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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [1]
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Levin, Th.: Die Ausstellung von Bildern älterer Meister zu Düsseldorf, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0228

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451

Die Ausstellung von Bildern älterer Meister zu Düsseldorf,

452

der Behandlungsart jener Wiener Meister bemerken.
Die Vorliebe fiir exotische Stoffe, für blendende Farben-
pracht und breite dekorative Malerei, wie sie durch
Makarts zündendes Beispiel zur Tageslosung geworden
war, beginnt in ihr Gegenteil umzuschlagen. Das
gegenständliche, lokale, zeitgeschichtliche Jnteresse, die
Freude an der novellistischen Erzählung, an der Schil-
derung einfacher menschlicher Zustände und Schicksale,
überhaupt der Sinn für das Was, nicht nur für das
Wie der Kunst fängt wieder mächtig an sich zu regen.
Es wären etwa zwanzig Bildchen aufzuzählen, welche
die Ausstellung als Belege für diese Wahrnehmuug
bringt. Anton Müller, Josef Gisela, Jsidor Kauf-
mann, Johann Hamza, Karl Zewy und Karl v.
Merode sind die Urheber dieser kleinen Meisterwerke.
Alle fünf waren Zöglinge Ler Wiener Akademie und
arbeiten gegenwärtig meistens sür Len hiesigen Kunst-
händler Schwarz, welcher in der geschilderten Kllnstler-
gruppe so zu sagen eine eigene Schule von Genre-
malern herangebildet hat. Man mag über ein solches
Verhältnis und die dadurch herbeigeführte Abhängigkeit
des Künstlers von seinem Austraggeber denken, wie
man will: jedenfalls haben wir demselben eine volle
Garbe reizender kleiner Schvpfungen zu verdanken und
kvunen von der im Aufstreben begriffenen Generation,
die sich hier geltcnd macht, noch das Tüchtigste er-
warten. Die meisten der genannten Genremaler ent-
nehmen ihre Stoffe aus der unmittelbaren Gegenwart
und aus der bllrgerlichen Sphäre: die Werkstatt des
Schlossers, des Schusters, das Zimmer der Blumen-
macherin, der Wäscherin, mit ihren bald urkrästig
derben, bald blllhend frischen und lustigen Jusassen
werden uns mit Ler miuutivscn Detailmalerei eines
alten Niederländers vor Augen geführt; wir sind die
Zeugen der gemütlichen, heiteren oder der wehmütig
ernsten, ergreifenden Scenen, die sich auf diesem kleinen
Ausschnitt der Weltbühne abspielen; und wir svlgen
den Erzählern aller der schlichten Erlebniste und Er-
fahrungen gern, weil sie ganz harmlose Plauderer,
naive Schilderer von echter, wahrer Auffastung und
Empfindung sind. Eine Ausnahme in gegenständlicher
Hinsicht macht der besonders als trefflicher Darsteller
des Rococozeitalters bekannte Johann Hamza. Er
ist auch in seinem „Taschenspieler" diesem Genre treu
gebliebeu und kultivirt es mit einer Delikateste und
Geschicklichkeit, an welcher Meissonier seine Freude
haben würde. Alle übrigen Bilder gehörcn der un-
mittelbaren Gegenwart und dem Wiener Leben an,
vhne gerade das lokale Element in übertriebener Weise
zu betoneu. Die meisten zeigen noch eine gewisse
Trockenheit und plastische Kälte der Behandlung; wir
werden allzu ost an des Dichters Wort erinnert, daß
„hart im Naume sich die Sachen stoßen." Aber lieber

zu viel des Fleißes und der herben Wirklichkeit als jenes
gedankenlose Hinarbeiten aus„Ton" und „Stimmung",
in dem eine Zeit lang jeder Pinsel das Arcanum der
Malerci zu besitzen wähnte. An weicher, zart ver-
schmolzener Ausführung sehlt cs übrigens den genannten
jungen Künstlern durchaus nicht gänzlich; Merode's
„Zeitungslektüre" kann dafür u. a. als Beleg dienen.

Überblickt man die Reihe dieser jungen Klein-
meister im Ganzen, so eröffnet sich der Blick auf eine
gesunde Erhebung unserer volkstümlichen Malerei. Die
Talente sind in Fülle da; nun, Staat und Liebhaber,
thut Eure Pflicht, kauft und bestellt, damit der Früh-
ling zu reifer Ernte gedeihe! I-.

Die Ausstellung von Bilderu älterer Bleister
zu Düsseldorf.

(Fortsetzung.)

Die vlänüsche Genremalerei war zwar nur durch
wcnige Namen, aber gut vertreten. Eine große Bauern-
kirnies mit ciner in kulturhistorischer Beziehung höchst
interestanten und reichen Volksscenerie von Peter
Brueghel d. I. (F. Jttenbach-Burg Gymnich) erschien
in ihrer tadellosen Erhaltung nnd mit der Signatur
von 1624 als ein durchaus galeriewürdiges Bild. Eine
zweite auf den Namen des Meisters gebrachte ver-
wandte Darstellung (Maler H. Aschenbroich-Düsseldors)
ist eine Replik des Bildes Nr. 459 a im Rijksmuseum
zu Anisterdam und wird im neuesten Katalog als
„dem alten Brueghel zugeschrieben" bezeichnet. Jcb
glaube, bei der im Verzeichnis ausgesprochenen Ansicht,
daß wir es hier mit einem selbständigen, wahrschein-
lich holländischen Kllnstler zu thun haben, stehen bleiben
zu dürfen.

Bon neun Bildern des jüngeren Teniers, die wohl
nicht alle Anspruch auf Echtheit erheben konnten, doch
ausnahmslos durch ihre Erscheinung interestirten, sind
in erster Reihe zwei kleine Jnterieurs mit je zwei
Figuren aus dem Bauernkreise (Esterhazy-Nordkirchen)
zu nennen, fein und silbertöuig. Farbenreicher und
auch als Bild bedeutender das Jnnere eines Pferde-
stalles vom Jahre 1647 auf Kupfer (Oppenheim-
Kvln). Teniers der Vater zeigte sich in einer Ver-
suchung des heil. Antonius (Prof. Andreas Müller-
Dllsteldors) Vvn jener charakteristischen Seite, die eine
Verwechselung mit dem Sohne nicht zuläßt. Solche
Beispiele sind nicht häusig — das bedeutendste Bild
der Gattung hatte Driburg in einem umfangreichen
Werke des David Ryckaert (III) geliefert. Die Dar-
stellung vlämischen Familienlebens im bäuerlichcn Kreise
gewinnt durch den anmutigen Kinderreigen im Border-
grunde rechts eine Veredlung, die ihr in ihrer male-
 
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