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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Portheim, Friedrich: Zur frühmittelalterlichen Kunst
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Das Altarwerk des Hans Memling im Dom zu Lübeck
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0349

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Das Altarwerk des Hans Memling im Dom zu Lübeck.

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lich zu Einleitungen, Borreden, Kapitelanfängen. Nun
weist aber der konventionell beschränkte Gebrauch eincr
sonst unbekannten Schriftart in einigen gleichzeitigen
Handschristen so bestimmt auf einen gemeinsamen Ilr-
sprung derselben hin, daß wir nicht überrascht sind,
wcnn sich 13 davon wirklich mit mehr vdcr wenigcr
Sicherheit anf Tours zurückfnhren lassen. Daß die
Übcreinstimmung dieser Codices sich auch auf ihren
künstlerischen Schmuck crstreckt, wird von Delisle an
dieser Stelle nur gestreift, aber eingehender berücksichtigt
in seiner Abhandlung über das Sakramentar von
Antun (Onrstcks aroböoloAigns, Bd. 9, 1884, S. 153 ff.
Taf. 20—23). Der Raum mangelt, hier eine Ver-
gleichung mit dcn Handschriften aus Tours durchzu-
führen, welche besonders in den beiden großen Werken
von Bastard abgebildet sind.

Zum Schlusse sei nur nvch in Kürze einiger
wcniger bekanntcr Sakramentare des 10. und II.Jahr-
hunderts gedacht, die für die weitere Entwickelung der
niittelalterlichen Kunst vom größten Wertc scin dürsten.
Es sind die Nummern bei Delisle 41 (Donaucschingen),
40 (Paris, Arscnal Nr. 610), 53 (Chartres Nr. 4),
57 (Svlothurn), 78 (Zürich, Fonds Rcichenau Nr. 75),
82 (Paris, lat. 10501), 84 (Madrid, konigl. histor.
Akadcmie), 88 (Albi, Nr. 6), 90 (Jvrea, Kapitelbibl.
Nr. 86). 91, 95, 96, 98 (Paris, lat. 817, 819, 894,
18005), 105—109 (St. Gallcn 338, 342, 341, 340,
339), 112 (Mailand, Ambrvsiana v. 84 imrt. ink.),
115, 117, 119, 122 (Paris, lat. 10500, 9436, 818,
821), 127 (Rouen A. 287) ungefähr in chronvlogischer
Reihe znsammengestellt. Wie schon der Text der
Sakramentare in seiner Anordnung und seinen Formcln
außerordentlich stereotyp ist, so ist es auch der Bilder-
schmuck. Jn dicsen 24 Handschristcn mit Miniaturen
sindet sich die Kreuzigung — mit Maria und Jvhannes
vder ohne dicse — nicht weniger als 17 Mal immer
zum Anfange des Kanon: vs iZitnr olsinsntissiins

patsr_ Ebenso haben die meisten übrigen Bilder

ihren sestcn Platz inncrhalb des Textes, und sv erklärt
sich ihre häusige Wiederkehr im Bcrhältnis zur
Anzahl der Bilder. Wir sindcn die Gcburt Christi
sechsmal, die Auferstehung und die Ausgicßung
des heiligen Gcistcs sünsmal, die Himmclfahrt vicr-
mal u. s. w.

Ganz besonders muß der Codex 86 der Kapitel-
bibliothek von Jvrea hervorgehoben werden. Er ist
in den ersten Jahren des 11. Jahrhnnderts sür Jvrea
geschrieben und zeichnet sich durch seine intercssanten
Darstellungen aus. Man sieht Ottv III. als Bcschützer
Bischof Warmunds von Jvrea durch die Madonna
gekrönt, das Bildnis Warmunds, die Apostel und
Evangelisten, Geburt Christi, Anbetung der Hirten,
Taufe Christi, die Martyrien der Heiligen Stephanus,

I Evangelist Johannes, Laurentius, die Geburt des
Täufers, das barmherzige Werk dcs heil. Martin,
j Bildcr zur letzten Ölung, zu Tod und Bcgräbnis.

! Von dem eingehenderen Studium dieser Handschrift
^ darf die Kunstgeschichte reichste Fvrderung erhoffen.
Sv liegt überall in Delisle's Arbeitcn das Material
für unsere Wissenschaft bercit, und cs lvhnt viellcicht
die MUHe, darauf hingewiesen zu haben.

Fricdrich Porthcim.

Das Altarwerk des Haus Memling im Dom
zu Lübeck.

Der bckanntc Kunstschriststeller vr. Theodvr
Gaedertz in Lllbcck hat schvn vor längerer Zeit eine
kleine Schrift, betitelt „Hans Memling und desicn
Altarschrein im Dvm zu Lübeck" (Lcipzig, W. Engel-
mann) erscheinen lassen, welche wir hier, leider etwas
vcrspätet, mit cinigen Wvrtcn zur Anzcigc bringen.
Die mit warmem Jnteresse für den Gcgenstand ge-
schriebcne Abhandlnng macht den Eindruck eines Vvr
einem größeren Publikum gehaltenen Vortrags, wie
ihn z. B. der Berfasser alle Tage vor scinen LUbecker
Kunstfrcunden halten könntc und wie er Vvn diesen
ohne Zweifcl mit dem grvßtcn Dank würde aufge-
nvmmen wcrden. Und gcwiß ist cs die Absicht gc-
wesen, mit der kleincn Schrift auf den nächstcn Lcser-
kreis in der Vatcrstadt zu wirkcn. Dicse vvn uns
durchaus gebilligtc Haltung niacht es dcnn auch er-
klärlich, daß einige kunstgeschichtlich bekannte Berhält-
niffe ausführlicher behandelt sind, als nntcr anderen
Bedingungen nötig gcwesen sein würde. Jndesicn
bietet die kleine Schrift einige sehr interessante Mit-
tcilungen, wclche neu sind. Es sind dies, abgesehen
von dcr anf archivalischer Onelle bcrnhenden Fcst-
stcllung der Todcszcit des Mcmling im erstcn O.uartal
des Jahres 1494 durch Mr. James Wcale, während
bisher dcr Dezember 1495 dafür galt (vgl. S. 12),
vor allem die Beziehnngen der Familic Greverade, in
dcrcn Kapelle der köstliche Altarschrein Vvn altersher
steht, sowvhl zu der Kirche im allgcmcinen als nuch
zn der Stadt Brügge und zu dem Kunstwerk des
Mcmling im bcsonderen (vgl. S. 22—26). Danach
kann es kaum noch einem Zweifel unterliegen, daß
einer der beibcn Brüder Adolf und Hcinrich Greveradc,
wahrscheinlich der erstere, welcher früher Presbyter in
der slandrischcn Stadt Loewen war und 1497 zum
Kanonikus bcim Lübecker Domkapitel crnannt wurde,
direkt den Memling mit der Ansführung dicses herr-
lichen Altarwerkcs bcanftragte. Denn die von ihi»
mittels Testamentes vom Jahre 1501 gestiftete und
ausgestattete Bikarei wurde unter demselben Titel
suv tilulo sulutiksrns orueis sunotoruwgus lolmnnix
 
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