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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Rée, Paul Johannes: Die prämiirten Entwürfe zum Monumentalbrunnen auf dem Plerrer in Nürnberg
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0357

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Nekrolog. — Todesfälle. — Kunstunterricht und Kunstpflege.

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h indurchsausende Lokomotivc der Gegensatz von Dampf-
und Pferdekraft auf das Treffendstc gekennzeichnet?
Und wie glücklich gewählt sind die vier in die untere
Kehlung eingelassenen geflügelten Räder, welchc in
ähnlicher Weise wie die Schnecken das Sebaldusgrab
so hier die Brunnensäule tragen, aber im Gegensatz
zu diesen den Schneckengang der Zeit andeutenden
Trägern auf die Schnelllebigkeit unserer Zeit hin-
weisen! Außer der Weihinschrist und der Darstellung
der Bahneröffnung sind noch in Reliefmedaillons die
Köpfe der Begründer der Bahn in harmonischer Ver-
bindung mit den übrigen Teilen angebracht.

Weniger als dieses vortreffliche, durchaus origi-
nelle Werk will uns der mit dem zweiten Preise bedachte
Dennerleinsche Entwurf behagen, auf dem gleichfalls
der Handel und das Gewerbe einander gegenüber ge-
stellt sind; nur wählte der Künstler statt der allego-
rischen die mytholvgische Form und brachte am Fuße
des aus dem Brunnenbecken aufsteigenden geschweif-
ten Postaments, von dem ein der Nike des Päo-
nios nachgebildeter Genius mit Tuba und Lorbeerkranz
herabschwebt, die Gestalten des Hermes und des Hephä-
stos an. Sehr glücklich war der Gedanke, den Gegen-
satz dcr altcn zur moderncn Befördcrungswcise durch
zwei auf einer Schildkröte und einem feuersprühenden
Drachen reitende Putten anzudeuten, welche den beiden
andern Postamentseiten vorspringen. Aus dem Rachen
dieser Tiere fließt das Wasser in das geräumige
Brunncnbecken. Betrachten wir die Figuren ini Ein-
zelnen, sv können wir dem Künstlcr unsere volle An-
erkennung nicht versagen, denn sie sind echt Plastisch
empfunden und mit besonderer Zartheit und mit Fein-
gefühl modellirt, nur die Gewandung des nicht viel
besagenden Genius ist verfehlt, eine solche Unruhe und
Willkür der Falten ist doppelt störend, wo wie hier
eine an das Klassische anklingende Formensprache ge-
wählt ist. Aber trotz der sonst im Einzelnen bewiesenen
Meisterschaft kann das Werk als Ganzes nicht recht
befriedigen, denn es fehlt den cinzelnen Teilen jene
dekorative Eigcuart^ die sie befähigten, dcn Schmuck
eines Ganzen abzugeben; statt sich gegenseitig zu fördern,
fallen sie auseinander, statt einer Einhcit crblicken wir
eine Reihe von Einzelheiten.

Dies gelang nun in wahrhast genialer Weise dcm
Münchener Bildhauer Maison, aber es ist nicht die
geforderte Jdee, und statt cines BrnnnenS schuf er ein
stattliches Mvnument, an deni dcr Brunnen wie etwas
Zusälliges, Äußerliches erscheint nnd das ohne diese
Zuthat nur gewimien würde. Hätte cs etwa gegvltcn,
aus der Jnsel eines Sees in dem Parke eines Eisen-
bahnkönigs ein Marmorinonuinent zu errichten, das
den Gedanken der Nutzbarmachung der Dampfkraft zu
Verkehrszwecken zum Ausdruck brächte, so könnte in

der That keine glücklichere Lösung gefunden werden,
denn die mit wunderbarer Kraft und Ursprünglichkeit
modellirte Gruppe sprichl diesen Gedanken in monu-
mentalster Weise aus. Über dem durch einen lebhaft
bewegten Triton angedeuteten Wasser erhebt sich mäch-
tig, riesengroß ein Kentaur, das Symbol der Dampf-
kraft, den eine mit einem Fuße auf einem geflügelten
Rade stehende energische ManneSgestalt, gewissermaßen
die Jnkarnation des Stephensonschen Gedankens, an
den Armen gefesselt und seinem Willen gefügig ge-
macht hat. Vortrefflich sind auch die beiden die Mühen
der früheren und die Bequemlichkeit der heutigen Bc-
förderungsweise gegenüberstellenden Reliefs, wennschvn
auch sie etwas zu sehr ins Malerische hinüberspielen.
Wenig zum Ganzen Passen aber die am Sockelfuße
lagernden Puttenpaare mit den Städtewappen. Sie
erscheinen wie die beiden Brunnenbecken als bloße
Accidenzien. Schade, daß es dem Kiinstler nicht ge-
lungen ist, sich den Bedingungen des Prograinmes zu
fügen und statt eines Monumentes einen Monumen-
talbrunnen von gleicher kiinstlerischer Bedeutung zu
schaffen! Dem Monumcnte wünschen wir, daß es
womöglich in schimmerndem Marmor ausgeführt und
an eineni geeigncten Platze aufgestellt würde, denn
diese mit echter Genialität konzipirte Gruppe gehört
zu dcm Besten, was dic Plastik unserer Tage ge-
schaffen hat.

Nürnberg. vr. P. I. Nöc.

Nekrolog.

Der könlgl. preußische Hof- und Mimzmedaillenr
Wilhelm Kullrich, ein Schüler des Bildhauers E. Fischer, ist
am 1. Sept. zu Berlin im li<>. Lebeusjahre gestorben. Er
hat u. a. die Stempel zu den Kriegsdenkmünzen non 18«>4,
l8i!6, 1870 und 1871, somie zu den Medaillen zur Eriime-
rung an die letzten Familienfestlichkeiten des preußischen
Königshauses gravirt.

Todesfälle.

» Friedrich Theodor Bischcr, der berühmte Ästhetiker, ist
am 14. Abends in Gmunden, wo er zum Besnche bei Ver-
wandten weilte, infolge einer dnrch den Genuß von Schwäm-
men entstandenen Jndigestion nach kurzer Krankheit gestorben.
Er hatte am 30. Junb d. I. sein 80. Lebensjnhr vollendet.

Aunstunterricht und Aunstpflege.

Eine Invcntarisation dcr Bau- und K»nstde»kinälcr
soll nuii auch im Königreich Bayern in Angriff genommen
! werden. Eine Kommission (bestehend aus den Herren General-
I konservator Professor Or. W. H. v. Riehl. Galeriedirektor Pro-
fessor v. Reber, königl. Oberingeiüeur Seidel. Professor Kon-
servator Seitz, Konservator Or. Graf. Architekt Gustav v.
Bezold und Privatdozent vr. Berthold Riehl) hat die Grund-
züge sür die Anlage des Werkes festgsstellt und die Herren
llr. Berthold Riehl und Gustav v. Bezold beauftragt, mit
der Aufnahme >n den Bezirksämtern Miinchsn I und II zn
beginnen. Dieselben sind schon vor geraumer Zeit an ihre
Aufaabe herangetreten und waren Dank dem Entgegenkommen
der Verwaltungen und der Pfarrgeistlichkeit ihre Thätigkeit
so zu sördern in der Lage, daß dem niichsten Landtage das
Resultat derselben vorgelegt werden kann, als vollendetes
! Werk und als Probe seiner Fortsetzuiig.
 
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