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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Die beiden Palazzi Odescalchi in Rom
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Schumann, Paul: Blondel, Nehring und Broebes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0172

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339

Blondel, Nehring und Broebes.

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bildet einen jener kühnen Durchgänge, in deren Kon-
struktion sich die Architekten des 15, Jahrhunderts mit
Vorliebe ergingen, und erinnert an die Treppenanlage
im Palazzo Piccolomini in Siena.

Die Jnnendekoration des Gebäudes ist stilistisch
in vollständiger Harmonie mit desien Architektur.
Gleich das Eintrittsgemach ruft uns die Legende vom
Ursprung der Familie ins Gedächtnis zurück. Die
Wölbung zeigt inmitten von byzantinischen Orna-
menten das Siegel Karls des Großen und rings um
dasselbe die Namen der zwölf Ritter der Tafelrunde,
zu denen Odescalcho gehört haben soll. Der zweite
Saal sührt einer anmutigen Fürstin zu Ehren den
Namen Sala Rucellai. Man sieht daselbst das Wappen-
schild dieses hochadeligen Florentiner Hauses, vereinigt
mit dem der Mediceer (Nannina, des Piero de' Medici
Tochter, heiratete den Bernardo Rucellai) und an
den Wänden ringsherum die Porträtmedaillons ihrer
Vvrfahren mit der Devise: Odi non llu äi ss olls äirs
OI ins xurlurs sl xiZII uräirs (Wer über fich selbst
nichts zu sagen weiß, wage Lber mich etwas zu sagen).
Den Römersaal verzieren Medaillons der Cäsaren,
den Ghibellinensaal der allegorische Windhund Dante's
im Mittelpunkte des Gewölbes zwischen den Wappen
der beiden Familien, die umgeben sind von den pro-
phetischen Versen des großen Florentiners in gotischen
Lettern. Der Guelfensaal hat als Schmuck die Schlllssel
und die Tiara mit der Devise Jnnocenz' XI. (Odes-
calchi): Nslius sst äurs guuiu uooixsrs. Der Familien-
saal erinnert an die segensreiche Verbindung der
Odescalchi und Ruccllai. Vier Medaillons, mit den
Wahlsprüchen beider Familien als Legenden, weisen vier
Figuren, allegorische Darstellungen von vierStädten auf:
Como, der Wiege der Odescalchi, Sirmium, von welcher
die Odescalchi den Titel von FLrsten des heiligen
römischen Reiches empfangen, Florenz, wo die FLrstin
Odescalchi das Licht der Welt erblickt, Cypern, wo
die berühmten Florentiner Wollenhändler, die Vor-
fahren dieser Fürstin, die Farbpflanze geholt, die ihren
Erzeugnissen den Weltruf verschaffte und von der sie
ihren Familiennamen ableiteten: Oricellum (Rucellai).
Die nichtgewölbten Gemächer, in den beiden oberen
Geschossen zahlreicher als in dem unteren, zeigen holz-
geschnitzte Kassettendecken, ähnlich denen im Dogen-
palaste zu Venedig. —j—.

Blondel, Nehring und Broebes.

Alles schon dagewesen, selbst der Streit, den im
19. Bande die Herren Architekten Gurlitt und Wallö
Lber den Urheber des ersten Entwurfes zum Berliner
Zeughause ausfechten, ohne wie es scheint Kenutnis
von Lem vorausgeheuden zn haben. Wie dort an

- einer Stelle angedeutet ist (Kunstchronik XIX., Nr. 44)
trat Humbert für Blondel ein, wurde deshalb in
einem nicht unterzeichneten und nicht datirten Briefe
angegriffeu und veröffentlichte uns llsttrs pour ssrvir
äs äslsnss ä la Isttrs sur I'arsllitsoturs slvile.
Jngenieur-Major Humbert in Küstrin sagt 1738 in
seinem Briefe an den Kapitän von Knobelsdors
folgendes: „Seit langer Zeit zeichnct sich Berlin durch
mehrere Männer aus, die sich in Kllnsten und Wisieu-
schaften ausgezeichnet haben; es herrscht dort ein Ge-
schmack, der dieser Stadt einen Ruf erworbeu hat, den
wenige deutsche Städte sich schmeicheln können zu
haben: seine Größe, seine Regelmäßigkeit, mehrere
öffentliche und private Gebäude, die einen nichts
weniger als gotischen Geschmack haben, machen diese
Stadt sehr ansehnlich. Sie verdient in mehr als einer
Hinsicht den Besuch der Reisenden. Vor allem ist ein
Gebäude der Aufmerksamkeit der guten Architekten
würdig. Jch meine das Zeughaus, ohne alle Frage
eines der schönsten Gebäude dieser Art in Europa.
Herr Blondel hat den ersten Plan dazu ge-
liefert (Blondel, Feldmarschall der königl. Heere,
Lehrer der Mathematik des Dauphins und Direktor
der Bauakademic, hatte große Austräge im Kriege zu
Wasier und zu Lande. Er war auch zu verschie-
denen Verhandlungen in Berlin, Kopenhagen
und an anderen Höfen verwandt wvrden). Es wurde
dann von Nehring begonnen, der es wahrscheinlich
vollendet haben würde, hätte der Tod ihn nicht daran
gehindert. Grüneberg bekam nach ihm die Bau-
leitung, gab aber deu Mauern nicht die nötige Dicke;
auch senkte sich ein Teil des Gebäudes und der Giebel
stürzte ein. Herr v. Bodt erhielt vom Könige den
Befehl, dieses Unglück wieder gut zu machen und das
Gebäude zu vollenden. Es gelang ihm wunderbar;
auch war dazu niemand fähiger als er. Er hat sich
nicht ängstlich an den ersten Plan gehalten; er hat
besonvers dieSchmuckteile der Fasiaden vervollkommnet"
u. s. w. „Am Haupteingange sieht man im Erdgeschosse
vier große Standbilder von Hulot, einem sehr tüch-
tigen Bildhauer. Herr Baron v. Pöllnitz bezeichnet
sie irrtümlich als die Haupttugenden; ihre Beizeichen
weisen sie als Arithmetik, Geometrie, Mechanik und
Pyrotechnik aus. Das Rundbildnis des verstorbenen
Königs in vergoldeter Bronze von Schlüter befindet
sich in der Thürbekrönung, umgeben vom Nuhme und
dem Siege nebst einer lateinischen Jnschrist in goldenen
Buchstaben, zu Ehren des Königs. Der Sims des
ganzen Gebäudes endigt in einer Balustrade, deren
freie Endstücke Trophäen von ausgezeichuetem Ge-
schmack tragen, gemacht von Weinmeyer (muß heißen

Wehmeyer) und Hulot_ Der Hof des Zeughauses

ist viereckig. Die stcinernen Helme, welche die Schluß-
 
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