Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

DOI Artikel:
Julius Schnorrs Briefe aus Italien
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0084

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IK3

Kunstlilteratur.

einmal die Gleichzeitigkeit mit den Ereignissen, welche
ja Briefen an sich schon eigen ist, dann aber vor allen
Dingen die seltene Gewissenhaftigkeit und Trene der !
Beobachtung, welche Schnorrs Darstellungen in hohem
Maße auszeichnet. Dazu kommt eine ungewöhnliche
Sicherheit des Urteils über die Arbeiten jener Zeit,
die mit einer leider nicht häusigen Milde und Unbe-
fangenheit doch den eigenen Standpunkt jeder Zeit zu
bewahren weiß. Hat es doch überhaupt nur wenige
bildende Künstler gegeben, die so wie Schnorr über
das Wesen und die Aufgabe der Kunst nachgedacht
haben. Diese Neigung zur Reflexion befähigte ihn
vor anderen, als Berichterstatter und Kritiker auf-
zutreten; und durch sie haben seine Ansichten und
Urteile eine geradezu kunsthistorische Bedeutung er-
halten, da sie vielfach als der geläuterte Ausdruck der
künstlerischen Jdeale seiner Zeit bezeichnet werden
können. Wer daher mit nns der Meinung ist, daß die
Knnstgeschichte, wie überhaupt jede Geschichte, vor
allem anf die Absichten der Künstler eingehen und ihre
Werke aus den Verhültnissen und Gedanken der Zeit
begreifen soll, der wird eine derartige Publikation wie
die vorliegende als eine wirkliche Bereicherung unseres
Wissens mit Freuden begrüßen.

Neben dieser Bedeutung für die gesamte Geschichte
der deutsch-römischen Kunst haben aber die Briefe
noch die besondere, daß sie eine ziemlich lückenlose
Bivgraphie Schnorrs während seines Aufenthaltes
in Jtalien bis zu seiner Ubersiedelung nach München
darstellen. Wir lernen ihn aus denselben als einen
Künstler kennen, dem es mit den Aufgaben seines Be-
rufes heiliger Ernst ist, und der unausgesetzt an seiner
Ausbildung weiter arbeitet. Aber auch der Charakter
des Menschen nötigt uns die größte Hochachtung ab.
Wie er inmitten einer katholischen Bevölkerung und
umgeben von Freunden, die ihn jeden Augenblick zum
Konvertiten machen wollen, seinen protestantischen
Glauben verteidigt und vermöge desselben zu einer
viel freieren Auffassung des Lebens und der Künst ge-
langt, als sie z. B. Overbeck und Cornelius je be-
saßen, wie er mit warmer Hingebung den Geschicken
seines Vaterlandes folgt und sich trotz der Schönheit
des italienischen Landes und seiner Bewohner die An-
hänglichkeit an seine deutsche Heimat treulich bewahrt,
wie er als liebender Sohn und Bruder an Eltern
und Geschwistern hängt und als Freuud allezeit hülfe-
bereit erscheint, wie er endlich stillen Herzens dem
Mädchen, das er noch als Kind gesehen, Jahre hin-
durch eine warme Neigung bewahrt, bis er sie an
Leib und Seele frisch und rein zu seinem Weibe niachen
kann, alle diese Züge seines Wesens treten uns auf
das lebendigste aus den Briefen entgegen und zeigen
uns den Schreiber als einen idealen deutschen Mann


im bcsten Sinne des Wortes, dessen Leben und Wirkc"
der Teilnahme seines Volkes in hohem Grade würdig
l erscheint.

Berdient daher ber Herausgeber der Briefe de»
Dank aller derer, welchen diese Studien am Herzc"
liegen, so würde er dieselben sicher noch mehr sich ver^
pflichten, wenn er sich entschließen könnte, auf Grund
des ihm in so reichem Maße zu Gebote stehende"
Materials selbst das vollständige Lebensbild Schnorr^
zu zeichnen.

Aunstlitteratur.

Iiss urtistss oslsbrss. — Hsur^ R.SAiruu1t
LoZsr Llurx. kl. 102 S. mit 40 Tez'U
illustrationen. karis, Itouaiu.

Kaum über irgend einen Künstler, Lessen Lebeu^
lauf in so engen Grenzen bemessen war, wie dcr
Regnaults, hat sich iu kurzer Zeit eine so voluminösc
Litteratur angesammelt. Außer in dem unstreitig ^
deutenden Zuge seines Talentes sindet diese ErscheinunA
auch in dem tragisch-heroischen Abschlusse seiner
kurzen Laufbahn ihre natürliche Erklärung: der 27jährig^
Künstler fand bekanntlich am 19. Januar 1871 in'
Gefecht bei Buzenval als eines der letzten Opfer dc^
Kampfes um die Übergabe von Paris, seinen Tod'
Was war natllrlicher, als daß in der Trauer um den
ohne Frage bedeutenden Verlust, den die französislh^
Kunst erlitten, sich der Maßstab fllr den absoluted
Wert der Leistungen des jungen Malers zu dcssc"
Gunsten verschob, daß die Kritik, die mit wenigen Au^
nahmen schon die Werke des Lebenden mit oft aW
enthusiastischem Beifall ausgezeichnet hatte, nun dei»
Toten gegenüber, der sein vielversprechendes Lebc"
sreiwiltig für das Vaterland hingegeben hatte, kauu'
ein Wort der Einschränkung des Lobes, geschweige deU>'
des offenen Tadels fand, aus Furcht, die Gefühle dei
Pietät und des berechtigten Stolzes zu verletzen, nE
mit die Nalion das Opfer des Toten ehrte. Jndcö
konnte der Rückschlag nicht ausbleiben. Als weuig^
Jahre später — bei Gelegenheit der Weltausstellu»3
vom Jahre 1878 — die Kritik sich neuerdings dc>'
bedeutendsten der Werke des Verstorbenen gegentidc'
gestellt sah, schien sie sich nun durch ein bis zur U>^
gerechtigkeit herbes Urteil für den unbesonnenen
thusiasnms, dem sie sich einst aus freieu Stllcken hiu""
gegeben hatte, und für die Zurückhaltung, die ihr spa^
durch die Umstände auferlegt war, schadlos halten
wollen. Die Wahrheit liegt auch hier, wie gewöhu^
lich, in der Mitte. 2hr möglichst unparteiisch A"^
druck gegeben zu haben, den glänzenden und bestecheU"
den Seiten des Talents H. Reguanlts gerecht gewordcU
zu sein, ohne sich gegcn dic bedeutenden Mängel seiuc'
 
Annotationen