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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Korrespondenz München [3]
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Vom Christmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0074

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143

Vom Christmarkt.

144

lösen, und nebenbei auch auf die sorgfältige Ausführung
der Hände und jede feinere Charakteristik verzichtet.
Unter den Landschasten seien zwei Bilder von Andreas
nnd Oswald Achenbach genannt. Denn wenn auch
Andreas Achenbachs „Einfahrt eines Dampfers bei
Sturm" nicht deu Anspruch künstlerischer Vollendung
erhebt, so läßt doch schon die flüchtig geistreiche Be-
handlung der Wolken auf den ersten Blick ven Meister
erkennen. Dasselbe gilt von Oswald Achenbachs
„Blick auf Capri von Kap Massa", einem Bitde, auf
welchem Luft und Licht mit packendcr Naturwahrheit
gemalt sind, während die figürliche Staffage sreilich
an großer Flllchtigkeit leidet. Sonst siel nock eine
Winterlaudschaft von Auderseu Luudby durch emsiges
Naturstudium, H. Kuorrs Bild „Nach einem Regen-
tage" durch encrgische Farbengebung und beredt aus-
gedrückte düstere Stimmung vorteilhaft auf, während
eine sehr präzis gezeichnete stilisirte Berglandschnft von
W. Graf Reichenbach doch in zu manierirter Weise die
Art Albrecht Altdorfers nachahmt. Unter den Tier-
stücken verdient ein Jagdstillleben von Ludw. Eibl
wegen der vornehmeu Auffassung des Stoffes, unter
deu Fruchtstücken ein Blumenkranz von Adam Kunz
wegen der saftigen Behandlung des Kolorits Erwäh-
nung, wodurch das Bild an ein gutes altniederländi-
sches Werk erinnert.

Das Beste aber habeu ohne Zweifel die Kupfer-
stecher geleistet: ich denke an I. Burgers Stich nach
Guido Reni's Aurora, der bereits in einem Aufsatz
Lübke's in der Allg. Zeitung, Beilage Nr. 260, eine
ausführliche Wllrdigung fand, und an das vortreffliche
Blatt I. L. Raabs, welches die Kvnigin Henriette von
England n.ach dem in Dresden bewahrten Bilde
van Dycks vorführt. Nnr selten ist mir ein Kupfer-
stich vorgekommen, der zu so hoher malerischer Wir-
kung durchgebildet wäre, wie dieser. Es ist bewunderns-
wert, in welcher Weise der Künstler es verstanden hat,
durch Anwendung und Kombination der verschieden-
sten Strichlagen jede Form zur Geltuug zu bringen
und bis in ihre leisesten Modulationen uns empsinden
zu lassen. Unvergleichlich schön ist namentlich das Ge-
wand behandelt, aus dem sich die nackten Teile so
plastisch herausheben, daß man förmlich das schwellende
Fleisch zu fühlen, das warni pulsirende Leben zu
empfinden glaubt. Wahrlich, bei dem engen Wirkungs-
kreis des modernen Kupferstiches lacht einem das Herz
im Leibe, wenn man von Zeit zu Zeit solchen Meister-
schvpfungen des Grabstichels begegnet!

Vom (Lhristmarkt.

III.

„Wie beherzt m Reim und Prose
Redner, Dichter sich ergehn,

Soll des Lebens heitre Rose
Frisch ouf Malertafel stehn.
Tausendsach und schöu entflietze
Form und Formen deiner Hand
Und iin Menschenbild genieße,

Dah ein Gott sich hergewandt."

Von Ludwig Richter >) zu Albert Hendschel, vo»
einem Liebling des deutschen Volkes zum andern ist nur
ein Schritt. Für beide gilt das Wort: „Wenn bie Vor-
sehung dem Menschengeschlechte ein rechtes Weihnachts-
geschenk machen wollte, so gab sie ihren Sonntagskindern
Stift und Pinsel in die Hand, auf daß sie von der
Schönheitswelt, die in ihnen lebte, auch deu nndcrn
Zeugnis geben sollten." Beide vertiefen sich mit poesie-
voller Jnnigkeit in das heimatliche Leben, und fast
jedes ihrer Werke ist auf sich selbst gestellt und trägt
den Stempel echter Kunst; es bedarf hier keiner Zu-
that, keines Kommentares. Es ist das altc bewährtc
Rezept, welches Dichter und Künstlcr aller Zeiten mit
gleichem Erfolge anwandten: jeder Zustand, jcder
Mensch, jede Scene des Lebens braucht nur rein ob-
jektiv aufgefaßt uud zum Gegenstand einer Schilde-
rung, sci es mit dem Pinsel oder mit Wortcn, gemacht
zu werden, um interessant, allerliebst, beneidcnswert z»
erscheinen. Durch die vorliegende billigere Buchaus-
ausgabe^), welche dreißig Lichtdrucke cnthält, wcrdem
nuu die eigenartigen Schöpsungen noch mehr in dic
deutsche Familie eindringen und sich als gute Freundc
bewähren, die man rust, wenn der Humor uns ver-
lassen will. Die Auswahl selbst bekundet cin feines
Taktgefühl, was um so mehr in die Wagschale fällt,
als die Persönlichkeit des Künstlers aus seinen Skizzen
deutlicher hervortritt, als aus seineu grvßeren Werkcn,
welche ihn noch als einen Anhänger der romantischen
Schule charakterisiren, bei der so mancher rheinische
Künstler in die Lehre gegangen ist. Diejenigen Stoffe,
in denen sich Hendschels Eigenart am reichsten ent-
faltete, sind auch in dieser Ausgabe am zahlreichsten
vertreten: wir meinen seine humor- und gemütvollcn
Kinderscenen, in Lenen er Richter und Pletsch an
Feinheit und Vielseitigkeit der Schilderung entschieden
übertrifft, — wenn sie auch nicht die Frankfurter Sphürc 1
verleugnen können, wie die Kindergestalten dieser nicht
die ihre, — sowie die Träger mutwilligen Humors
und ausgelassener Schalkhaftigkeit, bei welchen aber
der Humor fast imnicr nur in der Situation und nicht

1) Der Preis dss Buches von L. Richter „Altes und
Neues" wurde in voriger Nummer irrtllmlich mit Mk. 13,50
statt mit 10 Mk. angegeben.

2) Frankfurt, M. Hendschel. Eleg. geb. 20 Mk.
 
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