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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Fendler, E.: Die Konkurrenz um das Lübecker Geibeldenkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0235

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22. Iahrgang.

Nr. 29.

1886/87.

Aunstchronik

28. April.

lVochenschrift für Aunst und Runstgewerbe.

Ankündigmigsblatt des verbandes der dentschen Aunstgewerbevereine

^erausgeber:

Larl v. kützow und Arthur j)abst

wien Berlin, XV.

Lxpedition:

Leixzig: L. A. Seemann, Gartenstr. Z5. Berlin: w. ks. Kübl, Jägerstr. 73.

Die Runstchronik erscheint von Vktober bis Lnde Iuni wöchentlich, im guii, August und Septenlber nur aller IZ Tage und kostet in Verbindung
nrit dein Runstgewerbeblatt halbjährlich 6 Mark, ohne dasselbe ganzjährlich 8 Mark. — gnserate, L 30 j)f. für die dreispaltige ssetitzeile,
nehmen außer der verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein L vogler in teipzig, wien, Berlin, München u. s. w. entgegen.

-)nhalt: Die Ronkurrenz um das Lübecker Geibeldenkmal. — Gotlfried von Neureuther f; j)aul ssietsch f; S. N. Rramskoy f. — Die Gemälde
von Dürer und wolgemut in Lichtdruck, mit Text von B. Riehl. — Münchener Ronkurrenzen. — Friedrich Eggers - Stiftung in Berlin.
Fritz v. Nhde. — Dtto Aönigs Modell einer Brunnengruppe; Das programm für die Donatellofeier in Florenz; Die romanische Stifts-

Die Aonkurrenz um das Lübccker Geibeldenkmal.

Dem im vorigen Sommer von Lübeck her er-
gangenen Anfruf zum Wettbewerb um die Ausfnhrnng
des Denkmals, das dvrt zum Gedächtnis Emanuel
Geibels errichtet werden soll, ist von nicht weniger als
bierzig Künstlern entsprochen worden. Nach bereits
getroffener Entscheidung der Jury wnrde in den hier-
sür allerdings kaum genügenden, wenig günstig be-
leuchteten Räumen des Lübecker Logenhauses auf kurze
Zeit eine öffentliche Ausstellung der eingegangenen
Skizzen veranstaltet. Ein Blick auf sie ist an dieser
Stelle sicher geboten; doch kann es sich selbstverständ-
iich nicht um eine eingehende Musternng sämtlicher
Entwürfe, sondern vielmehr nnr darum handeln, das
Ergebnis der Konkurrenz in Kürze zu beleuchten und
auf das hinzuweisen, was mehr oder weniger einen
wirklich künstlerischen Gewinn bedeutet.

Darüber, daß das Programm einer Konkurrenz
nicht bloß die Künstler, sondern auch den Denkmals-
cmsschuß an die gestellten Bedingungen bindct, scheint
nian sich in Lllbeck kaum Vvllig klar gewesen zu sein.
Nach dem Programm sollte die Jury aus den Bild-
hauern Reinhold Begas, Schaper und Donndorf, so-
kvie aus zwei Lübecker Juristen bestehen; als Begas
indes in letzter Stunde absagte, trat an die Stelle des
Künstlers, von dessen ausgesprochen sreier Richtung
niancher Konkurrent vielleicht gerade das entgegen-
koinmendste Verständnis seiner Arbeit erwarten durfte,
als Ersatzmann ein dritter Jnrist, dessen künstlerische
Kompetenz wenigstens in keinem Fall als eine allge-
N'ein anerkannte zu gelten vermag. Kann ein solches

Verfahren das Mißtrauen gegen unser moderncs Kon-
kurrenzwesen nur noch bestärken, so scheint es, als ob
überdies nun in den Erwägungen der so veränderten
Jury Gesichtspunklc von sehr sragwiirdiger Berech-
tigung mitgesprochen, andcre von entscheidender Bc-
dcutung sich kaum zur Geltung gebracht haben. Aiit
Befremden hvrt und liest man in den Erorternngen,
die sich in Lübeck an den Audfall der Kvnkurrcnz
knüpfen, immer wiedcr von dem Gewicht, das durch
das Urteil der Familie Geibels in die Wagschale ge-
worfen wurde. Jst dadurch aber in der That die
Entschließung bestimnit worden, so hat man in falsch
verstandener Pietät die Sache vor das vielleicht am
wenigsten zuständige Forum gebracht, den wesentlichen
Unterschied zwischen der Aufgabe der Statuette nnd der
des nionumentalen Standbildes außer Acht gelassen.
Wie weit die intime Porträtähnlichkeit, die der ersteren
zukommt, erreicht, das gewohnte Wesen und Gebahren
des Menschen in seinen feinsten Zügen belauscht ist,
werden die nächsten Angehörigen vielleicht am sichersten
zu beurteilen wissen; zu der Antwort auf die Frage,
ob das für die ganze Nativn und sür die Dauer von
Jahrhunderten bestimmte Lffentliche Standbild des
Dichters den künstlerisch treffendenAusdruck seiner ganzen
geistigen Persönlichkeit darstelle, wird dagegen gerade
der ferner stehende Beschauer um so eher berufen sein,
als die endgiltige Entscheidung hierllber ohnehin erst
von einer späteren Generation zu erwarten ist. Zu
dieser Forderung einer monumentalen Fassung der
Statue und einer Charakteristik vom höheren Stand-
punkt als dem des vcrtrauten Berkehrs aus tritt aber
nvch die der Erwägnng des Laien am sernsten liegende
 
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