Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

DOI Artikel:
Die neue Fassade des Florentiner Domes
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0292

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
579

Kunstlitteratur.

580

Madvnnenfigur von der Hand des Prof. Tito Sar-
rocchi sticht um so niehr in die Augen, weil die Schar
der zwölf Apostel, welche unter kleineren Baldachinen
ihr zur Seite aufgereiht fast die ganze Breite des
Baues fllllen, nns recht gleichgiltig anmuten. Am
wenigsten befriedigen die Statuen, welche zu den Seiten
des Hauptportals vom Beschauer aus nächster Nähe
betrachtet werden können: die beiden Figuren der heil.
Reparata und des heil. Bischofs Zenobius. Es über-
rascht, an deren Fußgestell dieSignatur A. Duprü zu
lesen. Doch hüten wir uns, mit diesen kläglichen
Leistungen nicht auch den berühmten Bildhauer dieses
Namens zu verurteilen. Dessen Taufname war Gio-
vanni, wogegen wir es hier mit einer Amalia Duprö
zu thun haben. Wer sich den Genuß, welchen das
Ganze bietet, nicht verderben will, dem möchte ich auch
raten, die drei großen Mosaiken in den Lünetten der
Portale nicht eben genau sich ansehen zu wollen. Tech-
nisch ist ja nichts dagegen einzuwenden. Sie kommen
aus den Wcrkstätten der verdienstlichen Societü Musiva
in Venedig, in denen neuerdings auch für England
und Amerika Außerordentliches geleistet worden ist.
Was aber an diesen Mosaiken befremdet, das ist die
Ausfassung und Behandlung der Vorwürfe, wie sie in
den Kartons der Maler für die Übertragnng in Mosaik
zuni Ausdruck gekvmmen sind. So besonders im
Hanptpvrtal die zienilich triviale, um nicht zu sagen
brutale Christusfigur. Dieser leere Schwätzer im Kreise
der Heiligen, dieser eitle Fakir in modischeni Gewande
ist nur eine Larve. Nur wenige Schritte entfernt, ihm
gegenüber, steht die Christusfigur des Andrea Sanso-
vino (1529), nach meiner Empsindung Lie anziehendste,
am seinsten aufgesaßte plastische Darstellung Christi in
der ganzen italienischen Renaissance. Bon der Auf-
fassung des einen Künstlers zu der des anderen sührt
keine Brücke. Diese Mosaiken in den Lünetten der
Portale haben überhaupt nichts von florentinischer
Kunst an sich. Will oder soll man aber einen Ehren-
titel ihnen anhängen, so kann man wohl sagen, sie
hätten eine entfernte Ahnlichkeit mit den Werken des
Tiepolo oder des Sebastianv Ricci. Man hat bei dem
Entwurf sür Liese Mosaiken offenbar das klassische
Vorbild verschmäht, welches an der Porta della Man-
dorla in dem Mosaik der Verkündigung Domenico
und David Ghirlandajo aufgestellt hatten (1490).
Beruhigend wirkt sür das Auge das schön komponirte
Biarmorrelief im Tympanum oberhalb jener Christus-
gestalt mit Heiligen, von der Hand Passaglia's nach
Angaben des Prof. Augusto Conti, welch letzterem dic
Erfindung und Verteilung aller an der Fassade dar-
gestellten Gegenstände zu verdanken ist. Hier freilich ist
demKünstler ein archäologischrecht absvnderlichesThenia
gegeben worden: die Bnndeslade des Neuen Testa-

mentes. Wir sehen hier nämlich eine große Madonnen-
gestalt, gegen Schutzflehende die Arme ausbreitend, und
zu ihren FUßen das Lamm der Apokalppse mit deni
Buch der sieben Siegel, gerade wie auf altchristlichen
Mosaiken, wo natürlich immer eine Christusgestalt die
Stelle dieser Madonna einnimmt, so daß man hier
unwillkürlich einer optischen Täuschung sich zeihen
mochte, bis man mit bewaffnetem Auge über den Per-
sonenwechsel sich ganz klar geworden ist. Sieht man
dann genauer zu, so entdeckt man noch zu den Seiten
der Madonna historische Persönlichkeiten, wie Christoph
Kolnmbus, Katharina von Siena und Papst Pius V-
Wie gesagt, der Künstler hat es hier verstanden, dic
Gelehrsamkeit möglichst zu bemänteln und durch seine
schönen Formen sie aus unserem Gedächtnis zu bannen.

Aber ini Figurenschmuck der Fassade solltcn nicht
nur religiöse Jdeen, sondern auch die Grundzüge der
modernen Civilisation zum Ausdruck kommen. Aus
diese bezieht sich die Neihe vvn Büsten in Medaillons
oberhalb der mittleren Fensterrose: Dante, Petrarca,
Brunellesco, Palestrina, Giotto, Leonardo da Vinci,
Michelangelo, Naffael und andere, lauter Gestalten, in
denen die Porträtähnlichkeit, soweit sie bekannt ist,
trotz der großcn Entfernung ins Auge springt.

Die Büste des vor wenig Jahren verstorbenen
Architekten der Fassade E. de Fabris ist an demselben
Tage wie die Fassade selbst im Jnnern des Domes
enthüllt worden.

Die Kosten werden ans ungesähr 900000 Francs
berechnet, was als sehr mäßig auffallen muß, zumal
wenn man bedenkt, daß das Munizipium sür die Feier
der eben überstandenen Feste aus seinem Säckel das
Sümnichen von 300000 Francs hat fließen lassen.
Es ist wohl erlaubt, zu sagen, daß die neue Fafsade
des Florentiner Dvmcs den beiden ähnlichen Meister-
werken aus dem 14. Jahrhundert in Siena und Or-
vieto ungescheut an die Seite gestellt werden darf, und
daß dieser ihr Ruf dauern werde.

Florenz, Ende Mai 1887. I. P. R.

Aunstlitteratur.

Nuspero, 6., I.'L.rvüsolo8ie sAz-xtislllls. (Liblio-
tüögns äs l'snssiMSmsnt clss bsaux-arts). karis 1887,
tzuautill.

/. Nachdem Perrot und Chipiez versucht haben, uns in einem
unbequem weitschweifigen, wenn auch gewiß inhaltreichenBuchs
eine Darstellung der ägyptischen Kunst zu geben, und so manchs
neuerliche Veröffentlichungen deutscher Gelehrten den gleichen
Gegenstand für die Bedürfnisse des Laienpublikums bearbeite-
ten, schien es mehr denn je geboten, die Summe so eifriger Stu-
dien und Bemühungen in einem handlichenBande zusammenzu-
fassen. Daß sich ein Meister im Bereiche der Ägyptologie, der
feinsinnige Konservator des Bulaker Museums, dieser schwie-
rigen Arbeit unterzogen hat, des werden selbst die Fach-
genossen Maspero Dank wissen. Die Art, wis der Verfasser
des vorliegenden Abrisses der ägpptischen Kunstarchäologie
seinen weitschichtigen Stoff zu gliedcrn weiß, wie er durch
 
Annotationen