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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Die polychrome Statue der heil. Elisabeth in Marburg
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Wolf, August: Eröffnung der "Tribuna" in der Akademie zu Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0092

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Eröffnung der „Tribuna" in der Akademie zu Venedig

jedenfalls die Deckenmalerei noch der gotischen Periode
an. — Welchen Wert die plastischen Werke besitzen,
welche das Jnnere der Elisabethkirche zieren, wie
namentlich die Grabsteine im südlichen Kreuzarm,
dem sogenannten Landgrafenchor, ist hinreichend be-
kannt. Wir führen im Bilde ein Skulpturwerk aus
der Elisabethkirche vor, welches geeignet erscheint, das
reiche Maß der Polychromie in der Plastik des späteren
Mittelalters klar zu legen. An der südlichen Chor-
wand besindet sich ein aus Holz geschnitzter Dreisitz
(Celebrantenstuhl) mit einem tabernakelartigen Auf-
bau, welcher in drei Spitztürmen ausläuft. Jn dem
mittleren (dem offenen Leib der Fiale) befindet sich die
holzgeschnitzte, bemalte Statue der heil. Elisabeth. Sie
trägt über dem Witwenschleier die vielzackige Krone,
hält in der Linken das Modell der ihr zu Ehren ge-
stisteten Kirche und senkt mild die Rechte zu dem
Bettelmann herab, der links vor ihr auf dem Boden
kauert. Jn der Bemalung macht sich das natura-
listische Prinzip rückhaltlos geltend. Es belebt die
Farbe nicht bloß die Fleischteile, sie dient auch dazu,
die Gewänder stofflich zu charakterisiren. Kein Zweifel,
daß erst durch dieselbe die Pracht der fürstlichen Tracht,
des verbrämten, mit goldenen Lilien geschmückten
Mantels und des gepreßten Leibrockes zu voller Gel-
tung gelangt. Die Statue wird gewöhnlich in den
Anfang des 14. Jahrhunderts versetzt; doch deutet die
Zeichnung des Kopfes der heil. Elisabeth und die
naturalistische Darstellung des Bettlers auf den Aus-
gang des 14. Jahrhunderts als Entstehungszeit hin.

Lröffnung der „Tribuna" in der Akademie zu
Vsnedig.

Die Preisverteilung an die Schüler der Kunst-
schule Venedigs fand am 4. Dezember 1886 in dem
früheren Saale der Assunta statt, bei welcher Gelegen-
heit Senatore Sampertico aus Vicenza die übliche
Festrede hielt. Die gewöhnlich langweilig verlaufende
akademische Feier erhielt diesmal eine gewifse Weihe
dadurch, daß des Senators Festrede zugleich die Ein-
weihung des neuen Saales bedeutete, in welchem des
großen Tizian hochbedeutendes, aller Welt bekanntes
Bild: „Die Himmelfahrt der Maria" endlich eine seiner
würdige Aufstellung fand.

Wie schon früher in dissen Blättern mitgeteilt
wurde, hat man ein rundbogiges Portal an der Stelle
durchgebrochen, welche früher von Tizians Bild« einge-
nommen wurde, so Laß man auf sechs Stufen in
den neuen Saal gelangt. Dieser mäßig große, mit
Oberlicht versehene Saal bildet also dergestalt eine
höher liegende Fortsetzung des früheren Affuntasaales.

186

— Genanntem Portale gegenüber stellte man
Affunta in breitem schönen Rahmen auf und zwar s»'
daß dem den früheren Affuntasaal Betretenden sch»^
vou weitem das Bild entgegen leuchtet, umschloffen
das Auge des Fernstehenden von dem besagten dunkleN
Marmorportal. Die relative Dunkelheit des vorderen
Saales läßt Tizians Bild um so prachtvoller »nd
glänzender zur Wirkung kommen, als die Oberlichl^
öffnung selbst aus der Ferne nicht wahrzunehmen ist
Schlimmer jedoch gestaltet sich die Sache für den
Näherhinzutretenden. Da die Lichtöffnung nicht hoä>
genug über dem Bilde angebracht ist, so war trotz
starker Neigung desselbxn nach vorn der Reflex de^
Lichtes auf der Bildfläche nicht zu vermeiden.

Man war durch diesen Umstand gezwungen, dc^
Bild viel niedriger zu stellen, als ursprünglich beabsichtigi
war. Durch die starke Neigung nach vorn entstandc»
andererseits Reflexe des an sich sehr schönen Marnior-
fußbodens, so daß die dunklen Apostelfiguren eine»
leichten Reflexnebel bekamen.

Trotz alledem preise ich den Tag, seit welcheiU
dieses Kleinod venezianischer Malerei in seiner volleu
Schönheit gesehen und genoffen werden kann. Jst doch
nun das, was hell sein soll, die Glorie, wirklich helll
und was dunkel gedacht ist, minder beleuchtet, und nichi
mehr von unten nach oben, oder gar nicht. Die schlechte
Beleuchtung hat seit dem Jahre 1818 gedauert, urn
welche Zeit das Bild vom Altare der Frarikirche ge"
nommen wurde. Trotz der letzten wahrhaft nordisch
dunklen Tage leuchtete das Bild in wunderbarer Frischk-
Vielleicht ist es Späteren vorbehalten, eine weitere
Verbefferung eintreten zu laffen durch ein hoch ange-
brachtes seitliches Fenster, denn für Seitenlicht hat
Tizian sein Bild gedacht, Der Architekt der Tribuna ist
Prof. Franco. Er schlug Oberlicht vor. Nur eine
einzige Stimme war im Kollegium gegen Ober- und
für Seitenlicht. Man hätte dem Manne, Prof. Moja,
folgen sollen. Die Verbringung der Assunta an ihren
neuen Aufstellungsort hatte eine Platzveränderung einer
ganzen Reihe von bedeutenden Bildern der Galerie zi>r
Folge. Sprechen wir jedoch vorerst von den weileren
Bildern, welche in der Tribuna untergebracht wurdein

Tizians Bild wird nicht von anderen Bilder»
flankirt. Man ließ den Raum rechts und links leer-
Man beschloß den frühereu Assuntasaal lediglich Re^
präsentationszwecken zurückzugeben, für welche er er-
baut ist. Er bildete einst den Hauptversammlungssaal
der Scuola della Caritn, bis dieses schöne Brüder-'
schaftsgebäude seinem Zwecke entzogen wurde. MaN
wird die beiden, den Bildern zu liebe im Jahre 181b
zugemauerten Seitensenster wieder durchbrechen, wo--
durch die schön geschnitzte und vergoldete Decke wieder
zu ihrem Rechte kommt.
 
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