht
ihm der reiche Terrazzofußboden. Die Treppenhäuser-
wände im ersten Rang sind mit Stucco lustro bekleidet,
die Treppen selbst mit Marmor belegt. Das guadra-
tische Foyer wird durch die drei mächtigen Fenster des
Mittelbaucs erhellt. Den Ubergang zur Decke bildet
cine Hohlkehle, Vvn zwvlf reich gemalten Stichkappen
durchbrochen. Die Wandpfeiler sind mit Büsten der
großen Dichter und Tonmeister geziert. Die Decke dcs
Zuschauerraumes, iu lichten Tönen und reicher Bergol-
dung gehalten, zeigt, der konstruktiven Teilung folgend,
ein großes Velarium, welches durch acht Zeltstangen
in vier größere und vier kleine Felder geteilt ist.
Weibliche Gestalten in den vier kleinen Feldern versinn-
bildlichen Lustspiel, Schauspiel, Trauerspiel und Oper,
gemalt von Max Koch in Berlin. Die großen Felder
schmücken gemalte Kartuschen mit gemmenartigen
Darstellungen und musikalischen Emblemen. Mit der
Architektur der Decke steht der glänzende Kronleuchter
in Einklang; derselbe enthält im Jnneren 58 Glüh-
lampen und 103 weitere Glühlichter. Die Form des

Kronleuchters, den das Knnstgewerbeblatt demnächst
Abbildung bringen wird, ist die eines mächtigen
hängenden Korbes, deffen Bronzenetzwerk einen aus
Opalglasprismen gebildeten Körper zusammenhält.
(Arbeit, nach Entwurf von Seeling, von Riedingell
Augsburg). Der übrige plastische Schmuck der Decke
nnd der in Gold und Rot gehaltenen Wände ist vou
Bieber, Westphal und Lessing in Berlin modellirt.

Einen würdigen Abschluß des Auditoriums gegeu
die Bühne hin bildet der Hauptvorhang. Er zeigt
in seinem Mittelfelde ein Seegestade in Abendstimmung:
Oberon und Titania schweben auf einem von SchwäneU
gezogenen Wagen durch die Dämmerung, einem Reigeu
der Elfen nach, welcher sich oben in Dunst verliert-
Der zarte Ton dieses Poesievollen Bildes, in reichev
Umrahmung von Blau und Gold ebenfalls von Mak
Koch in Berlin gemalt, ist bei elektrischem Licht von
überaus glücklicher Wirkung.

Hoch erfreulich ist, daß man bei dem Bau von
Verwendung von Surrogaten und schlechtem Material
Abstand genommen hat; man hat weder mit Marnior
noch Metall gespart. So sind z. B. die Reflektoren der
Lampen an den Brllstungen, die Wappen der Stadt
über den Logen u. a. mchr, durchweg in Kupfer ge-
trieben und vergoldet; die Panele im Foyer sind nicht
geputzt, sondern wirklich in Holz ausgeführt u. s. w-
Das erklärt und entschuldigt einigerniaßen, daß dir
Kosten gegen den Anschlag von 425000 Mark ca. 1'Ij
Million Mark betragen. Aber angesichts des Baues
ist das Lamento über diese „Verschwendung" schou
zum Teil verstummt und wird allmählich ganz zur
Ruhe kvmmen. Gut Ding will nicht nur Weile habeu,
sondern kostet auch Geld — für beides ist das Hallesch^
Stadttheater ein Beweis. Dem Meister aber und der
Stadt hier nochmals herzlichen Glückwnnsch. Vivat-
ssgusns! ?.

Aunstlitteratur.

Lrgänzungsheft zu Andresen-Wessely's „Handbuck!
für Rupferstichsammler", enthaltend die seit 1873
erschienenen hervorragenden Blätter nebst zaht-
reichen Nachträgen zum Hauptwerke. Bearbeitrt
von I. Wessely. Leipzig 1885, T. O. Weigel. 8-

Es wird manchem Leser der „Kunstchronik" vieb
leicht sonderbar erscheinen, wenn ein deutsches Buch
über Kunst von Amerika aus kritisirt wird; aber ^
finden sich in dem obengenannten Werke eine Anzah^
von Jrrtümern und Auslafsungen, welche nur >u
Amerika richtig erkannt werden können. Die Kuust
im allgemeinen nnd zumal die Radirkunst haben ebe»
innerhalb der letzten zwanzig Jahre in den Vereinigt^
 
Annotationen