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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Entdeckung eines etruskischen Tempels
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Toman, H.: Über die Gemälde von Geertgen van Sint Jans, des Meisters vom Tode Mariä und des Hugo van der Goes in der Galerie des Rudolfinums in Prag, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0316

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627

Über die Gemälde von Geertgen van Sint Jans.

628

anderesBruchstücküber dieseGottheitAufschluß. Vielleicht
gehörte auch eine neben dem Sockel gefundeue Lanzen-
spitze von Bronze zu der Statue.

Die Tempelwände waren mit Frescomalerei ge-
schmückt. Dieselbe stellte auf 4 Centimeter dickem Be-
lag von weißlicher Terrakotta in Weiß und Rot auf
schwarzem Grunde große menschliche Gestalten dar, die,
durch Palmetten geschieden, jede ein besonderes Feld
einnahmen. Jhre Reste genügen, um jene gereifte, aus
Gräbern von Orvieto und Tarquinii bekannte Kunst
erkennen zu lafsen, welche schon griechisch-römische Züge !
trägt, ohne doch jede etruskische Eigenart abgelegt zu
haben. Ein Fries und ein Karnies aus Terrakotta j
krönten die Wände; Löcher in ihren Resten beweisen,
daß beide mit Nägeln am hölzernen Oberbau befestigt
waren. Das Giebelfeld war mit Terrakvttafigurcn von
hoher Schönheit geschmückt, die nach Ausweis der Über-
bleibsel der griechisch-römischen Kunstblüte angehörten.
Das Dach von Holz war mit Dachziegeln aus der-
selben weißlichen Terrakotta, wie solche die Wände be-
kleidete, gedeckt. Ob die Säulenhalle sich auch an den
Seiten des Tempels entlang zog, ist noch unsicher, aber
wegen der Flügel mit Anten wahrscheinlich. Der
Breite des Tempels von 43 entspricht eine Länge von
50 Meter.

Die große Bedeutung dieser Entdeckung liegt auf
der Hand. Wir haben hier das erste und einzige Bei-
spiel des Grundrisies eines großen etruskischen Tempels.
Zwar war der Tempel des Capitolinischen Jupiter in
Rom nach etruskischer Norm gebaut, aber wir kennen
denselben nur aus geringen Resten und aus einer
kurzen Beschreibung, welche Dionys von Halikarnassos
(Hist. IV, 61) von dem durch Sulla bewirkten ersten
Wiederaufbau desselben giebt. Weder dort noch in
Vitruvs Mitteilungen über den tuskischen Tempelbau
findet sich die geringste Andeutung von einem apsis-
artigen Teil, wie der Tempel von Faleria ihn auf-
weist, und es fragt sich, ob bei letzterem eine Abweichung
von der Regel oder die Regel selbst vorliegt. Es
wäre zumal im Hinblick auf den Archaismus dcs
Götterbildes sehr wohl denkbar, daß jene Apsis als ein
uralter einst selbständiger Bau in einen Neubau ein-
bezogen worden ist. (Köln. Zeitg.)

Über die Gemälde von Geertgen van 5int Ians,
des Meisters vom Tode Mariä und des Hugo
van der Goes in der Galerie des Rudolfinums
in j)rag.

Seit der Anfstellung der Galerie der patriotischen
Kunstfreunde im Rudolsinum ziehen einige Perlen der
altniederländischen Malerei die Aufmerksamkeit der Be-
sucher auf sich. Es sind dies namentlich drei Werke,
von denen eines zwar seit einiger Zeit den richtigen

Namen trägt, zwei jedoch bis heute unter falschen Be-
zeichnungen verborgen sind. Sie sind sämtlich als
kaiserliches Eigentum wohl schon bei der Begrllndung
der Galerie hier aufgestellt gcwcsen, erscheinen minde-
stens schon in dem Kataloge vom Jahre 1838 ver-
zeichnet.

Jch meine vor allen den Flügelaltar des Haar-
lemer Meisters aus der Mitte des 15. Jahrhunderts
Geertgen van Sint Jans.

Das Mittelbild (8' 5" hoch, 2' l^" breit >)
stellt die Anbetung des Jesukindes durch die drei Weisen
aus dem Morgenlande dar. Die Madonna, in weißem
Gewand und blauem Mantel, sitzt in einer offenen
Landschaft, in welcher eiu zahlreiches Gefolge der
Weisen nah und fern zerstreut ist. Die Figuren des
Gesolges tragen türkische oder italienische Kostüme der
Zeit. Sämtliche Typen sind porträtartig. Jn dem
jungen Manne rechts vom Mohrenkönig könnte man
den Maler vermuten. Rechts im Hintergrunde die
Stadt Bethlehem.

Auf dem rechten Flügel (die Flügel sind nur 2' 2 "

hoch, 1/ " breit) eine Frau kniend in schwarzem

Mantel und rotem Kleide, mit weißer Haube; hinter
ihr ein Ritter in schwarzer Rüstung mit Schwert und
Ambos (der heil. Julian). Jn seinem Brustharnisch
spiegeln sich einige Gestalten des Mittelbildes.

Auf dem linken Flügel ein kniender jüngerer Mann
in schwarzem Kleid mit langem, schlichtem Haar. Hinter
ihm ein vornehmer Mann in goldener Rüstung mit
Schwert und einem Falken auf der Hand, ein Barett
aus Pfauenfedern auf dem Kopse (der heil. Adriau).

Waagen hat (in seinem Handbuch der deutschen
und niederländischen Malerei, I, S. 115) mit Bestimmt-
heit, dann Bode (Studien zur holländischen Malerei,
S. 6, Note) die Hand des Meisters mit Wahrschein-
lichkeit erkannt^).

Nebst dem Prager sind überhaupt nur etwa noch
sechs Werke dieses ausgezeichneten Künstlers zur Zeit
bekannt, unter diesen zwei vollständig beglaubigte Ge-
mälde im Wiener Belvedere (Nr. 851 und 852 des
neuen Katalogs).

Die nähere Vergleichung des Prager Flügclaltars
mit den beiden Wiener Tafeln ergiebt die zweifel-
lose Jdentität der Künstlerhand. Charakteristisch sind
die Typen der Köpfe und die Farbengebung, z. B.
die braunroten Halbtöne und die etwas abgeblaßten
Lokaltöne der Carnation, dann die sehr ins Ein-
zelne gehende feine Ausführung. Doch scheinen mir
die Prager Bilder noch vicl feiner in der Ausführung
und edler in den Typcn der Köpfe zu sein; namcnt-

1) Die Maße sind in altem Pariser Maß angegeben.

2) Waagen erwähnt nur die Flügelbilder, das damals
getrennt aufgehängte Mittelbild mag er übersehen haben.
 
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