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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Die neue Fassade des Florentiner Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0291

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22. Iahrgang.

Nr. 36.

^886/87.

Aunstchronik

s6. )uni.

Mochenschrift sür Runst und Aunstgewerbe.

Ankündigungsblatt des verbandes der deutschen Runstgewerbevereine

t^erausgeber:

Larl v. tützow und Arthur j)abft

wien Berlin, XV.

Lxpedition:

keixzig: L. A. Seemann, Gartenstr. zL. Berlin: w. ch. Kühl, Iägerstr. 72.

Die Kunstchromk erscheint von Vktober bis Lnde Iuni wöchentlich, im Iuli, August und Leptember nur aller ^ Cage und kostet in verbindung
mit dem Aunstgewerbeblatt halbjährlich 6 Mark, ohne dasselbe ganzjährlich 8 Mark. — Inserate, L 30 ssf. für die dreispaltige ssetitzeile,
nehmen außer der verlagshandlung die Annoncenexpeditionen oon tzaasenstein L vogler in teipzig, wien, Berlin, München u. s. w. entgegen.

tär in Athen. — Archäologische Gesellschaft in Berlin; Der „Steiermärkische Landesmuseumsverein goanneum" in Graz; Des Rrefelder
Museumsverein. — gnr Aonzerthause zu Berlin; Der künstlerische Nachlaß des Architekten H. Spielberg. — Das neue archäologische
Museuni in Rom; willem Ralf als Landschafter; vollendung in venedig; Der ssalazzo Foscari in Venedig; ^ayn-Denkmal in wien.—
Neue Bücher. — Zeitschriften. — Inserate.

Die neue Fassade des Florentiner Domes.

Am Vormittag des 12. Mai ist dic Fassade des
Domes von Florenz mit würdigem Ceremoniel seier-
lich cnthnllt worden. Es begreist sich, daß der erste
Eindruck eines so umfangreichen Kunstwerkes unter
diesen Umständen ein überwältigender war, und so
haben wohl auch alle Berichterstatter mit einmütiger
Aufrichtigkeit ihre Lobeserhebungen dieser Fassade in
alle Welt posaunt. Die Aufregung der Feststimmung
ist seitdem verronnen, die zahlreichen Festgäste, welche
den Verkehr in den Straßen dcr Stadt schier unmvg-
lich zu machen drohten, haben derselben wieder den
Rücken gewandt, und von all dem Rausch der Feste
ist deni Florentiner in der Hauptsache nur seine Dom-
sassade geblieben, mit der er sich nun in aller Ruhe
auseinandersetzen kann. Jch glaube, in den weiten
Kreiseu der Künstler, der Gelehrten und überhaupt der
Gebildeten ist man jetzt schon darüber völlig einig,
daß die neue Domfassade in allen wesentlichen Punkten
eine wahre Zierde von Florenz ist, daß die böse Kon-
kurrenz, welche hier der nebenanstehende Campanile
und das gegenüberstehende Baptisterium mit seinen
Thüren des Ghiberti und seinen Statuen des Andrea
Sansovino den modernen Architelten und Bildhauern
wachen, schließlich keine erdrückende ist.

Jch kann mich auf keine eingehende Beschreibung
oder Erklärung der Fassade einlassen, von der jetzt Ab-
dildungen in allen Formen und Größen überallhin
berbreitet werden. Das in seineni Aufbau wohldurch-
dachte Ganze zu analhsiren, würde hier auch zu viel
Raum in Ansprnch nehmen. Wenn die Domfassade

im Gegensatz zu den sie umgebenden älteren Bauwerken
dnrch ihre Neuheit und durch den frischen Glanz zu
ihrem Nachteil absticht gegen die reizvolle Patina, welche
jenen die verflossenen Jahrhunderte verliehen haben, sv
kann man dafür einen Ersatz finden in dem wohl-
thuenden, wenngleich durchaus modernen Gesamteffekt,
in dem das malerische Element den Ansschlng giebt.
Mit den weißen Marmorflächen verbinden sich Füllungen
von dunkelgrünem und dunkelrotem Marnior. Die
Lllnetten über den drei Portalen erglänzen im herrlich
bunten venezianischen Mosaik, Ler Fond verschiedener
Nischen zeigt wieder andere Mosaiken von tiesem
Himmelblau mit goldenen Sterncn, hier und da ist
für den Hintergrund der Figuren eine reiche Ver-
goldung gewählt. Dazu kommen die kräftigen Glie-
derungen der architektonischen Teile, welche Licht mit
Schatten in Abwechselung setzen, und so auch das ihre
dazu beitragen, den Kontrast gegen die genannten
älteren Werke und gegen die buntfarbige Marmor-
bekleidung der übrigen Außenwände des Domes zu
mildern.

Die Ansführung im Einzelnen ist natürlich auf
viele Hände verteilt gewesen. Unbedingt loben darf
man die Ornnmentik in allen ihren Teilen. Unter
den Marmorstatuen findet die meiste Anerkennnng, und
wie ich glaube, verdientermaßen, die Gruppe der Ma-
donna mit dem Christkind unter einem Baldachin
oberhalb der Lünette des Hauptportals. Der zum Teil
vergoldete Mantel drapirt auch das Haupt, Mutter
und Kind sind würdige Gestalten, — das Vorbild
moderner sranzösischer Maler, welche diesen Typus er-
funden haben, allerdings nicht verleugnend. Diese
 
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