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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Heigel, Karl Theodor: Gedanken Friedrich Wilhelms IV. über einen neuen Baustil
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0020

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Korrespondenz

hinwegü! Ach! daß der theure, geliebte Kvnig das
recht wiißte! Wenn er nur das Treiben jener Men-
schen kennte! Gott helfe ihm dazu! Jch habe das
Meine redlich gethan. Jetzt weiß Bayern, ja Teutsch-
land weiß, was es von Dir einst zu erwarten hat.
Gott sey Dank!"

Jm allgemeinen beschäftigen sich die Briefe, so
weit sie nicht auf Familienangelegenheiten Bezug haben,
mit Politik und Regierungsfragen. Einmal kommt
jedoch Friedrich Wilhelm auch auf das künstlerische
Problem, das seinen königlichen Freund ganz besonders
beschäftigte, zu sprechen. Es ist bekannt, mit wie großem
Eifer — und wie wenig Glück — König Max zu
erreichen strebte, daß ein neuer Baustil, der das cha-
rakteristische Gepräge unserer Zeit trüge, gefunden
werde. Zu diesem Behuf eröffnete er 1850 für ein
Gebäude, das zur Aufnahme einer höheren Bildungs-
anstalt, des Maximilianeums, bestimmt war, eine
Preiskonkurrenz. Der Plan eines Berliner Architekten,
Wilhelm Stier, wurde gekrönt, dann aber wieder ver-
worfen, weil der König fand, daß auch hierbei von
den bekannten Baustilen nicht in erwünschtem Maße
Umgang genommen sei. Jn diesen Tagen richtete
Friedrich Wilhelm folgendes originelle Schreiben an
seinen Neffen.

Charlottenburg, 27. April 18S2.

Mein theuerster Max,

Unsre letztzeitige Ooirssponäsim, äirset oder inäirsot,
hat immer einen ernsten, wehmuthsvollen vaiaeter ge-
tragen. Darum werfe ich mich mit Leidenschastlichkeit auf
dies Brieflein, deßen Gegenstand so harmlos ist. Du wirst
Dich erinnern, wie sehr mich, schon seit Jahren, Deine
Ansichten über einen neuen Baustyl intsrssoirtsu und
wie ich darin die Hoffnung zu finden glaubte, einen Styl
zu finden, der sich zum herrlichen, von mir so geliebten
Styl Eurer bayrischen Hochlandshauser so verhielte, wie
der vollendete Griechisch-claßische Styl zu dem des ursprüng-
lichen Holzbaues der altgriechischen Wohnhäuser. Nach
vielem und vielfältigem „Druxen" über den Gegenstand
hab' ich vor wenigen Wochen gleich nach dem 6aks eine
Zeichnung entworfen und darnach mit meinem trefflichen
Stüler berathen. Der hat die Sache mit Vorliebe auf-
gefaßt und sein arebitsotonisobsr Aufriß hat mir so be-
hagt, daß ich es wage, Dir theuerster Max, als dem Ver-
anlaßer des Dinges denselben aus Spaß zu übersenden.
Meins Aufgabe, wie ich fie mir selbst gestellt, war die
stadtlich- und stattlich-Machung der Landarchi-
tectur des bayrischen Hochlandes, Tyrols rc. Der
Hauptoaraotsr dieser ^.robitsotur ist I.) ein Giebel-Ver-
hältniß (wirabiii äiotu!) „dem uttisobsn entsprechend"
2.) Weit vorragsndes, schützendes Dach mit Steinen bs-
schwert, 3.) unter seinem Schutze 6ominuniog.-iiolls-(1aIIs-
rissn und Erker. Letztere dürfen bey teutscher Lrobitsotur
nie fehlen, denn sie sind urteutsch, was der Umstand der
Unübersetzbarkeit des Wortes „Erker" schon allein beweist. —
Was Dir nun vorliegt, Herzens Max, ist nichts als ein
Lobantiilon im strengsten Sinne des Wortes — was eine
Stoffprobe ist — Es stellt Nichts vor, ist keinem Zwecks

aus München.

geweiht, sondern kann vielmehr verkleinert. erniedrigt, aus-
gedehnt, erhoben, vergrößert werden, je nach dem Zwecke des
Baues, ob Pallast, ob Schule, ob Bürger-, Stadt- oder Land'
haus rc. rc. Zch will Dir auch sagen, worin Stüler mir die
Sache nicht ganz nach Wunsch gemacht hat. 1.) Fehlen die
Beschwersteine des Dachs, die eine hohe Zierde werden
dürften, nach Umständen aus Marmor, behauenem Llravll
oder Sandstein, aus verziertem Holze, aus vergoldeteM,
versilbertem oder eigenfarbigem Erze. auch aus geschlissneM
Stahle gefertigt, 2.) sind die feinen Fenster-Trennungen
der Erker nicht nach meiner Angabe und Geschmacke.
Statt der ouriossn „Püppchen" (die an den gefällten
bayrischen Biergott in der St. Bonifaz Basilik zu Mün-
chen erinnern) wollte ich schlanke, corinthelnde Säulen,
an dersn Oaxitsii das Eichenlaub den griechischen ^.oan-
tbus sinnig ersetzen könnte, 3.) finde ich, daß die 6onsoisn,
die die Gallerieen tragen, nicht lang genug sind. BeY
ihrer Leichtigkeit (ich denke sie mir aus Eisenguß) könnten
sie dreist fast noch 1 mal so lang seyn und etwa solgende
Form gewinnen sVerzeih' das schändliche Gekritzel und Ge-
klexlj 4.) Ragt mir das Dach nicht weit genug vor.

Gott weiß, daß ich nicht Lob noch Beyfall verlange-
Was mich aber ungemein intsressirsn würde, wäre eine
Aeußerung von Dir. über eine Annäherung oder entschie-
denes Auseinandergehen meiner iäss mit der Deinigen.
Dadurch, und namentlich im letzteren Fall, den ich voraus-
setze, wird Dein ursprünglicher Gedanke mir klarer werden
und das halte ich für sehr der Mühe werth. Du siehst
wenigstens, daß mich jetzt, wie früher Deine lässn be-
schäftigen und sogar zur That reitzen. wenn die That auch
noch so jämmerlich ausfällt. Mögen in den wichtigeren
Dingen unsre Gedanken stets sich suchen und finden und
ihre Vereinigung sür Teutschland und dis rechte, gute Sache
d as werden, was dis „doppelte Msotrirätast" ist, —denn
während die einfache Lieotrirätast nichts als einsn kalten
Funken zeugt, so schlägt die doppelte wacker durch und kann
sich sogar bis zum Blitze steigern. Die Zustände Teutsch*
lands zeigen sich aber je mehr und mehr so kalt, so zer-
fallend, so arg mit einem Wortü! daß jedes Kind den
Ausbruch einer neuen und furchtbareren Levoiu2ion xro-
xbsssz'sll kann. Jn diesen Tod, in diese Verwesung hinein
gehört ein zündender, lebenzeugender Blitz aus Königs-
händen. Den wolle des HErrn Gnade schaffen!
treuer Liebe und ächter Freundschast, Herzens Max, bleib'
ich immerdar Dein

ergebener anhänglichster Onkel, Vetter, Bruder
und Freund Friedrich Wilhelm.

Aorrespondenz.

München, im Oktober 1886.

Ntbr. Nach langer Unterbrechung ist es möglich'
wieder einen Bericht über die Ausstellungen des Mün--
chener Kunstvereins zu geben. Denn die Berliner
Jubiläumsausstellung hatte die Kräfte dermaßen an-
gespannt, daß sich im Lause der letzten Monate eine
ziemliche Erschlaffung bemerkbar machte. Unter den
während der Sommermonate ausgestellten religiöseN
Bildern verdient in erster Linie ein .Gemälde von
Gabr. Max Erwähnung, welches Christus im Hause
 
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