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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Galland, Georg: Der Meister des Leibnizhauses zu Hannover
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0343

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681

Kunstlitteratur.

682

unterhalb des Familienwappens des Bauherrn don
Lüde, auf einem schmalen Kartuschenschildchen übcr dcm
Mittelfenster des Hauptgeschosscs, die Buchstaben
U . 8 . ., also das Mvnogramm des genannten

Meisters.

Eine Urkunde, die im Jahre 1654, zwei Jahre
nach Vollcndung des Leibnizhauses, in den Knopf dcs
unweit gelegencn Kreuzkircheuturmes gclegt wurde,
ncnnt am Schlusse ebenfalls Hinrich Alfers (Alverß)2)
zusammen mit Adrian Simerding ^) als Maurer-
mcister des Turmbaues. Lorbecren habeu sich dic beiden
Meister durch ihre gemeinschaftliche Leistung nicht er-
worben, denn der Kreuzturm gewährt an seinen untern
Steingeschossen cinen trostlos einförmigcn Anblick.
Daß Simcrding cin mittclmäßigcr Architekt war, be-
weist auch sein, durch das Monogramm Ll. 8., ge-
nügend bcglaubigtes Erbbegräbnis für Johann Duve
Vvm Jahre 1655, welches der Südscite der Kreuzkirche
als kleiner kapellenartiger Anbau von viereckigem
Grundriß vorgelegt ist. Die beiden Fassaden der
Kapelle mit ihren gcschweisten Gicbeln zeigen recht un-
schönc Barockformen. Wie vermochte nun aber sein
gleichwertiger KvNege ein Bauwerk, wie das durch
seine Skulpturen ausgezeichnete Leibnizhaus, zu stande
zu bringen?

Unter diesen Skulpturen, vvn denen die am Erd-
geschoß befindlichen außerordentlich gelitten haben,
fallen mehrere Reliefs durch ihre meisterhaste Kompv-
sition auf, namentlich am Hauptgeschoß eiue Kreuz-
aufrichtnng und eine Grableguug Christi. Näher be-
trachtet vcrlieren indes sämtliche Reliefs durch die rein
dekorative Behandlung der Figuren, durch die Häß-
lichkeit und Ausdruckslosigkeit der Köpfe. Für diese
charakteristische Doppelerschcinung bleibt uns keine andere
Erklärnng Ubrig als: der Erfinder der Neliefkomposi-
tionen und der Bildhauer rcsp. Steinmetz des plasti-
schen Schmuckes der Fassade müssen zwei verschiedene
Persönlichkeiten gewesen sein. Hinrich Alfers, der
Maurermeister des Kreuzturmes, aber ist bloß die
aussührende, also untcrgeordnete Kraft gewesen- Nichts-
destoweniger hat er es für richtig gehalten, seinen
Namen allein an der vorliegenden Bauschvpfung zu
verewigen.

Vvn welchem Künstler rührt nun der Entwurf
zur Fassade des Leibnizhauses her? Meiner Über-
zeugung nach dürften uns die beiden Wandmonu-

1) Abgedruckt in R.L.Hoppe's Gesch. d. Stadt Hannover.
1845. S. 208—210.

2) Jm Sterberegister des Kirchenbuches der Marktkirche
liest man: „16 März 1658 . Hinrich Alvers ein Maurmeister."

3) Dieser Name, mit der Jahreszahl 1660, findet sich
auch an einem alten Silberpokal der Maurergilde gravirt
(Gildestube zu Hannover).

mente, welche links neben dem Duve'schen Erbbegräb-
nis, an der Südseite der Krcnzkirchc, hängen, der
Beantwortung dcr Frage nahc sühreu. Beide — das
eiue fttr Hermann Westenholz (fi 1654), das andcre
für dcssen Gattin Mintha Paxman (fi 1636) gcsctzt
— sind offenbar nach Entwürfen eincs Meistcrs, uni
dic Mitte dcs Jahrhunderts, vou verschiedcnen Händcn,
höchst ungleich ausgesührt wordcu. Mithoff') spricht
von handwerksmäßigen Arbeiten; ich kann diese Kritik
keineswegs für das Grabmal dcr Mintha Paxman
geltcn lassen, welches das Monogramm eines mir un-
bekaunten Mcisters I-, ^V. euthält. Eine Bcschrcibung
der Denkmäler gehört nicht hierhcr. Nur mnß be-
tvnt werden, daß ihr reich dekorirtes Rahmenwcrk im
Stile genau den architektonisch-dekorativen Bildungcn
jener Fassade entspricht. Aber während an dem cinen
Monumente die Profile und Architekturformen, die
Reliefs und sonstigen figürlichcn Tcile, letztere naniciit-
lich durch ihre flache Mvdellirung, sehr nnschön wirkcn,
verdienen an dem andern die architektonischcn Gliede-
rungen, die Statnette Christi und das Relief der
Mitteltafel, eine Darstellung dcs bloli mo lanZors und
der drei zum Grabe wandelndcn Frauen, volle Be-
achtung. Auf diesem Relief erinnert die Schlichtheit
der Figuren, die einfach-beredte poesievolle Schitderung
sowohl an Dürer als auch an Rembrandt .. . Vvn
keinem anderu Mcister, als von dem Anonymus L. >V.,
dem Bildhauer des Grabmals der Mintha Paxman
an der Kreuzkirche, nach dessen Zeichnung eine unge-
lenke Hand — vermutlich die des Alsers oder des
Simerding — das Monument des Hermann Westen-
holz ausgeführt hatte, kann der Entwurf zur Stcin-
fassade des Leibnizhauses, vvrzüglich des Erkers diescs
Gebäudes mit seinen reichen Reliefkompositionen, her-
rühren. Gcorg Galland.

Aunstlitteratur.

vkirAsiidzi, Lt., Larou Kros. in 4". 86 S. mit
27 Textillustrationen. ka.ri8, I/ibruiris äs I'art
(ä. Rouam).

Von den Künstlern, mit welchen die Geschichte
der französischen Malerei in unserem Jahrhundert ihre
Darstellung zu beginnen pflegt, gebührt dem unglUck-
lichen Baron Gros eiu Ehrenplatz. Seinc künstlerische
Leidensgeschichte hat das Jnteresse an seiner Schöpfnng
wacherhalten, und diese selbst scheint in unserer Zcit
mehr und mehr an allgemeiner Wertschätzung zu ge-
winnen. Und das mit Recht, denn er hat, widerwillig
fast, den nachfolgenden Geschlechtern ein Erbe hiutcr-
lassen, das reiche Früchte auf lange Zeit hinaus getragen
hat. HAtte Gros' Wille seinem kttnstlerischen Empfinden

1) A. a. O. S. 73.
 
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